OLG Frankfurt am Main, 27.11.2013 – 19 U 64/13

April 18, 2019

OLG Frankfurt am Main, 27.11.2013 – 19 U 64/13
Leitsatz

Ein Fondskonzept, das durch Erwerb von Lebensversicherungspolicen auf dem Sekundärmarkt darauf angelegt ist, eine Rendite durch möglichst frühzeitiges Versterben der Versicherten zu erzielen, verstößt nicht ohne Weiteres gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB).
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.02.2013 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des vorliegenden Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1

I.

Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrags wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Diese werden zur Klarstellung wie folgt ergänzt:
2

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Lebensversicherung, der A (A), aufgelegt von der B AG, einer O1 Schwestergesellschaft der Beklagten, wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch. Dabei handelt es sich um eine fondsgebundene Lebensversicherung, d.h. die Lebensversicherung investiert in zwei Fonds, den C (C) und den D (TSLI). Bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung wie der vorliegenden richtet sich die Leistung des Versicherers im Erlebensfall nach der Entwicklung eines oder mehrerer Fonds.
3

Der D investiert in „gebrauchte“ auf dem Sekundärmarkt gehandelte US-amerikanische Risiko-Lebensversicherungen. Diese Lebensversicherungen haben keine bestimmte Laufzeit, sondern bieten einen lebenslangen Risikoschutz. Da viele der Versicherungsnehmer durch Veränderung ihrer Lebensumstände keine Notwendigkeit mehr sehen, sich in dieser Form abzusichern, verkaufen sie ihre Versicherungspolicen über einen Sekundärmarkt, da die Rückkaufwerte der Versicherungen gering sind. Im Todesfall erhält der D-Fonds, der auch die fällig werden Versicherungsbeiträge weiter zahlt, die Todesfallleistung ausgezahlt. Der Kaufpreis für derartige Versicherungspolicen richtet sich nach der zu erwartenden verbleibenden Lebensdauer der versicherten Person und nach der erwarteten Rendite derartiger Investments. Je früher eine versicherte Person stirbt, desto höher ist die Rendite.
4

Der C handelt mit britischen Lebensversicherungen. Deren Ablaufleistungen setzen sich aus drei Komponenten zusammen, nämlich den garantierten Werten, einem jährlichen unwiderruflichen Bonus und einem Schlussbonus am Ende der Laufzeit. Dabei sind weder die jährlichen Boni noch der Schlussbonus garantiert. Vielmehr richten sie sich danach, was die Versicherungsgesellschaft erwirtschaftet.
5

Das Beratungsgespräch mit den Mitarbeitern der Beklagten, E und F, fand am 03.12.2004 statt. Dabei wurde die Klägerin von Herrn G vertreten. Die Beratung erfolgte anhand der Fact-Sheets für C und D, auf deren Inhalt (Bl.20f. d.A.) wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Herr G erhielt ein Antragsformular der A nebst ergänzender Produkterläuterung (Anlagenkonvolut K4 / Bl.22ff. d.A.), das er anschließend gemeinsam mit der Klägerin ergänzte und das diese am 07.12.2004 unterzeichnete. Dabei schloss die Klägerin nach entsprechender Empfehlung eine Versicherung mit Vertragsbeginn 31.12.2004 und einem Vertragsablauf zum 31.12.2016 ab. Die Beitragssumme von 200.000,- EUR sollte in Höhe von fünf Raten von je 40.000,- EUR jeweils zum Schluss eines jeden Jahres zwischen 2004 und 2008 zu leisten sein. Hierzu hat die Klägerin eine mit dem Anlagenkonvolut Anl. K5 vorgelegte Leistungsbeschreibung der Lebensversicherung vorgelegt (Bl.33 d.A.). Unter Bezugnahme hierauf wurde eine mittlere Wertentwicklung im Lebensfall am 31.12.2016 von 387.524,- EUR prognostiziert.
6

Im Rahmen des Beratungsgesprächs wurde davon gesprochen, dass nach Abzug aller Kosten eine Nachsteuer-Rendite zwischen 8 % und 8,7 % p.a. erzielt werden sollte. Es wurde erklärt, dass die versicherten Personen beim D im Durchschnitt 80 bis 85 Jahre alt seien, weshalb mit deren zeitnahem Ableben zu rechnen sei. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass die Entwicklung der Sterblichkeitsraten sehr gut prognostizierbar sei und dass für Euro-Anleger das Währungsrisiko zum Britischen Pfund und zum US-Dollar durch eine effiziente Hedging-Strategie weitgehend auf Null reduziert sei.
7

Die Klägerin hat in erster Instanz eine Reihe von Aufklärungsmängeln gerügt.
8

So hat sie geltend gemacht, sie habe darüber auf aufgeklärt werden müssen, welche Weichkosten angefallen seien, d.h. welcher Betrag der jeweiligen Versicherungsbeiträge tatsächlich in die Fonds C und D geflossen sei.
9

Sie hätte auch über die dem jeweiligen Fonds entstandenen Kosten aufgeklärt werden müssen.
10

Gleiches gelte für das wirtschaftliche Eigeninteresse der Beklagten, für tatsächlich vereinnahmte Rückvergütungen und Provisionen.
11

Es habe auch an einer Aufklärung darüber gefehlt, dass beispielsweise für Deutschland im Jahr 2004 die Lebenserwartung von der Versicherungswirtschaft neu berechnet worden sei. Dies habe zu dem Ergebnis geführt, dass die Lebenserwartung 65-jähriger Männer um drei Jahre und die 65-jähriger Frauen um zwei Jahre gestiegen sei. In Kenntnis dieses Umstandes hätte sie erkennen können, dass es weit größere Unsicherheiten bei der Errechnung der durchschnittlich zu erwartenden Restlebenserwartung gegeben habe. Denn wie dargestellt, müssten C und D die Versicherungsbeiträge der versicherten Personen weiterbezahlen.
12

