OLG Frankfurt am Main, 16.03.2015 – 23 U 112/14

April 9, 2019

OLG Frankfurt am Main, 16.03.2015 – 23 U 112/14
Tenor:

Das am 23.05.2014 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main – Az.: 2-07 O 211/13 – wird abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 19.295,03 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie weitere € 1.023,16 Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus seiner Beteiligung an der A mbH & Co. KG in Höhe von nominal USD 25.000,- zu zahlen.

Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagte mit der Annahme der Abtretung der Rechte aus der klägerischen Beteiligung an der A mbH & Co. KG in Höhe von nominal USD 25.000,- im Verzug ist.

2. dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von einer etwaigen Inanspruchnahme als Kommanditist der A mbH & Co. KG durch diese und deren Gläubiger freizustellen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 11% und die Beklagte 89% zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die zweite Instanz wird auf 20.427,56 € festgesetzt.
Gründe
1

I.

Der Kläger macht Ansprüche auf Schadensersatz geltend im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung als Direktkommanditist an der Schifffahrts-Gesellschaft „A” mbH & Co. KG (Schiffsfonds) in Höhe von 25.000,00 USD zzgl. 5% Agio.
2

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe zum Zeitpunkt der Zeichnung vielleicht nicht genau gewusst, an wen und in welcher Höhe ein Teil des von ihm gezahlten Betrages geflossen sei, er habe aber auch nicht ausschließen können, dass die Beklagte für die Vermittlung der Beteiligung einen Anteil davon erhalten würde.
3

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird im Übrigen auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
4

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung aus § 280 Abs.1 BGB. Die Beklagte habe keine Pflichten aus einem Beratungsvertrag verletzt, eine etwaige Verletzung sei für seine Anlageentscheidung jedenfalls nicht kausal gewesen. Eine nicht anlegergerechte Beratung des Klägers sei nicht feststellbar, nachdem es dem Kläger um eine Anlage gegangen sei, bei der Risiken in einem angemessenen Verhältnis zur Rendite hätten stehen sollen, und nicht erkennbar sei, dass der Schiffsfonds dieses Anlageziel aus damaliger Sicht nicht erfüllt hätte. Die Beratung sei auch objektgerecht erfolgt, nachdem der Kläger bereits aufgrund des ihm überlassenen Prospekts in hinreichender Form aufgeklärt worden sei. Dem Beklagtenvortrag, wonach der Prospekt schon bei einer vorangegangenen Beratung übergeben worden sei, sei der Kläger in der persönlichen Anhörung trotz seiner Darlegungs- und Beweislast nicht in erheblicher Form entgegengetreten. Der Fondsprospekt weise aber hinreichend deutlich auf die Funktionsweise und alle relevanten Risiken der Beteiligung hin. Insoweit komme es auch nicht auf die mündlichen Angaben der Beraterin bzw. den Beratungsbogen (Anlage K7) an, da jedenfalls nicht dargelegt sei, dass die Beteiligung abweichend von den Prospektangaben erläutert worden sei.
5

Soweit Ansprüche auf das Verschweigen von Rückvergütung gestützt seien, fehle es an der Kausalität einer Pflichtverletzung für die Entscheidung des Klägers, die Anlage zu zeichnen. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens sei nach den Angaben des Klägers in der persönlichen Anhörung widerlegt. Danach stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass Beweggrund für die Rückabwicklung nicht ein etwaiger Interessenskonflikt der Beklagten gewesen sei. Anders sei es nicht zu erklären, weshalb der Kläger seinen eigenen Angaben zufolge eine Rückabwicklung seiner Beteiligung an dem Fonds Wachstumswerte 3 von der Höhe einer etwaigen Rückvergütung abhängig machen wolle. Denn der nicht offen gelegte Interessenskonflikt der Bank liege unabhängig von der genauen Höhe der Provision vor, ohne dass der Kläger dies für sich genommen zum Anlass nehme, eine Rückabwicklung der Beteiligung anzustreben.
6

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine abgewiesenen Anträge weiterverfolgt und zu deren Begründung er ausführt, zu Unrecht habe das Landgericht die Klageabweisung auf eine rechtzeitige Übergabe des Prospekts gestützt. Die Beklagte sei ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist, da die angeblich „vorangegangene Beratung”, anlässlich der die Prospektübergabe erfolgt sein solle, in keiner Weise zeitlich eingegrenzt worden sei. Ferner bleibe unberücksichtigt, dass die Beratungsdokumentation (Anlage K 7) auf den Zeichnungstag datiere, was deutlich dafür spreche, dass auch der Emissionsprospekt – allenfalls – am Zeichnungstag übergeben worden sei. Auch habe das Landgericht unbeachtet gelassen, dass in der Beratungsdokumentation die Besprechung diverser erheblicher Risiken nicht angekreuzt sei. Selbst im Falle einer rechtzeitigen Prospektübergabe hätte der Kläger, der über keinerlei Erfahrungen mit der Produktklasse „geschlossener Fonds” verfügt habe, davon ausgehen dürfen, dass die wesentlichen Risiken mündlich angesprochen würden.
7

Verfahrensfehlerhaft habe das Gericht die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens als widerlegt angesehen, da die Parteianhörung, die selbst kein Beweismittel sei, nicht den alleinigen Beweisgrund habe bilden dürfen, zumal das (vermeintliche) Beweismittel von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt überhaupt als Beweis für die Widerlegung der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens angeboten worden sei.
8

