OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 20.03.2014 – 20 W 520/11 Fortgeltung eines gemeinschaftlichen Testaments mit wechselbezüglichen Verfügungen nach Ehescheidung (AG Gießen, Beschl. v. 28.09.2011 – 22 VI W 605/10)

Oktober 6, 2018

OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 20.03.2014 – 20 W 520/11

Fortgeltung eines gemeinschaftlichen Testaments mit wechselbezüglichen Verfügungen nach Ehescheidung

(AG Gießen, Beschl. v. 28.09.2011 – 22 VI W 605/10)

Gründe:

Bei der Antragstellerin handelt es sich um die geschiedene Ehefrau des Erblassers. Deren am 14.02.1975 geschlossene Ehe ist mit Urt. des AG Gießen – Familiengericht – v. 20.10.2006, rechtskräftig laut Vermerk seit 21.12.2006, geschieden worden. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.

Bei den Beteiligten zu 2) bis 8) handelt es sich um gesetzliche Erben des Erblassers, die sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht beteiligt haben; bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Freundin des Erblassers.

Die Antragstellerin hat den Erblasser am 25.09.2004 verlassen. Nachfolgend kam es dann zur Ehescheidung, in deren Zusammenhang am 20.10.2006 im Scheidungstermin eine mit „Vergleich” überschriebene Einigung der Eheleute zur Regelung der Scheidungsfolgen protokolliert worden ist, der Verhandlungen hinsichtlich des Inhalts zwischen den Eheleuten und der sie im Scheidungsverfahren vertretenden Rechtsanwälte vorausgegangen waren. Der „Vergleich” der Eheleute beinhaltet unter anderem deren Verzicht auf nachehelichen Ehegattenunterhalt und vorherigen Trennungsunterhalt (I), eine Verpflichtung der hiesigen Antragstellerin, ihren hälftigen Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung der Eheleute, deren Wert im Protokoll mit geschätzten 70.000,00 € angegeben worden ist, auf den Erblasser zu Alleineigentum zu übertragen (II), damit im Gegenzug verbunden eine Freistellung der hiesigen Antragstellerin von sämtlichen Ansprüchen Dritter im Zusammenhang mit der Finanzierung und der Unterhaltung der Eigentumswohnung, wobei die Finanzierungsdarlehen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs noch mit 23.699,65 € angegeben worden sind (III), eine Abgeltung möglicher Forderungen der hiesigen Antragstellerin aus Zugewinnausgleich und Vermögensauseinandersetzung durch Zahlung des Erblassers an diese i.H.v. 20.000,00 €, insgesamt fällig zum 01.02.2012, wobei der Erblasser der hiesigen Antragstellerin eine im Jahr 2012 fällig werdende Auszahlung seiner Lebensversicherung i.H.v. 20.000,00 € abgetreten hat (IV), eine Übertragung des auf die Eheleute laufenden Bausparvertrages mit einem Guthaben von ca. 5.000,00 € vollumfänglich auf den Erblasser gegen Freistellung der hiesigen Antragstellerin hinsichtlich Gebühren und Beiträgen (VI). Weiterhin ist unter V des „Vergleichs”” folgendes vereinbart:

„Die Parteien haben am 18.1.1978 vor dem Notar N1 in O1 ein gemeinsames Testament zur Urkundenrollen Nr. …/1978 errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt haben. Dieses Testament wird ausdrücklich auch für den Fall der rechtskräftigen Ehescheidung bestätigt. Es soll auch künftig bei der darin vorgenommenen Erbeinsetzung bleiben. Alle anderweitigen Verfügungen der Parteien auf ihr Ableben werden hiermit vorsorglich und einvernehmlich widerrufen.”

Am 17.05.2010 hat die Beschwerdeführerin bei dem Nachlassgericht ein handschriftliches Testament des Erblassers v. 22.04.2010 – eröffnet vom Nachlassgericht am 19.05.2010 – abgegeben. Dieses hat (soweit lesbar) folgenden Inhalt:

„A… 22.04.2010 …str. 1

Testament

Änderung und Nachtrag zum Testament vom 18. Januar Nummer … der Urkundenrolle für 1978 – Notar N1… Gießen Amtsgericht Gießen Geschäfts.Nr …/78… Folgende Änderung und Nachtrag des Obenangeführ. Testaments habe ich A beschlossen. Das ich als alleinerbin Frau B …str 2 nach meinem Tod einsetze …. den.22.04.2010 A.”

Mit notariellem Erbscheinsantrag v. 18.05.2010, Urkunde Nr…./2010 des Notars N2, eingegangen beim Nachlassgericht am 27.05.2010, hat die Antragstellerin beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist. Zur Begründung hat die Antragstellerin auf ein von ihr und dem Erblasser am 18.01.1978 errichtetes, am 19.05.2010 vom Nachlassgericht eröffnetes, gemeinschaftliches notarielles Testament (Urkunde des Notars N1, O1, Nr…./1978) Bezug genommen, das auszugsweise wie folgt lautet:

„Testament

  1. Wir setzen uns wechselseitig zum Alleinerben ein. Der Längstlebende von uns soll völlig frei verfügen können.
  2. Verfügt der Längstlebende von uns nicht anderweitig, so sollen seine Erben
  3. a) E1
  4. b) E2…

zu gleichen Teilen sein.”