Soweit die Beklagte im Vorfeld des hiesigen Rechtsstreits Herrn G darüber informierte, dass es bei den US-amerikanischen Lebensversicherungen zu der Situation gekommen sei, dass alle liquiden Mittel in den Ankauf von US-amerikanischen Versicherungspolicen geflossen seien, die Rückflüsse aber nicht ausreichten, um die fälligen Einzelversicherungsbeiträge weiter begleichen zu können, habe die Beklagte auf dieses Liquiditätsrisiko und darauf, dass keine ausreichende Liquiditätsrücklage gebildet worden sei, hinweisen müssen.
13

Der Fondsgesellschaft sei es nicht möglich gewesen, ein Darlehen zur Überbrückung des Liquiditätsengpasses zu erhalten, weil man das Risiko des US-Versicherungspools zu hoch eingeschätzt habe. Darüber, dass es zu einem solchen Szenario kommen könne, sei nicht aufgeklärt worden. Auch darauf, dass der Fonds in letzter Konsequenz Versicherungspolicen aus dem Portfolio auf dem Sekundärmarkt zu einem niedrigen Preis habe verkaufen müssen (sog. „Firesale“) habe die Beklagte hinweisen müssen.
14

Im Jahr 2010 sei es zu einer Neubewertung der Fondspolicen gekommen. Dieser sei zu entnehmen gewesen, dass bei unterschiedlichen Szenarien die Rückläufe in Bezug auf das eingesetzte Kapital lediglich zwischen 30 % und 128 % betragen würden. Konkret bedeute dies, dass im Worst-Case 70 % des eingesetzten Kapitals bei Laufzeitende verloren seien. In pflichtwidriger Weise sei vor Zeichnung auf ein solches Worst-Case-Szenario nicht hingewiesen worden.
15

Die Beklagte hätte auch auf die erheblichen Marktpreisrisiken der Policen auf dem Zweitmarkt für „gebrauchte Versicherungspolicen“ hinweisen müssen.
16

Die sog. Fact-Sheets seien falsch, soweit hierin darauf hingewiesen werde, dass eine geringe Korrelation mit dem Kapitalmarkt bestehe. Die starke Korrelation zwischen Finanzmarkt und Lebensversicherungen zeige sich daran, dass etwa die britische Lebensversicherung in Folge der Finanzkrise ihren Aktienanteil von 70 % auf 30 % reduziert habe.
17

Die Klägerin hätte die Beteiligung nicht gezeichnet, wäre sie entsprechend aufgeklärt worden.
18

Der der Klägerin infolge der ihrer Auffassung nach fehlerhaften Beratung entstandene Schaden umfasst zunächst die insgesamt gezahlten 200.000,- EUR und weiter den entgangenen Gewinn. Im Falle einer ordnungsgemäßen Beratung hätte sie den Anlagebetrag in festverzinsliche Wertpapiere investiert und dabei eine Rendite von 4 % p.a. erzielt. Errechnet auf die Zahlungsabflüsse ergibt sich damit ein weiterer Schaden von 40.218, 55 EUR.
19

Mit anwaltlichen Schreiben vom 25.01.2012 (Bl.49 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 28.02.2012 zum Schadensausgleich auf. Eine Zahlung erfolgte nicht.
20

Das Landgericht hat unter Zugrundelegung des Klagevorbringens die Klage durch unechtes Versäumnisurteil mangels Schlüssigkeit abgewiesen und hierzu ausgeführt, die vorliegende Kapitalanlage, bei der es darum gehe, aus dem Ableben eines Mitmenschen eine höchstmögliche Rendite zu erzielen und den Versicherten im eigenen Renditeinteresse den Tod zu wünschen, sei mit den fundamentalen Wertprinzipien des Grundgesetzes (Art. 1 Abs.1 GG) nicht vereinbar und verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Sie sei damit ebenso wie die auf Abschluss eines Beratungsvertrages gerichteten Willenserklärungen der Parteien – Stichwort: anstößige Verkaufsberatung – nach § 138 Abs.1 BGB nichtig. Zu billigende Interessen, die ein entsprechendes Anlageprodukt gleichwohl rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben. Rechtsfolge der Nichtigkeit des Beratungsvertrages sei, dass eine Schadensersatzpflicht nicht bestehe. Gemäß § 139 BGB erfasse die Nichtigkeit nicht allein das 50 %ige Investment in den Teil-Fonds den amerikanischen Sekundärmarkt betreffend, sondern das gesamte Investment.
21

Gegen das am 13.03.2013 zugestellte Urteil (Empfangsbekenntnis Bl.101 d.A.) hat die Klägerin am 18.03.2013 Berufung eingelegt (Bl.103 d.A.) und diese nach Fristverlängerung bis zum 13.06.2013 (Bl.118 d.A.) am 10.06.2013 begründet (Bl.119 d.A.).
22

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Zahlungsanspruch Zug-um-Zug gegen Übertragung der Lebensversicherung weiter. Darüber hinaus begehrt sie die Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten. Sie rügt einen Verstoß gegen die Prozessleitungspflicht (§ 139 ZPO), weil das Landgericht ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 07.02.2013 (Bl.73 d.A.) nur auf eine mögliche Sittenwidrigkeit des vertriebenen Produkts, nicht aber auf eine daraus resultierende Sittenwidrigkeit auch des Beratungsvertrages hingewiesen habe. Sie macht geltend, dass sie im Falle eines entsprechenden Hinweises vorgetragen hätte, dass der mit der B AG abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag und der zwischen den Parteien geschlossene Beratungsvertrag kein einheitliches Rechtsgeschäft bildeten, also beide Verträge nicht miteinander stehen und fallen sollten, zumal zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestanden habe, ob und gegebenenfalls welche Kapitalanlage sie, die Klägerin, aufgrund der Beratung gegebenenfalls erwerben würde. Vielmehr sei die Beratung ergebnisoffen gewesen. Die fehlende Nichtigkeit des Beratungsvertrages ergebe sich zwanglos auch daraus, dass sie nicht nur den Lebensversicherungsvertrag geschlossen, sondern auch einen Immobilienfonds erworben habe.
23