Das Gericht habe zudem die Parteianhörung des Klägers unzutreffend gewürdigt. Der Kläger habe ausgeführt, dass er den Fonds wohl nicht erworben hätte, wenn er über die Höhe der Provisionen aufgeklärt worden wäre, und dass er sich dann für eine andere Anlage entschieden hätte. Ebenso glaubhaft habe er ausgeführt, dass er von den Risiken einer unternehmerischen Beteiligung erst zu einem viel späteren Zeitpunkt erfahren habe. Soweit der Kläger daneben ausgeführt habe, dass er keine Klage eingereicht hätte, wenn der Fonds sich prospektgemäß entwickelt hätte, sei diese Angabe sicherlich nicht ausreichend, um die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zu widerlegen. Hintergrund sei nur, dass der Kläger bei prospektgemäßer Entwicklung des Fonds nicht geklagt hätte, da er dann keinen Grund gehabt hätte, sich entsprechend zu informieren und damit auch nichts von Provisionen an die Beklagte erfahren hätte. Dementsprechend habe er auch angegeben, dass er wegen eines über eine andere Bank erworbenen Fonds auch ggf. ein Klageverfahren anstreben werde, sofern sich herausstelle, dass auch dort Provisionen geflossen seien.
9

Aber selbst wenn man die Angaben des Klägers für widersprüchlich hielte, hätte dies allenfalls zur Folge, dass nicht klar wäre, wie der Kläger sich entschieden hätte. Dieses “non-liquet” ginge zu Lasten der beweisfälligen Beklagten.
10

Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 28.07.2014 (Bl.199ff.d.A.) Bezug genommen.
11

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Endurteils des Landgerichts Frankfurt vom 23.05.2014 – 2-07 0 211 /13 – wie folgt zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 19.295,03 nebst Zinsen in Höhe von 2 % p. a. vom 15.09.2006 bis Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus seiner Beteiligung an der A mbH & Co. KG in Höhe von nominal USD 25.000,-.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von EUR 1.407,53 (1.8 Geschäftsgebühr aus EUR 20.681,-) zu erstatten.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme der Abtretung zu Ziffer 1. im Verzug ist.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von einer etwaigen Inanspruchnahme als Kommanditisten der im Antrag zu Ziffer 1. genannten Kommanditgesellschaft durch diese und deren Gläubiger freizustellen.

12

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers und Berufungsklägers zurückzuweisen.

13

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Berufung bezeichne keine Umstände, die konkrete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung rechtfertigen könnten.
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Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Prospektübergabe sei die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast durch den Vortrag nachgekommen, dass der Prospekt in einer der der Zeichnung vorangegangenen Besprechungen übergeben worden sei. Im Hinblick auf den Vortrag des Klägers aus der persönlichen Anhörung müsse dieses Vorbringen sogar als zugestanden angesehen werden. Die Beratungsdokumentation enthalte gerade keine Aussage darüber, ob der Prospekt zu dem Datum der Beratungsdokumentation tatsächlich übergeben worden sei; die Unterschrift des Klägers in der Beitrittsvereinbarung auf S.2 spreche vielmehr dafür, dass er den Prospekt bereits früher ausgehändigt bekommen habe. Unrichtig sei die Ansicht, dass die Risiken eines für ihn neuen Anlageproduktes jedenfalls mündlich hätten angesprochen werden müssen.
15

Da das Landgericht den Sachvortrag des Klägers als Erkenntnisquelle bei der Entscheidungsfindung habe heranziehen dürfen, sei es der Kläger selbst gewesen, der mit seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens widerlegt habe. So habe der Kläger – auf Rückvergütungen und einer möglichen Nichtzeichnung der Anlage angesprochen – mit einer Gegenfrage geantwortet („Wieso hätte ich nicht zeichnen sollen, man kriegt ja nichts anderes”). Diese Kernaussage mache deutlich, dass für den Kläger die Existenz von Rückvergütungen keine Rolle gespielt habe. Soweit der Kläger erklärt habe, dass er sich nicht für die Beteiligung entschieden hätte, seien für diese Aussage rein wirtschaftliche Überlegungen ursächlich gewesen, nicht aber der Umstand, dass sich die Beklagte möglicherweise in einem Interessenkonflikt befunden haben könnte. Nach seinen eigenen Angaben sei es dem Kläger allein auf die wirtschaftlichen Vorteile angekommen, während das Argument der unterlassenen Aufklärung über die Rückvergütung von dem Kläger nur benutzt worden sei, um den bei ihm möglicherweise eingetretenen finanziellen Nachteil nunmehr bei der Beklagten wieder geltend zu machen. Wenn aber allein die Wirtschaftlichkeit der Anlage relevant sei, werde das Fehlen der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden unmittelbar deutlich. Dies gelte umso mehr, als das Landgericht seine Entscheidungsfindung mit einer weiteren Aussage des Klägers zu dessen Beteiligung an dem Fonds B begründet habe. Im Hinblick auf die dort von dem Kläger erwähnte Höhe der Rückvergütung über 12% habe die Kammer sogar davon ausgehen müssen, dass es alleine ökonomische Überlegungen gewesen seien, die den Kläger dazu gebracht hätten, seine Beteiligung an dem B … rückabwickeln zu wollen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 03.09.2014 (Bl.216ff.d.A.) Bezug genommen.
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II.