Das Landgericht sei zudem durch rechtsfehlerhafte Rechtsanwendung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Lebensversicherungsvertrag sittenwidrig sei. Eine Sittenwidrigkeit der Investition in den C-Fonds sei von vornherein nicht gegeben. Soweit es den D-Fonds betreffe, sei zu berücksichtigen, dass durch Ankauf von Lebensversicherungen von Versicherungsnehmern, die durch Veränderung persönlicher Lebensumstände keine Notwendigkeit sähen, sich in dieser Form abzusichern, diesen ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft werde. Unter Zugrundelegung der vom Landgericht angesetzten Maßstäbe sei zudem jeder Rentenversicherungsvertrag wie auch ein Immobilienerwerb auf Leibrentenbasis als sittenwidrig einzustufen. Im Übrigen habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass im Falle eines nichtigen Beratungsvertrages ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung und gemäß § 826 BGB gegeben sei.
24

Mit Schriftsatz vom 19.09.2013 hat die Klägerin ihren Vortrag ergänzt und weiter geltend gemacht, sie bestreite den – zweitinstanzlichen – Vortrag der Beklagten, wonach bei dem Gespräch vom 03.12.2004 das Verlustrisiko, die eingeschränkte Fungibilität sowie das Marktpreisrisiko erörtert worden seien. Auch habe die Beklagte die Renditeprognose offensichtlich nicht überprüft. Die versicherten Personen im C-Fonds hätten im Durchschnitt 80 bis 85 Jahre alt sein sollen. Feststehe, dass dies nicht der Fall sei, was sich auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.02.2012 (Anl. K9 / Bl.369ff. d.A.) ergebe. Ausweislich des Monatsberichts September 2011 Anl. K10 / Bl. 375ff. d.A.) habe das Durchschnittsalter deutlich unter 80 Jahren gelegen.
25

Auf das Prognoserisiko sei zu keinem Zeitpunkt hingewiesen worden. Vielmehr sei zur Untermauerung der Prognostizierbarkeit noch erklärt worden, dass die Restlebenserwartung gemäß der erstellten Gutachten mit einem Fehlerfaktor multipliziert worden sei. Diese Aussage sei falsch gewesen.
26

Sie, die Klägerin, bestreite, dass ganz konkret darüber gesprochen worden sei, dass eines der Risiken darin liege, dass die Policen nicht wie prognostiziert fällig würden und damit die Prämien in diesem Fall länger fortgezahlt werden müssten als prognostiziert.
27

Die Klägerin beantragt,

I. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28.02.2013 (Az. 2/10 O 265/12) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 240.218,55 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.02.2012 aus 200.000,– EUR zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übertragung der Lebensversicherung „A – Lebensversicherungs-Nr. …,
II. die Beklagte weiter zu verurteilen, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 6.128,50 EUR freizustellen.

28

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

29

Die Beklagte, die sich in zweiter Instanz erstmals zu den Akten gemeldet hat, verteidigt die angefochtene Entscheidung jedenfalls im Ergebnis. Sie bestreitet, dass die Klägerin bzw. deren Berater mit dem Wunsch nach einer Kapitalanlage zum Zwecke der Alters- und Familienvorsorge auf die Beklagte zugegangen seien. Vielmehr hätten der Bruder der Klägerin, H, und Herr G an einer Veranstaltung zu A1 teilgenommen und deshalb mit explizitem Wunsch nach Informationen hierzu Kontakt mit der Beklagten aufgenommen. Das erste Gespräch habe am 19.11.2004 stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt habe der Name der Klägerin nicht im Raum gestanden. Herr G habe sodann das Produkt geprüft und für die Klägerin für gut befunden. Am 23.11.2004 habe die Beklagte sodann eine Offerte für die Klägerin erstellt. Bei dem Gespräch am 03.12.2004 seien nochmals ausführlich die Risiken des Produkts, u. a. das Verlustrisiko, die eingeschränkte Fungibilität sowie das Marktpreisrisiko bei den amerikanischen Lebensversicherungen am Ende des Lebensversicherungsvertrags erörtert worden. Eine Investition in andere Produkte habe nicht im Raum gestanden. Insbesondere sei keine Empfehlung zum Abschluss der streitgegenständlichen Lebensversicherung erfolgt. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass ein Beratungsvertrag deshalb nicht zustande gekommen sei. Sie bestreitet im Übrigen, dass die Äußerung, wonach mit einem zeitnahen Ableben der Versicherten zu rechnen sei, gefallen sei. Vielmehr hätten Herr F und Herr E erklärt, die prognostizierte Restlebenserwartung werde anhand von Lebenserwartungsgutachten ermittelt.
30

Die Beklagte meint, eine Pflicht zur Aufklärung über „Weichkosten“ sei nicht gegeben.
31

Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass im Jahr 2004 für Deutschland die Lebenserwartung von der Versicherungswirtschaft neu berechnet worden sei. In diesem Zusammenhang macht sie geltend, die Klägerin trage auch nicht vor, woraus dies für sie, die Beklagte, erkennbar gewesen sei. Dass die Lebenserwartung sukzessive steige, sei Allgemeinwissen. Im Übrigen sei bei den auf dem Zweitmarkt gehandelten Policen die prognostizierte Lebenserwartung anhand von Gutachten entwickelt worden.
32

Die in die Lebensversicherung eingebrachte Nettoversicherungsprämie werde ausschließlich bis auf die zur Deckung der Abschluss- und Vertragskosten bestimmten Beiträge in die vom Versicherungsnehmer bei Zeichnung bestimmten Fonds investiert.
33

Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin in Kenntnis des Risikos, dass der wirtschaftliche Erfolg der Lebensversicherung von der Entwicklung der gebrauchten Lebensversicherungspolicen abhänge, nicht in den Fonds investiert hätte.
34

Die Ausführungen zum entgangenen Gewinn hält die Beklagte für unsubstantiiert.
35

Ferner meint sie, eine Aufklärungspflichtverletzung sei nicht gegeben. Die Grundsätze der Kick-Back-Rechtsprechung seien auf Lebensversicherungen nicht anwendbar. Im Übrigen erforderten Rückvergütungen einen offenen Ausgabeaufschlag zum Anlagebetrag.
36

Schließlich erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
37

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Denn die Klage ist unbegründet.
38

Der Klägerin steht gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Lebensversicherung kein Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung (§ 280 Abs. 1 BGB) zu.
39

Zwar ist zwischen den Parteien spätestens am 03.12.2004 stillschweigend ein Anlageberatungsvertrag geschlossen worden, wobei die Klägerin hierbei von dem als Zeugen benannten G gemäß § 164 Abs. 1 BGB vertreten wurde.
40

Ein Beratungsvertrag kommt regelmäßig konkludent zustande, wenn im Zusammenhang mit der Anlage eines Geldbetrages tatsächlich eine Beratung stattfindet. Tritt ein Anlageinteressent an ein Kreditinstitut oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das hierin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (BGH, Urt. v. 14.07.2009 – XI ZR 152/08 Rn. 47; Urt. v. 25.09.2007 – XI ZR 320/06 Rn. 12, juris).
41

So liegt der Fall hier. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien wurde der für die Klägerin handelnde Herr G im Rahmen eines am 03.12.2004 geführten Beratungsgesprächs über die streitgegenständliche Kapitalanlage beraten. Unerheblich ist insoweit, dass nach dem Beklagtenvortrag bei dem am 19.11.2004 durchgeführten Erstgespräch der Name der Klägerin (noch) nicht im Raum gestanden habe. Denn die Beklagte hat in fast unmittelbarem Anschluss hieran vorgetragen, dass Herr G sodann das Produkt geprüft habe und zu dem Ergebnis gelangt sei, dass es für die Klägerin geeignet sei. Der diesbezügliche Vortrag ergibt indes nur Sinn, wenn von vornherein auch der Beklagten klar war, dass Herr G im Namen der Klägerin auftrat. Letztlich mag dieser Punkt dahingestellt bleiben. Dass aber jedenfalls am 03.12.2004 die auf Abschluss des Beratungsvertrages gerichtete Willenserklärung des G erkennbar im Namen der Klägerin abgegeben wurde, ergibt sich daraus, dass die Beklagte eigenem Vortrag zufolge am 23.11.2004 Offerten für die Klägerin erstellt und diese an Herrn G weitergeleitet hat. Dies verdeutlicht, dass dieser zumindest bei dem anschließend geführten Gespräch für die Beklagte erkennbar im Namen der Klägerin gehandelt hat.
42

Der Annahme eines Beratungsvertrages steht nicht entgegen, dass nach Vortrag der Beklagten keine Empfehlung zum Abschluss der streitgegenständlichen Lebensversicherung erfolgt sei. Zum einen war in erster Instanz unstreitig, dass die Mitarbeiter der Beklagten eine Investition in die vorliegende Lebensversicherung als für die Klägerin geeignet bezeichnet und damit eine entsprechende Empfehlung abgegeben haben. Mit ihrem zweitinstanzlichen Bestreiten einer solchen Empfehlung ist die Beklagte nach § 531 Abs.2 ZPO ausgeschlossen. Im Übrigen bedarf es nach den oben dargestellten Voraussetzungen für den konkludenten Abschluss eines Beratungsvertrages hierfür keiner ausdrücklichen Empfehlung seitens der Bank. Es reicht aus, dass der Bankkunde im Zusammenhang mit der im Beratungsgespräch erfolgten Darstellung des Produkts die entsprechende Kapitalanlage erwirbt. Dies ist hier im Hinblick auf die zeitliche Abfolge, nämlich die am 03.12.2004 durchgeführte Beratung und die am 07.12.2004 erfolgte Unterzeichnung des Antragsformulars (Anl. K4, S. 10, 11 und 13), unzweifelhaft der Fall.
43

Der Beratungsvertrag verstößt auch nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Soweit das Landgericht das Fondskonzept des in gebrauchte und auf dem Sekundärmarkt gehandelte US-amerikanische Risikolebensversicherungen investierenden D – und nur um den geht es insoweit, s. Urt. S. 7 unten – als sittenwidrig beurteilt und hieraus auch auf eine Sittenwidrigkeit des Beratungsvertrages geschlossen hat, kann dem nicht gefolgt werden.
44

Dem Landgericht ist in tatsächlicher Hinsicht zwar zuzugestehen, dass das Konzept des D-Fonds so ausgerichtet ist, dass der wirtschaftliche Erfolg der Anlage wesentlich von dem möglichst raschen Versterben der Versicherten abhängt. Dies folgt aus der von den Parteien im Wesentlichen übereinstimmend dargestellten Fondskonzeption. Danach basiert das Geschäftsmodell des D darauf, dass einerseits Policen erworben, sodann die Prämien für den Versicherten bis zum Versicherungsfall, d.h. dessen Tod, gezahlt werden und der Fonds im Gegenzug die Versicherungssumme (Ablaufleistung) erhält. Der Ertrag für den Fonds ergibt sich damit aus der Differenz zwischen Anschaffungskosten, Prämienzahlungen, gegebenenfalls sonstigen Kosten und der Versicherungsleistung. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass der wirtschaftliche Erfolg maßgeblich vom möglichst raschen Versterben der Versicherten und einer damit einhergehenden Geringhaltung der Kosten bei gleichzeitig möglichst früher Auszahlung der Versicherungssumme abhängt.
45