Die Berufung ist teilweise nach Maßgabe des Folgenden begründet, im Übrigen unbegründet.
18

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Unrecht Schadensersatzansprüche des Klägers gemäß § 280 BGB wegen Pflichtverletzungen aus einem Anlageberatungsvertrag nicht für gegeben erachtet.
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Unstrittig war und ist, dass zwischen den Parteien zumindest konkludent ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen ist, der die Beklagte zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtete.
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Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht Beratungsfehler im Zusammenhang mit der anlegergerechten Beratung verneint. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der empfohlene Schiffsfonds den Anlagezielen des Klägers nicht entsprochen hätte.
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Ebenso zutreffend sind die Ausführungen des Landgerichts zur Frage der objektgerechten Beratung. Der Kläger ist für mündliche Beratungsfehler schon beweisfällig geblieben; das Beratungsprotokoll vom 04.05.2006 (Anlage K7; Bl.97 d.A.) gibt für die Position des Klägers ersichtlich nicht her, da dort ausdrücklich dokumentiert worden ist, dass „auf die Darstellung im Emissionsprospekt ab Seite …‚Chancen und Risiken einer Beteiligung‘“ hingewiesen worden sei. Zutreffend sind aber auch die Erwägungen des Landgerichts, wonach die Risikoaufklärung über den rechtzeitig übergebenen Prospekt gewährleistet worden sei. Nach der Rechtsprechung des BGH kann es als Mittel der Aufklärung genügen, wenn dem Anlageinteressenten statt einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser – wie hier – nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH BKR 2010, 118 [BGH 19.11.2009 – III ZR 169/08] m.w.N.). Soweit der Kläger eine nicht rechtzeitige Prospektübergabe behauptet hat, trägt er hierfür ebenfalls die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH NJW-RR 2013, 296; BKR 2010, 118 [BGH 19.11.2009 – III ZR 169/08]; NJW-RR 2006, 1345 [BGH 11.05.2006 – III ZR 205/05]). Die Beklagte ist dabei ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen, nachdem dem finalen Gespräch am 04.05.2006 unstreitig ein oder zwei weitere, ebenfalls etwa 30minütige Gespräche vorangegangen waren und der Kläger – ebenfalls unstreitig – seinerzeit etwa 1-2mal pro Woche in der Filiale der Beklagten in … vorsprach. Der Vortrag, wonach der Langprospekt in einem der beiden unstreitig vorangegangenen Gespräche übergeben worden sei, ist ausreichend substantiiert, auch ohne dass der Termin nach Tag und Uhrzeit genauer bezeichnet worden ist. Denn die Teilnehmer des Gesprächs und dessen ungefähre zeitliche Eingrenzung stehen fest, sind dem Kläger aus eigenem Erleben bekannt und unbestritten. Zu Recht ist das Landgericht weiter davon ausgegangen, dass der Kläger seinen Vortrag in der mündlichen Anhörung dahingehend relativiert hat, er könne sich nicht mehr erinnern, in welchem Termin der Prospekt überreicht worden sei. Jedenfalls aber ist der Kläger für eine fehlende rechtzeitige Übergabe beweisfällig geblieben.
22

Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht aber im Ergebnis, soweit es aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers die fehlende Kausalität eines im Verschweigen von Rückvergütungen zu sehenden Beratungsfehlers für die Anlageentscheidung festgestellt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese “Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens” gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (BGH NJW 2014, 2951 [BGH 15.07.2014 – XI ZR 418/13]; NJW 2012, 2427 [BGH 08.05.2012 – XI ZR 262/10]). Der Beweis der fehlenden Kausalität ist hier aber nicht geführt.
23

Zwar ist der Senat nach § 529 Abs.1 Nr.1 Halbs.2 ZPO grundsätzlich an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Auch bezieht sich die freie Beweiswürdigung nach § 286 Abs.1 ZPO auf den gesamten Inhalt der Verhandlung; zu den Erkenntnisquellen der Beweiswürdigung gehört damit auch der streitige und unstreitige Sachvortrag und das Prozessverhalten der Parteien einschließlich der Äußerung bei Anhörung gemäß § 141 ZPO (BGH NJW 1999, 363 [BGH 16.07.1998 – I ZR 32/96]; Zöller-Greger, ZPO, 30.Aufl., § 141 Rn.1), aber auch Art, Zusammenhang und Zeitpunkt des Vorbringens, etwa eine Verletzung der Wahrheitspflicht; aus-nahmsweise kann der Richter seine Überzeugung in klaren Fällen auch allein auf die Würdigung der Parteibehauptungen stützen (Zöller-Greger, ZPO, 30.Aufl., § 286 Rn.14 m.w.N.). Insofern ist kein Verfahrensfehler darin zu sehen, dass das Landgericht seine Entscheidung insoweit auf die Anhörung des Klägers gestützt hat; auch wurde dabei kein Beweisangebot übergangen.
24