Ob ein derartiges Geschäftsmodell als sittenwidrig einzustufen ist, ist, soweit ersichtlich, bislang auf der Ebene der Oberlandesgerichte nicht entschieden worden. In einer jüngeren Entscheidung hat der 3. Zivilsenat des hiesigen Oberlandegerichts bei vergleichbarem Sachverhalt zwar ausgeführt, dass ein Fondskonzept, das darauf angelegt sei, eine Rendite dadurch zu erzielen, dass Lebensversicherungen in der Erwartung eingekauft würden, dass die Versicherungsleistung infolge des Todes des Versicherten so frühzeitig ausgezahlt werde, dass sie die Aufwendungen für den Ankauf der Versicherung und die noch fällig werdenden Versicherungsraten übersteige, ethisch angreifbar erscheine und deshalb gemäß § 138 BGB sittenwidrig sein könne. Diese Frage hat der Senat aber letztlich nicht abschließend entschieden (OLG Frankfurt, Urt. v. 19.07.2012 – 3 U 24/12, Rn. 21 bis 23, juris). Die in der genannten Entscheidung angedeutete Auffassung wird nicht geteilt.
46

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Rechtsgeschäft, hier die mittelbare Beteiligung der Klägerin an dem genannten Fondskonzept durch Abschluss einer Lebensversicherung bei der Schwestergesellschaft der Beklagten, sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB), wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 138 Rn. 2).
47

Nach diesen Maßstäben ist eine Sittenwidrigkeit nicht gegeben.
48

Sie lässt sich allerdings noch nicht mit dem von der Berufung herangezogenen Argument verneinen, wonach unter Zugrundelegung der vom Landgericht angestellten Maßstäbe jeder Rentenversicherungsvertrag als sittenwidrig einzustufen sei. Obwohl auch ein privater wie staatlicher Rentenversicherer bei rein wirtschaftlicher Betrachtung ein Interesse daran haben muss, dass ein Versicherter nach Eintritt in das Rentenalter möglichst rasch verstirbt, damit den Einnahmen (Rentenbeiträge) nur geringe Ausgaben (Rentenzahlung) gegenüberstehen, überzeugt dieses Argument deshalb nicht, weil es für viele Versicherte, insbesondere diejenigen mit entsprechend geringer finanzieller Ausstattung, zu einer Rentenversicherung keine Alternative gibt und damit ohne den Abschluss einer Rentenversicherung nicht ausgekommen werden kann. Anders sieht es aber bei einer Kapitalanlage aus, weil hier neben der Investition in Lebensversicherungs-Fonds ausreichend Alternativen zur Verfügung stehen.
49

Bei Begründung der Sittenwidrigkeit stellt das Landgericht maßgeblich darauf ab, dass die auf dem Sekundärmarkt angebotenen Policen nicht wahllos, sondern ausweislich des Fact Sheets selektiv, d.h. danach, ob mit dem Ableben der Versicherten „als erstes“ zu rechnen sei, erworben würden.
50

Abgesehen davon, dass von einer selektiven Auswahl, wie zugespitzt formuliert, im Fact Sheet zum D nicht die Rede ist, sondern sich dies nur mittelbar aus der dort enthaltenen Angabe, wonach die Erträge – wie oben dargestellt – neben anderen Faktoren von der Sterblichkeit der versicherten Person abhängig seien, ergibt, verstößt dies noch nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Denn es werden nicht die Policen möglichst siecher Versicherter schlechthin angekauft, sondern nur von denjenigen, die sich wegen der geringen Rückkaufswerte ihrer Lebensversicherungen und der damit verbundenen finanziellen Einschränkungen auf freiwilliger Basis zu einem Angebot ihrer Police auf dem lukrativen Sekundärmarkt entscheiden. Zu Recht spricht das Fact Sheet insoweit auch von einer willkommenen Alternative für die Versicherten. Entscheidend ist, dass mit dieser Vorgehensweise, also der Auswahl von Policen mit Blick auf deren Ertrag für den Fonds, nicht die Notlage von Versicherten ausgenutzt, sondern umgekehrt ihnen gar ein finanzieller Vorteil verschafft wird (sogenannte Win-Win-Situation). Im Übrigen trägt das Konzept des D mit dem dort aufgestellten Investitionsprinzip, wonach Lebensversicherungen von unheilbar Kranken mit einer Lebenserwartung von weniger als zwei Jahren vom Erwerb ausgenommen seien, durchaus auch ethischen Gesichtspunkten Rechnung.
51

Auch aus einer weiteren Überlegung heraus ist eine Sittenwidrigkeit zu verneinen. Der Einzelrückkauf einer Lebensversicherung stellt sich zweifelsfrei nicht als sittenwidrig dar. Warum dies der Fall sein soll, wenn dies massenhaft durch Erwerb auf dem Sekundärmarkt geschieht, erschließt sich nicht, zumal in dem hier gegebenen Fall, in dem der Versicherungsnehmer einen höheren Preis erzielt als beim Einzelverkauf zum Rückkaufswert.
52

Aus der fehlenden Sittenwidrigkeit des Fondskonzepts folgt, dass auch der Beratungsvertrag nicht nichtig ist.
53

Die aus dem danach wirksamen Beratungsvertrag resultierenden Pflichten hat die Beklagte nicht verletzt.
54

Die beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (BGH, Urt. v. 27.09.2011 – XI ZR 178/10, Rn. 23; Urt. v. 14.07.2009 – XI ZR 152/08, Rn. 49, jeweils m.w.N., juris).
55

Hiervon ausgehend ist ein Pflichtverstoß der Beklagten, also ein Beratungsfehler, nicht substantiiert dargetan.
56