Vorliegend bestehen aber dennoch konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen; zu Recht verweist die Berufung darauf, dass die niedergelegte Argumentation des Landgerichts das gefundene Ergebnis – richterliche Überzeugung von der Widerlegung der Kausalität – nicht trägt.
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Das Landgericht hat sich insoweit lediglich auf den Gesichtspunkt gestützt, dass den Angaben des Klägers in seiner persönlichen Anhörung zu entnehmen sei, dass „Beweggrund für die Rückabwicklung nicht ein etwaiger Interessenkonflikt der Beklagten gewesen sei.“ Es hat diese Erkenntnis damit begründet, dass der Kläger die Rückabwicklung der im Jahre 2009 gezeichneten Beteiligung an dem HL-Fonds „Wachstumswerte III“ dem Vernehmen nach von der Höhe der dort tatsächlich geflossenen Rückvergütung abhängig machen wolle, obwohl der Interessenkonflikt doch unabhängig von der Höhe der Rückvergütung bestehe. Diese Argumentation rechtfertigt das gefundene Ergebnis nicht.
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Zunächst macht es natürlich einen Unterschied, in welcher Höhe Rückvergütungen geflossen sind. Die von Beklagtenseite auch zuletzt im Schriftsatz vom 05.02.2015 noch vertretene Gegenansicht ist schlicht unzutreffend. Der durch die Aufklärung über Rückvergütungen offen zu legende Interessenkonflikt ist nicht „wertneutral“; je höher die Rückvergütung ist, umso größer ist der Interessenkonflikt der Bank, und umso eher wird ein Anleger die Motivation der Bank, ihm die Anlage zu empfehlen, in Frage stellen. Nicht umsonst ist zur ordnungsgemäßen Aufklärung auch die Mitteilung erforderlich, in welcher Höhe Rückvergütungen fließen; die Höhe der Rückvergütung muss ungefragt offen gelegt werden (BGH NJW 2011, 3227 [BGH 09.03.2011 – XI ZR 191/10]; NJW 2011, 3231 [BGH 24.08.2011 – XI ZR 191/10]). Denn ohne deren Kenntnis kann der Anleger das Interesse der beratenden Bank an dem empfohlenen Beteiligungserwerb nicht richtig einschätzen (BGH NJW 2007, 1876). Insofern ist die Angabe des Klägers, wonach er sein weiteres Vorgehen in Sachen „Wachstumswerte III“ auch von der Höhe der dortigen Rückvergütungen – also vom konkreten Ausmaß des zu Tage tretenden Interessenkonflikts – abhängig machen will, von vornherein ungeeignet, eine Schlussfolgerung darauf zuzulassen, was Beweggrund für die vorliegende Klage war und – noch weniger – inwieweit den Kläger eine Rückvergütung im Bereich der hier im Raum stehenden Größenordnung von 11 oder 12% bei der hiesigen Anlageentscheidung vom 04.05.2006 gestört hätte. Näher liegt im Übrigen der umgekehrte Schluss. Denn der Kläger hat in seiner Anhörung zuletzt gerade angegeben, dass er eine Rückabwicklung des Fonds „Wachstumswerte III“ juristisch prüfen wolle, wenn sich eine Rückvergütung in entsprechender Höhe ergäbe.
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Aber selbst wenn ein etwaiger Interessenkonflikt der Beklagten keine Rolle für die Motivation zur Prozessführung gespielt hätte und es dem Kläger für die Entscheidung zur Klageerhebung nur darauf angekommen wäre, ob die Anlage Verluste erzielt hat, könnte kein Schluss auf die hypothetische Entscheidung des Klägers im Fall seinerzeit ordnungsgemäßer Aufklärung gezogen werden. Das Klagemotiv „Verlust“ lässt als solches keinen Rückschluss auf das Motiv für die Anlageentscheidung zu (BGH WM 2014, 1670 [BGH 15.07.2014 – XI ZR 418/13]). Es mag so sein – und darauf will das Landgericht im Anschluss an die Ausführungen der Beklagten wohl hinaus -, dass der Kläger die ihm heute aus der Kick-Back-Rechtsprechung erwachsenen rechtlichen Möglichkeiten nutzt, um eine ihm unliebsame Anlage rückabzuwickeln; es ist aber – bis zur Grenze der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB – nicht vorwerfbar, wenn ein Anleger eine nach seiner Ansicht erfolgversprechende Rechtsverfolgung betreibt, selbst wenn er auf diese Weise – auch oder sogar vornehmlich – nicht damit in unmittelbarem Zusammenhang stehende (wirtschaftliche) Ziele verfolgt. Es lässt sich aus dem Umstand, dass der Kläger heute eine schlecht laufende Anlage “loswerden” möchte, auch logisch nicht ableiten, wie der Kläger sich bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung über Rückvergütungen im Jahr 2006 verhalten hätte, insbesondere nicht, dass ihm deswegen Rückvergütungen von möglicherweise 12% gleichgültig gewesen wären. Natürlich wird ein Anleger bei einer besonders nachteiligen Anlage eher dazu neigen, alle in Betracht kommenden Rechte in Bezug auf die Anlage wahrzunehmen; daran ist nichts rechtlich oder moralisch Verwerfliches. Alles andere würde darauf hinauslaufen, dass nur gut laufende Anlagen über die Kick-Back-Rechtsprechung rückabgewickelt werden könnten – ein unsinniges Ergebnis. Zwar liegt der „Schaden“ bereits in der Anlage selbst; wenn diese aber im wirtschaftlichen Ergebnis nicht nachteilig ist, macht eine Rückabwicklung für den Anleger regelmäßig keinen Sinn. Es stellt sich schon die Frage, mit welchem Antrag eine Rückabwicklung dann vor Gericht verfolgt werden sollte. Abgesehen davon hat der Kläger die Klage vorliegend ja durchaus auch noch auf andere angebliche Beratungsfehler gestützt.
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Schließlich hat der Kläger in seiner Anhörung ausdrücklich ausgeführt, dass ihm jedenfalls die Höhe einer Rückvergütung von 12% „vielleicht ein bisschen viel“ gewesen wäre. Diese Angabe erscheint im Übrigen authentischer als der von der Beklagten vom Kläger zur Plausibilisierung seines Vortrags erwartete „Aufschrei“ (Schriftsatz vom 05.02.2015, S.4; Bl.238 d.A.). Aus der protokollierten Angabe kann logisch allenfalls der Schluss gezogen werden, dass nicht mehr gesagt werden könne, wie der Kläger sich in 2006 bei gehöriger Aufklärung entschieden hätte. Nach dem bloßen Wortlaut der mündlichen Angaben des Klägers kann nicht etwas anderes als das wörtlich Vorgetragene festgestellt werde. Insoweit ist zu beachten, dass die mündliche Anhörung der Partei gerade nur der Klärung des Sachvortrags und der Beseitigung von Widersprüchen dient und es sich noch nicht um eine förmliche Beweisaufnahme handelt (BGH, Beschl.v. 28.04.2011 – V ZR 220/10). Ein damit allenfalls anzunehmendes „non-liquet“ ginge aber zu Lasten der Beklagten, die eine Beweisaufnahme durch Parteivernehmung des Klägers nicht beantragt hat; anders als die Beklagte im Schriftsatz vom 05.02.2015 meint, reicht eine – hier ohnehin nicht gegebene – Erschütterung der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht aus, „so dass ein ‚non-liquet‘ nun zu Lasten des Klägers gehen“ würde. Im Ergebnis kann daher ohne Verkennung der Beweislast der Beklagten nicht vom Gegenteil des protokollierten Parteivortrags ausgegangen werden.
29

Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
30

Es fehlt nicht etwa schon an einer Aufklärungspflichtverletzung, weil bereits der Prospekt – wie die Beklagte gemeint hat – über den Erhalt von Rückvergütungen ausreichend aufgeklärt hätte. Grundsätzlich kann eine Aufklärung über Rückvergütungen zwar auch mittels der Übergabe eines Prospekts erfolgen, in dem die beratende Bank als Empfängerin der der Höhe nach korrekt angegebenen Vertriebsprovisionen ausdrücklich genannt ist (BGH BKR 2013, 386 [BGH 14.05.2013 – XI ZR 431/10]; NJW 2012, 2427 [BGH 08.05.2012 – XI ZR 262/10]). Dies war hier aber nicht der Fall. Die Beklagte ist in den in Bezug genommenen Prospektpassagen – S.21, 50f. und 83 des Prospekts – nicht als Empfängerin der Eigenkapitalprovision genannt; dies ist vielmehr ausdrücklich (nur) die Eigenkapitalvermittlerin C GmbH. Dass der Kläger aufgrund der Bezeichnung der Beklagten als „Vermittler“ in den Beitrittsformularen Vermutungen über Provisionsflüsse hätte anstellen können, genügt für eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht.
31

Eine Erfüllung der Aufklärungspflicht ergäbe sich nicht, selbst wenn das Agio als an die Bank zurückfließende Vergütung erörtert worden wäre, wie die Beklagte in erster Instanz zunächst vorgetragen hatte (vgl. Klageerwiderung, S.10; Bl.41). Denn es fehlte jedenfalls und unstreitig an einer Aufklärung zur Höhe der Rückvergütungen.
32

Aber auch eine Widerlegung der Kausalität einer Aufklärungspflichtverletzung ließe sich mit einem – zu Argumentationszwecken einmal unterstellten – Verhandeln über das Agio allein nicht begründen. Abgesehen davon, dass streitig und fraglich ist, ob der Kläger allein aus dem Umstand des angeblichen Verhandelns über das Agio hätte realisieren können oder gar müssen, dass der von ihm eigentlich an die Fondsgesellschaft zu zahlende Betrag an die Bank zurückfließt, könnte allenfalls der Schluss gezogen werden, dass ein Verdienstinteresse der Bank den Kläger – solange kein Einfluss auf die Werthaltigkeit gegeben wäre – nicht grundsätzlich von der Zeichnung abgehalten hätte. Einen zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung hinreichenden Schluss auf das Verhalten des Klägers bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung über die volle Höhe der Rückvergütung lässt sich nicht ziehen.
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Auch aus dem späteren Anlageverhalten des Klägers bei vergleichbaren Produkten, insbesondere seiner Beteiligung an dem B-Fonds „Wachstumswerte III“ in 2009, lässt sich kein Schluss zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung ziehen. Zwar hat der BGH klargestellt, dass relevante Indizien für die fehlende Kausalität sich sowohl aus dem vorangegangenen als auch aus dem nachfolgenden Anlageverhalten des Anlegers ergeben können (BGH BKR 2013, 283 [BGH 26.02.2013 – XI ZR 345/10]; NJW 2012, 2427 [BGH 08.05.2012 – XI ZR 262/10]), insbesondere wenn der Anleger ein vergleichbares weiteres Anlagegeschäft in Kenntnis von Provisionen oder Rückvergütungen der beratenden Bank getätigt hat (BGH NJW 2012, 2427 [BGH 08.05.2012 – XI ZR 262/10]; NJW 2014, 2951 [BGH 15.07.2014 – XI ZR 418/13]). Ein solcher Schluss wäre vorliegend daher etwa möglich, wenn der Kläger im Fall des Fonds „Wachstumswerte III“ nach ordnungsgemäßer Aufklärung Rückvergütungen in entsprechender Höhe akzeptiert hätte. Hierfür ist nichts vorgetragen oder erkennbar. Auch für die mit Schriftsatz vom 05.02.2015 vorgetragenen weiteren Anlagegeschäfte ist die Vergleichbarkeit im o.g. Sinne nicht erkennbar.
34

Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich auch nicht etwa deswegen als im Ergebnis zutreffend, weil auf das Verschweigen von Rückvergütungen gestützte Schadensersatzansprüche verjährt wären.
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Der Schadensersatzanspruch ist bereits mit Zeichnung der Fondsbeteiligung im Sinne von § 199 Abs.1 Nr.1 BGB entstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anleger, der aufgrund einer Verletzung der Aufklärungspflicht oder einer fehlerhaften Beratung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, bei der gebotenen wertenden Betrachtung bereits durch den Erwerb der Kapitalanlage geschädigt, weil der ohne die erforderliche Aufklärung gefasste Anlageentschluss von den Mängeln der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst ist (BGH NJW 2013, 1801 [BGH 26.02.2013 – XI ZR 498/11]; NJW 2010, 3292 [BGH 08.07.2010 – III ZR 249/09]). Die kenntnisabhängige Verjährung im Sinne von §§ 195, 199 Abs.1 Nr.2 BGB ist für jeden Beratungsfehler gesondert zu beurteilen (BGH NJW-RR 2011, 842 [BGH 24.03.2011 – III ZR 81/10]; BKR 2010, 118 [BGH 19.11.2009 – III ZR 169/08]; NJW 2008, 506 [BGH 09.11.2007 – V ZR 25/07]). Die erforderliche Kenntnis von den einen Anspruch begründenden Umständen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es grundsätzlich nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit im Grundsatz die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände (st.Rspr.; BGH NJW 2013, 1801 [BGH 26.02.2013 – XI ZR 498/11] m.w.N.). In Fällen des Schadensersatzes wegen unzureichender Aufklärung muss der Geschädigte insbesondere nicht die Rechtspflicht des Schädigers zur Aufklärung kennen. Auch insoweit genügt vielmehr die Kenntnis derjenigen tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Aufklärungspflicht ergibt (BGH NJW 2013, 1801 [BGH 26.02.2013 – XI ZR 498/11]; NJW-RR 2011, 842 [BGH 24.03.2011 – III ZR 81/10]; BKR 2010, 118 [BGH 19.11.2009 – III ZR 169/08]; NJW 2008, 506 [BGH 09.11.2007 – V ZR 25/07]). Allerdings erfordert der Verjährungsbeginn des Schadensersatzanspruches wegen verschwiegener Rückvergütung nicht die Kenntnis des Anlegers von deren konkreter Höhe. Die beratende Bank muss den Anleger zwar über Grund und Höhe einer Rückvergütung ungefragt aufklären, so dass die unterlassene Mitteilung über die Höhe der Rückvergütung ein anspruchsbegründender Umstand ist. Hiervon hat ein Anleger aber denknotwendig bereits dann positive Kenntnis, wenn er weiß, dass die ihn beratende Bank Provisionen für das von ihm getätigte Anlagegeschäft erhält, deren Höhe ihm die Bank jedoch nicht mitteilt (BGH NJW 2013, 1801 [BGH 26.02.2013 – XI ZR 498/11]). Weiß der Anleger um die Rückvergütungen und fehlt ihm nur die Kenntnis von der Höhe der Rückvergütung, steht dem Verjährungsbeginn nur entgegen, wenn die beratende Bank konkrete, jedoch fehlerhafte Angaben zur Höhe der Rückvergütung gemacht hat (BGH NJW 2013, 1801 [BGH 26.02.2013 – XI ZR 498/11]; BKR 2014, 200 [BGH 04.02.2014 – XI ZR 398/12]).
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Nach diesen Grundsätzen sind die auf das Verschweigen von Rückvergütungen gestützten Schadensersatzansprüche unverjährt. Zu einer konkreten Kenntnis ist nichts vorgetragen; insbesondere fehlt es an Vortrag dazu, ab wann der Kläger in der Filiale der Beklagten die Begriffe („Lieblingsworte“) „Rückvergütungen“ und „Kick-Backs“ mit Bezug zur Beklagten genannt hätte. Auch im Zuge der Beratung in vorliegender Sache hat der Kläger keine Kenntnis von den Rückvergütungen erhalten. Zwar hat die Beklagte mit ihrem Vortrag in der Klage angedeutet, dem Kläger könne im Zusammenhang mit der behaupteten Erörterung des Agios bewusst geworden sein, dass die Bank „etwas verdiene“ (Bl.41 d.A.).
37