Mit ihren Mängelrügen erhebt die Klägerin ohne nähere Erläuterung hierzu zunächst den Vorwurf, es sei über angefallene Weichkosten, d.h. darüber, welcher Betrag der jeweiligen Versicherungsbeiträge tatsächlich in den C und den D investiert worden sei, nicht aufgeklärt worden. Soweit sie daneben auch eine unterbliebene Aufklärung über das wirtschaftliche Eigeninteresse der Beklagten und hier insbesondere über tatsächlich vereinnahmte Rückvergütungen und Provisionen vermisst, kann angenommen werden, dass ihre zunächst erhobene Rüge auf sonstige etwa angefallene Nebenkosten abzielt. Den beiden Fact Sheets lässt sich nicht entnehmen, welche Nebenkosten bei den beiden Fonds angefallen sind. Gleiches gilt für die Angaben auf S.5 des Antragsformulars unter Pkt. E. Die dort erwähnten Kosten beziehen sich nur auf die Kosten des Lebensversicherers, also der Vertragspartnerin der Klägerin aus dem Lebensversicherungsvertrag, nicht aber auf die der beiden Zielfonds. Letztlich mag dies dahinstehen. Denn eine Aufklärung über „Weichkosten“ gehört nicht grundsätzlich zu den aufklärungsbedürftigen Umständen. Wenn aus dem Gesichtspunkt der Rentabilität der Anlage Innenprovisionen in Höhe von 15 % und mehr zu den für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umständen gehören (BGH, Urt. v. 25.09.2007 – XI ZR 320/06, Rn. 14, 16, juris), kann eine Aufklärung über Nebenkosten nur dann erforderlich sein, wenn sie einen Umfang einnimmt, der die Rentabilität der Anlage in Frage stellt. Dafür fehlt im Vortrag der Klägerin, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, jeglicher Anhaltspunkt.
57

Auch ein angeblicher Pflichtverstoß wegen unterbliebener Aufklärung über der Beklagten zugeflossene Provisionen bzw. Rückvergütungen ist nicht gegeben. Eine Aufklärung über Innenprovisionen ist nur dann geboten, wenn diese, wie erwähnt, 15 % oder mehr betragen. Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte (s.o.). Gleiches gilt für den Vortrag der Klägerin zur Vereinnahmung einer Rückvergütung durch die Beklagte.
58

Aus einem Beratungsvertrag ist eine Bank verpflichtet, über ihr zufließende Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (BGH, urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10 Rn.17 m.w.N., juris) Damit setzt eine aufklärungspflichtige Rückvergütung ein Dreipersonenverhältnis voraus (BGH, Urt. v. 27.09.2011 – XI ZR 178/10, Rn. 44, juris).
59

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang allerdings die Auffassung vertritt, dass die Rechtsprechung zu Vertriebsprovisionen und Kick-Backs auf Lebensversicherungen und auf fondsgebundene Lebensversicherungen grundsätzlich keine Anwendung finde, ist der diesbezügliche und offensichtlich ihrer Ansicht, wonach ein Beratungsvertrag anders als hier angenommen nicht vorliege, geschuldete Vortrag in seiner verkürzten Form irreführend und nicht geeignet, eine Rückvergütung im vorliegenden Fall zu verneinen. Zum Beleg für ihre Rechtsauffassung bezieht sich die Beklagte u. a. auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln. Dieses hat entschieden, dass die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen zwischen Banken und Anlageinteressenten entwickelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage einer Aufklärung über Kick-Backs auf die Problematik des Abschlusses einer fondsgebundenen Lebensversicherung von vornherein nicht anwendbar sei. Diese Ausführungen beziehen sich aber auf etwaige Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer. Dies verdeutlicht nicht nur die Abgrenzung zur Anlageberatung einer Bank, sondern ergibt sich auch aus dem Tatbestand des dortigen Urteils (OLG Köln, Urt. v. 02.03.2012 – 20 U 178/11, Rn. 1, Rn. 30, juris). Im vorliegenden Fall macht die Klägerin als Versicherungsnehmerin aber keine Ansprüche gegen ihren Lebensversicherer, also die Schwester der Beklagten, geltend, sondern nimmt die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Bank aus fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch.
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Für die von der Beklagten weiter als Beleg angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs gilt das zuvor Gesagte entsprechend. Bei dem dort entschiedenen Fall handelte es sich zwar auf Beklagtenseite um eine Bank. Er betraf indes einen völlig anderen Sachverhalt, nämlich die Inanspruchnahme der Bank auf Rückzahlung eines mit einer Restschuldversicherung verbundenen Ratenkredits. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Fall aber eine Anwendung der oben erwähnten Rechtsprechung zur Aufklärung über Provisionen und vereinnahmte Rückvergütungen verneint, weil diese nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch eine Bank zum Tragen komme, nicht aber dann, wenn es an einem Beratungsvertrag und darüber hinaus an einer Kapitalanlageberatung fehle (BGH, Urt. v. 29.11.2011 – XI ZR 220/10, Rn. 1, Rn. 39, juris).
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Eine aufklärungspflichtige Rückvergütung im oben dargestellte Sinne ist gleichwohl zu verneinen. Die Klägerin hat eine aufklärungspflichtige Rückvergütung nicht substantiiert dargelegt. Die gezahlten Versicherungsbeiträge beliefen sich auf glatt 200.000,– EUR, zahlbar in fünf Raten zu je 40.000,– EUR. Auf Basis dieser Zahlen hat die Klägerin auch ihren Schaden berechnet. Darüber hinaus ist zu den Zahlungsflüssen weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ein Ausgabeaufschlag oder sonstige Verwaltungsgebühren offen erhoben worden bzw. angefallen sind, die die Klägerin an die Lebensversicherung oder den Fonds gezahlt haben könnte. Damit fehlt es auch an dem erforderlichen Dreiecksverhältnis. Die Klägerin hat die Versicherungsbeträge an den Lebensversicherer geleistet. Dieser investierte in den Fonds. Die Klägerin hat indes nicht behauptet, dass die Lebensversicherung oder einer der Zielfonds eine Zahlung an die Beklagte geleistet hat.
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Auch der weiter vorgebrachte Einwand, wonach im Rahmen der Anlageberatung nicht über die im Jahr 2004 für Deutschland neu berechnete und bei 65jährigen um drei Jahre (Männer) bzw. zwei Jahre (Frauen) angestiegene Lebenserwartung aufgeklärt worden sei, begründet keinen substantiiert dargelegten Pflichtverstoß. Zwar ergibt sich von selbst, dass sich eine Verlängerung der Lebenserwartung von 65jährigen entsprechend auch auf die Lebenserwartung von 80 – 85jährigen auswirkt. Dass bei einem Lebensversicherungsfonds wie dem D der Restlebenserwartung der Versicherten für die Entscheidung des Anlegers eine entscheidende Bedeutung zukommt, liegt ebenfalls auf der Hand. Denn der Erfolg des Fondkonzepts bzw. Ertrag der Fondsgesellschaft hängt wesentlich von der möglichst raschen Fälligkeit der Ablaufleistungen, also dem baldigen Ableben der Versicherten und der damit einhergehenden Prämienersparnis, ab. Dementsprechend ergibt sich auch aus der ergänzenden Produkterläuterung, dass ein Todesfall zeitlich nach der statistisch errechneten Lebenserwartung die Rendite negativ beeinflusst. Dass also eine Neuberechnung der Sterblichkeitsraten grundsätzlich geeignet ist, die Renditeprognose, nach Klägervortrag immerhin 8 bis 8,7 % p.a., in Zweifel zu ziehen, ist naheliegend. Dem insoweit sehr knappen Sachvortrag der Klägerin kann indes nicht entnommen werden, ob die behauptete Neuberechnung auch für die USA gilt, wann genau sie vorgenommen bzw. publik gemacht wurde und in welcher Weise, z.B. durch Veröffentlichungen in einschlägigen Fachzeitschriften, die Beklagte hiervon vor Durchführung der Anlageberatung Kenntnis genommen haben kann. Zu Recht hat die Beklagte deshalb darauf hingewiesen, dass die Klägerin zur Erkennbarkeit nichts vorgetragen habe. In ihrer Replik zu diesem Punkt hat die Klägerin nicht mehr ergänzend vorgetragen. Im Übrigen ist das Vorliegen eines Pflichtverstoßes auch deshalb zu verneinen, weil nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten die Restlebenserwartung der Versicherten anhand individueller Gutachten, also gerade nicht anhand von Sterbetafeln, errechnet worden ist. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die Klägerin auch Kenntnis davon hatte, dass die Berechnung der Lebenserwartung anhand von Gutachten erfolgte. Denn sie trägt selbst vor, dass die gute Prognostizierbarkeit der Entwicklung mit den erstellten Gutachten begründet worden sei.
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Soweit es im Übrigen die angeblich im Rahmen der Beratung angegebene Nachsteuerrendite für den Kunden im Mittelwert zwischen 8 und 8,7 % p.a. betrifft, handelt es sich schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin ersichtlich nur um eine Prognose („…erzielt werden sollte…“), nicht aber um einen fest zugesagten Ertrag, weshalb auch hierin kein Pflichtverstoß liegt.
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Der weitere Vortrag in zweiter Instanz, wonach bei Erstellung der Gutachten entgegen den fehlerhaften Angaben im Beratungsgespräch nicht mit einem Fehlerfaktor gearbeitet worden sei, begründet ungeachtet der Frage nach seiner Berücksichtigungsfähigkeit (§ 531 Abs.2 ZPO) in dieser pauschalen Form und ohne nähere Ausführung dazu, auf welche Weise die Sterbefallwahrscheinlichkeit der Versicherten in den Gutachten stattdessen ermittelt worden ist, keinen schlüssig dargelegten Beratungsverstoß.