Dies beinhaltet zum einen aber bereits die Möglichkeit einer durch die Erörterung vermittelten – gerade nicht verjährungsauslösenden, s.o. – Fehlvorstellung des Klägers, die Beklagte werde nur, genau oder allenfalls das Agio erhalten. Das bloße Verhandeln über das Agio – das der Anleger in den Rückvergütungsfällen ja gerade nicht an die beratende Bank zahlt – suggeriert im Übrigen ohnehin nicht zwangsläufig einen „Verdienst“ der Bank. Hierzu müsste dem Anleger – etwa aufgrund der begleitenden Äußerungen des Beraters, die vorzutragen und nicht erst im Wege der Zeugenvernehmung zu ermitteln sind – schon klar gewesen sein, dass gerade das Agio eben nicht an die eigentliche Empfängerin geht bzw. dort verbleibt, sondern an die Bank zurückfließt. Dies folgt nicht etwa schon zwingend und ohne weiteres aus dem Umstand, dass die Bank die Verhandlungen selbst führt. Es besteht aus Sicht des Anlegers durchaus die Möglichkeit, dass der Bank seitens der Fondsgesellschaft erlaubt ist, zu Lasten der Fondsgesellschaft Nachlässe beim Ausgabeaufschlag zu gewähren, um die Anlage erfolgreich zu vermitteln.
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Zum anderen hat die Beklagte in Würdigung der Angaben des Klägers erstinstanzlich ihren zunächst gehaltenen Vortrag selbst relativierend ausgeführt, der Kläger habe vielleicht nicht gewusst, wer wieviel erhalte, er habe aber auch nicht ausschließen können, dass die Beklagte einen Anteil erhalten werde. Dies ist nach dem oben Gesagten für die Annahme einer verjährungsauslösenden positiven Kenntnis gerade nicht ausreichend. Soweit die Beklagte hiervon zuletzt mit Schriftsatz vom 05.02.2015 bzw. mit Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2015 abgerückt ist und wieder die ursprüngliche Darstellung verfolgt, bleibt es dabei, dass das vorgetragene Verhandeln über das Agio – für sich genommen – schon nicht zwingend eine verjährungsauslösende Kenntnis von Rückvergütungen beinhalten muss, s.o. Die Rückkehr zu dem bereits fallengelassenen Ausgangsvortrag ist zudem auch als in zweiter Instanz neuer Vortrag nicht gemäß § 531 Abs.2 ZPO zuzulassen. Insbesondere liegt auch kein Zulassungsgrund nach § 522 Abs.2 S.1 Nr.1 ZPO in der hier einzig erörterungsbedürftigen zweiten Alternative („vom Gericht des ersten Rechtszuges […] für unerheblich gehalten worden“) vor. Die Verjährungsfrage war in erster Instanz Gegenstand der Ausführungen der Parteien, ohne dass das Landgericht etwa durch einen Hinweis den Eindruck vermittelt hätte, es käme auf die Verjährungsfrage nicht an. Anders als zur Frage der Kausalität, in der der Senat von der Beurteilung des Landgerichts abweicht, so dass ein Hinweis erforderlich war (vgl. etwa BGH NJW 2014, 2348 [BGH 08.04.2014 – XI ZR 341/12]), ist nicht durch den Umstand, dass das Landgericht andere zwischen den Parteien streitige Fragen in seinem Urteil konsequenterweise nicht mehr behandelt hat, ein unbeschränktes Novenrecht gegeben. Entsprechendes gilt für die weiteren neuen Gesichtspunkte im Schriftsatz vom 05.02.2015. Davon abgesehen sind die behaupteten Verhandlungen über Ausgabeaufschläge bei Aktienfonds und die sonstigen in diesem Zusammenhang behaupteten Vorgänge nicht geeignet, positive Kenntnis von Rückvergütungen im vorliegenden Fall einer vollkommen anders strukturierten Beteiligung zu belegen.
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Der Umfang des dem Kläger von der Beklagten geschuldeten Schadensersatzes ergibt sich aus § 249 BGB. Der Geschädigte kann von der Beklagten verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die Beteiligung nicht gezeichnet (BGH NJW 2006, 2042 [BGH 06.02.2006 – II ZR 329/04]; BGHZ 115, 213), was grundsätzlich zur Folge hat, dass der Kläger Anspruch auf Rückerstattung der von ihm geleisteten Bareinlage nebst Agio Zug um Zug ge-gen Übertragung der Beteiligung, also Abgabe aller Erklärungen, die zur Übertragung erforderlich sind, hat. Denn das Gegenrecht des Schädigers kann sich nur auf die Rechtsposition beziehen, die der geschädigte Kapitalanleger aufgrund der Zeichnung der – mittelbaren oder unmittelbaren – Fondsbeteiligung erworben hat (BGH NJW-RR 2010, 1295 [BGH 06.07.2010 – XI ZB 40/09]). Der Höhe nach ergibt sich die Klageforderung aus der in Euro geleisteten Beteiligungssumme von 20.710,36 € abzüglich der klägerseits zugestandenen Ausschüttungen von 1.415,33 € und gemäß § 291 ZPO zzgl. Rechtshängigkeitszinsen.
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Entgangener Gewinn in Höhe von 2% kann nicht verlangt werden. Der Kläger hat sich insoweit nur einer „konservativen“ Alternativanlage berühmt, ohne Näheres vorzutragen. Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Beratungsvertrages umfasst nach § 252 S.1 BGB zwar auch den entgangenen Gewinn, der grundsätzlich entgangene Anlagezinsen beinhalten kann. Der Anleger kann sich hierbei gemäß § 252 S.2 BGB auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen, dass Eigenkapital ab einer gewissen Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt liegen bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt wird (BGH, Urt.v. 28.05.2013 – XI ZR 148/11 -; NJW 2012, 2266; NJW 2012, 2427 [BGH 08.05.2012 – XI ZR 262/10]). Der Geschädigte trägt aber grundsätzlich weiterhin die Darlegungs- und Beweislast dafür, ob und in welcher Höhe ihm durch das schädigende Ereignis ein Gewinn entgangen ist. Er kann sich dabei auf die Behauptung und den Nachweis der Anknüpfungstatsachen beschränken, bei deren Vorliegen dann die in § 252 S.2 BGB geregelte Vermutung eingreift. Die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung im Sinne von § 252 BGB aufgrund einer zeitnahen alternativen Investitionsentscheidung des Geschädigten und deren Umfang kann jedoch nur anhand seines Tatsachenvortrages dazu beurteilt werden, für welche konkrete Form der Kapitalanlage er sich ohne das schädigende Ereignis entschieden hätte (BGH, Urt.v. 28.05.2013 – XI ZR 148/11 -; NJW 2012, 2266). Hierzu ist klägerseits jedenfalls nicht in einer Weise vorgetragen, die eine Schadensschätzung zuließe; abgesehen davon erscheint die Behauptung einer „konservativen“ Alternativanlage im Hinblick auf das Anlageverhalten des Klägers und seine Schilderung in seiner mündlichen Anhörung auch hochgradig unplausibel. Die Annahme eines (zu schätzenden) Mindestschadens unabhängig vom konkreten Parteivortrag ist entgegen der Annahme der Klage nicht gerechtfertigt (BGH NJW 2012, 2427 [BGH 08.05.2012 – XI ZR 262/10]). Es entspricht schon nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass eine Geldanlage überhaupt Gewinn abwirft (BGH NJW 2012, 2266 [BGH 24.04.2012 – XI ZR 360/11]).
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Die mit dem Antrag zu 2. begehrten außergerichtlichen Kosten sind als Teil des Schadens gemäß § 280 BGB zuzusprechen. Ersatzfähig ist jedoch nur eine 1,3-Gebühr nach Nr.2300 VV-RVG aus dem Streitwert der begründeten Klage nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, mithin 1.023,16 €. Für eine umfangreiche oder schwierige Tätigkeit, die eine Überschreitung des Gebührensatzes von 1,3 rechtfertigen könnte, ist nichts ersichtlich oder vorgetragen. Vom Entstehen der Gebühr nach Nr.2300 VV RVG war dagegen auszugehen. Es kommt insoweit darauf an, ob der Rechtsanwalt (auch) mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche beauftragt und der Prozessauftrag noch gar nicht bzw. nur bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats oder ob schon ein unbedingter Klageauftrag erteilt worden ist (BGH JurBüro 2013, 418; Oberlandesgericht Hamm NJW-RR 2006, 242 [OLG Hamm 31.10.2005 – 24 W 23/05] m.w.N.). Wenn der Rechtsanwalt bereits einen unbedingten Prozessauftrag erhalten hat, ist für die Entstehung der Gebühren gemäß VV 2300 nämlich kein Raum mehr; klagevorbereitende Schriftsätze wie abschließende Mahnungen oder Kündigungen gehören dann bereits zum gebührenrechtlichen Rechtszug i.S.d. § 19 RVG, der mit dem prozessualen Rechtszug nicht übereinstimmt, und sind durch die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG abgegolten. Insofern steht die bloße Existenz eines vorprozessualen Anspruchsschreibens der Annahme eines Mandats zur gerichtlichen Forderungsdurchsetzung nicht entgegen (vgl. BGH a.a.O.), sondern spricht, wenn es in zeitlicher Nähe zur Klageerhebung verfasst ist, für eine bloß abschließende Mahnung im Sinne von § 19 Abs.1 S.2 Nr.1 RVG. Vorliegend waren die Prozessbevollmächtigten des Klägers unbestritten bereits vorgerichtlich mit Schreiben vom 29.11.2012 tätig. Aufgrund des zeitlichen Abstands zur Klageerhebung kann nach dem oben Gesagten nicht ohne weiteres von einer bloßen Klagevorbereitung ausgegangen werden, zumal auch die Beklagte der Geltendmachung unter diesem Gesichtspunkt nicht besonders entgegen getreten ist.
42