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Soweit es den weiter gerügten Mangel, nämlich die unterbliebene Aufklärung über das Liquiditätsrisiko, das nach Klägervortrag darin liegt, dass alle Gelder in den Ankauf von Policen geflossen seien, die Rückflüsse aber nicht ausreichend gewesen seien, um die Einzelversicherungsbeiträge begleichen zu können, anbelangt, hängt das hier beschriebene Risiko mit dem zuvor abgehandelten Mangelpunkt zusammen. Mit ihrem Vortrag zur Liquiditätslücke will die Klägerin offenbar darauf hinaus, dass die Auszahlung der Versicherungssummen wegen der gestiegenen Lebenserwartung auf sich warten ließ. Auf die negativen Auswirkungen, die eine höhere als die prognostizierte Lebenserwartung auf die Rendite hat, weist die ergänzende Produktinformation (Anl. K4) unter Pkt. 3.2 unmissverständlich („Hauptrisiko“) hin. Dass dieses Risiko in letzter Konsequenz Auswirkungen auch auf die Liquidität des Fonds haben kann, erschließt sich von selbst, weshalb ein gesonderter Hinweis hierauf nicht erforderlich war. Ungeachtet dessen informiert im Übrigen das Fact Sheet für den D über die geringe Liquiditätsquote im Fonds von durchschnittlich unter 5 % und weist ausdrücklich darauf hin, dass zur Sicherstellung der Liquidität ein kurzfristiger Kredit von bis zu 30 % des NAV (Nettoanlagevermögen) aufgenommen werden kann. Aus diesen Gründen war auch kein Hinweis darauf erforderlich, dass es für den Fall, dass ein Überbrückungsdarlehen nicht gewährt wird, zu einem Liquiditätsengpass mit der von der Klägerin weiter angesprochene Konsequenz eines sog. „Firesale“ kommen kann.
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Unter Aufklärungsgesichtspunkten ist die von der Klägerin angeführte und auf den D bezogene Neubewertung der Fondspolicen im Jahr 2010 und der nach Klägervortrag in jenem Jahr verschickte Überblick darüber, dass bei unterschiedlichen Szenarien die Rückläufe in Bezug auf eine eingezahlte Kapital lediglich zwischen 30 und 128 % betrugen, ohne Belang. Gleiches gilt für die von der Klägerin hieraus errechnete Möglichkeit eines Kapitalverlustes von 70 %. Denn dass entsprechende Informationen der Beklagten bereits zum Zeitpunkt der Beratung sechs Jahre zuvor vorlagen, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen konnte die Klägerin das Bestehen eines Verlustrisikos den übergegebenen Unterlagen entnehmen. Die ‚Ergänzende Produkterläuterung‘ enthält nicht nur Angaben zu den Hauptrisiken des Fonds, sondern weist ausdrücklich darauf hin, dass der Fonds gerade keine Kapitalgarantie gewährt, weshalb ein zusätzlicher Hinweis auf das Verlustrisiko entbehrlich war. Soweit die Klägerin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 30.10.2013, S.3 nunmehr offenbar gar behaupten will, der Berater der Beklagten habe (explizit) angegeben, dass ein Kapitalverlustrisiko nicht bestehe, also im Rahmen der Beratung von den überreichten Unterlagen abweichende Angaben gemacht haben soll, ist dieser Vortrag neu. Dem in erster Instanz zum Inhalt des Beratungsgesprächs gehaltenen Vortrag (Klageschrift S.4f.) lässt sich ein ausdrücklicher Hinweis der Anlageberater E und F auf ein angeblich nicht gegebenes Verlustrisiko nicht entnehmen. Soweit danach ohne nähere Erläuterungen davon gesprochen worden sei, dass bei der Lebensversicherung auf Basis gebrauchter Lebensversicherungen persönliche Sicherheit mit einem attraktiven Rendite-Risikoverhältnis verbunden werde, versteht der Senat diesen Vortrag nicht im Sinne einer der Klägerin zugesagten Kapitalgarantie, sondern im Sinne eines (Lebens-) Versicherungsschutzes mit zusätzlichen Ertragschancen. Dafür spricht nicht nur die Erwähnung eines Risikos, sondern auch der Vortrag in der Klageschrift im Übrigen. Danach war die Klägerin zur Inkaufnahme erhöhter Vermögensschwankungen bereit und wählte immerhin die Risikoklasse 3. Im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten, wonach über das Verlustrisiko aufgeklärt worden sei, ist der neue Vortrag der Klägerin streitig und deshalb nach § 531 Abs.2 ZPO nicht berücksichtigungsfähig.
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Soweit die Klägerin in Bezug auf die Korrelation zwischen Finanzmarkt und Lebensversicherungen auf fehlerhafte Darstellungen in den Fact Sheets abhebt, will sie offenbar darauf hinaus, die Beklagte habe, soweit bei der Beratung auf die Fact Sheets zurückgegriffen worden ist, die irrige Vorstellung erweckt, die Lebensversicherungsfonds blieben von etwaigen Schwankungen auf dem Finanzmarkt verschont. In den jeweiligen Fact Sheets wird in der linken Spalte ausgeführt, dass der Fonds durch die Kombination von kapitalmarktabhängigen Ertragskomponenten mit garantierten Werten eine geringe Korrelation mit dem Kapitalmarkt aufweise (C) bzw. die Erträge eine geringe Korrelation zu traditionellen Kapitalmärten zeigten und hauptsächlich von der Sterblichkeit der versicherten Personen, dem erzielten Marktpreis der erworbenen Secondhand Policen, von einem allfälligen Wiederverkaufspreis, dem Fondsvolumen und dem Erfolg des Währungshedgings abhängig seien (D). Worin die angebliche Unrichtigkeit in dem jeweiligen Fact Sheets des D-Fonds liegt, ist nicht nachvollziehbar. Dass beim D der Erfolg in erster Linie vom Versterben der Versicherten abhängt, hat mit dem Kapitalmarkt nichts zu tun. Insoweit ist die im Fact Sheet getroffene Aussage zutreffend. Soweit die Klägerin beim C offenbar an dem zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt bestehenden Aktienanteil von 70 % und dessen Reduzierung auf 35 % Anstoß nimmt, mag dieser Vorgang dem Umstand geschuldet sein, dass den Versicherten bei diesem Fonds ein bestimmter Mindestbetrag garantiert wurde, weshalb eine fehlerhafte Darstellung im Fact Sheet auch hier nicht nachvollzogen werden kann. Im Übrigen lässt sich in Bezug auf die Absenkung des Aktienanteils auch aus zeitlichen Gründen ein Zusammenhang mit dem einige Jahre vor der Finanzkrise geführten Anlagegespräch nicht erkennen.
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Auch das weitere Vorbringen der Klägerin in zweiter Instanz lässt keinen Aufklärungsmangel erkennen. Soweit sie anhand der Angaben aus dem Monatsbericht 2011 auf ein unzulässig niedriges Durchschnittsalter der Versicherten, nämlich deutlich unter 80 Jahren, abhebt und hiermit offenbar darauf abzielt, dass dies nicht in Einklang mit dem Fact-Sheet des C – die Klägerin verwechselt hier offenbar die beiden Fonds – angegebenen Durchschnittsalter von 80 bis 85 Jahren stehe, mag dies sein, bedeutet aber nur, dass bei Durchführung des Fonds möglicherweise die vorgegebenen Investitionsprinzipien nicht eingehalten wurden. Dieser Vorwurf betrifft also nur die Durchführung des Fonds, hat indes nichts damit zu tun, was bei Anlageberatung ein Thema hätte sein sollen.
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Soweit die Klägerin einen Hinweis auch darüber vermisst, dass im Falle späterer Fälligkeit der Policen als prognostiziert auch die Prämien fortgezahlt werden müssen, liegt ein Beratungsverstoß nicht vor, weil der in der ‚Ergänzenden Produkterläuterung‘ gegebene Hinweis auf die negativen Auswirkungen der Sterblichkeit der versicherten Personen bzw. eines Todesfalls zeitlich nach der statistisch errechneten Lebenserwartung auf die Rendite ausreichend ist.
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In Ermangelung eines Schadensersatzanspruchs besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten.
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Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil ihr Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 Abs.1 ZPO).
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.

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