Die außerdem begehrte Feststellung des Annahmeverzugs war auszusprechen, nachdem der Kläger spätestens mit der Klageschrift konkludent ein Angebot auf Übertragung der Fondsbeteiligung gemacht hat. Dieses wörtliche Angebot im Sinne von § 295 BGB ist nach der in der Ankündigung des Klageabweisungsantrags liegenden Annahmeverweigerung bei Antragstellung in der mündlichen Verhandlung wiederholt worden.
43

Auch der Feststellungsantrag zu Ziff.4 ist zulässig und begründet sein. Zwar genügt für die Annahme eines in der Verjährungsunterbrechung bestehenden Feststellungsinteresses gemäß § 256 ZPO die bloß theoretische Möglichkeit eines Schadenseintritts nur, wenn es um die Verletzung eines absoluten Rechts geht. Bei reinen Vermögensschäden – wie hier – hängt dagegen bereits die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der gewissen Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts ab (BGH, Urt.v. 28.05.2013 – XI ZR 421/10 -, NJW 2006, 830 m.w.N.; Zöller-Greger, ZPO, 30.Aufl., § 256 Rn.9). Hier kommt für den Kläger als Direktkommanditist eine Haftung nach § 172 HGB in Betracht (vgl. BGH WM 2010, 1641 [BGH 15.07.2010 – III ZR 336/08] m.w.N.). Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klagebegründung ist der Fonds von der Insolvenz bedroht; den Kommanditisten droht die Rückforderung der Ausschüttungen.
44

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO und berücksichtigt auch das Unterliegen in Höhe der – für den Gebührenstreitwert nicht relevanten – Forderung nach entgangenem Gewinn.
45

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.
46

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder der Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

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