Im Erbscheinsantrag wird die Auffassung vertreten, dieses gemeinschaftliche Testament sei trotz Ehescheidung gültig geblieben. Der Erblasser und die Antragstellerin hätten in dem Scheidungsfolgenvergleich v. 20.10.2006 zu richterlichem Protokoll erklärt, dass dieses gemeinschaftliche Testament auch nach rechtskräftiger Ehescheidung gültig bleiben und die Erbfolge nach beiden Eheleuten bestimmen solle (§§ 2077 Abs. 3, 2268 Abs. 2 BGB).

Der Nachlasswert wurde mit geschätzten 80.000,00 € angegeben.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin hat Einwendungen gegen den Erbscheinsantrag erhoben. […]

Mit dem angefochtenen Beschl. v. 28.09.2011 hat das Nachlassgericht die zur Erteilung des Erbscheins aufgrund des Antrages der Antragstellerin v. 18.05.2010 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. […]

  1. Die Beschwerde ist gem. § 58 FamFG statthaft. […] Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Das Nachlassgericht hat im Ergebnis zu Recht – allerdings mit unzutreffender Begründung – das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung des von der Antragstellerin mit notarieller Urkunde v. 18.05.2010 (Urkunde des Notars N2, O3, Nr…./2010) beantragten Erbscheins bejaht, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweisen soll.

Dieses Alleinerbrecht der Antragstellerin beruht entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts allerdings auf dem gemeinschaftlich von der Antragstellerin mit dem Erblasser am 18.01.1978 errichteten notariellen Testament, in dem sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt haben und welches auch nach der Ehescheidung am 20.10.2006 fortbestand. Daraus folgt, dass dieses gemeinschaftliche Testament durch das die Beschwerdeführerin als Alleinerbin ausweisende handschriftliche Testament des Erblassers v. 22.04.2010 nicht einseitig durch diesen aufgehoben werden konnte (§§ 2268 Abs. 2, 2271 Abs. 1, 2270 BGB); dieses handschriftliche Testament ist vielmehr nichtig, da es die durch wechselbezügliche Verfügungen erlangte erbrechtliche Stellung der Antragstellerin beeinträchtigen würde (§ 2289 BGB analog; vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl. 2014, § 2271 Rn. 12, 14, m.w.N.).

Soweit das Nachlassgericht demgegenüber die Auffassung vertritt, die Alleinerbenstellung der Antragstellerin (nur) auf einen zwischen dem Erblasser und der Antragstellerin am 20.10.2006 im Rahmen des gerichtlichen „Vergleichs” geschlossenen gegenseitigen Erbvertrag stützen zu können, ist dies aus Rechtsgründen nicht möglich.

Dabei kann letztlich offen bleiben, ob die Eheleute, wie das Nachlassgericht meint, im Rahmen des „Vergleichs” im gerichtlichen Ehescheidungstermin vor dem Familiengericht am 20.10.2006 mit der Regelung in Ziff. V überhaupt einen gegenseitigen Erbvertrag nach §§ 2274 ff. BGB abschließen wollten. Dafür spricht allerdings, dass nur so eine spätere einseitige, wenn auch der Form des § 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 2296 BGB unterliegende Befugnis zur Aufhebung eines nur „bestätigten” gemeinschaftlichen Testaments v. 18.01.1978, hätte ausgeschlossen werden können, was im Hinblick auf die Einbindung der unter V der „Vereinbarung” geregelten weiteren Gültigkeit des gemeinschaftlichen Testaments in die umfassenden Regelungen der Scheidungsfolgen der Eheleute, die offensichtlich als Grundlage auch die weitere, nicht einseitig abänderbare Gültigkeit der Regelung unter Ziff. V voraussetzen sollte, durchaus naheliegt.

Jedenfalls ist der vom Nachlassgericht angenommene gegenseitige Erbvertrag entgegen dessen Auffassung nicht formwirksam abgeschlossen worden.

Aus dem Verhandlungsprotokoll v. 20.10.2006 ergibt sich, dass bei Aufruf „für die Antragstellerin” eine Rechtsanwältin in Untervollmacht aufgetreten ist, und lediglich der Erblasser „in Person” neben seinem Verfahrensbevollmächtigten erschienen ist. In dem Protokoll ist auch kein späteres „persönliches” Erscheinen der Antragstellerin vermerkt, so dass trotz der auf Seite 4 des Protokolls festgehaltenen Formulierung „Die Vereinbarung wurde den Parteien…vorgelesen und so von ihnen genehmigt…” nicht von einem solchen ausgegangen werden kann. Auch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin haben ein persönliches Erscheinen nach entsprechendem Hinweis des erkennenden Senats v. 13.06.2013 nicht behauptet, vielmehr mitgeteilt, dies sei „nach dem Scheidungsprotokoll zweifelsfrei nicht der Fall”.

Zwar weist das Nachlassgericht zu Recht darauf hin, dass ein Erbvertrag auch in einem gerichtlichen Vergleich geschlossen werden kann; dabei wird die durch § 2276 Abs. 1 BGB vorgeschriebene notarielle Beurkundung durch die Aufnahme der Erklärungen beider Vertragsschließenden in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll ersetzt (§ 127a BGB). Dies setzt allerdings die wegen § 2274 BGB nicht verzichtbare persönliche Anwesenheit der beiden Eheleute sowie deren persönliche Genehmigung des Vergleichs voraus, was auch in einem Verfahren mit Rechtsanwaltszwang gilt, in dem Erblasser und Rechtsanwalt die Erklärungen gemeinsam abgeben müssen (vgl. insgesamt u.a. BGH, Urt. v. 06.05.1959 – V ZR 97/58, FamRZ 1960, 28 ff.; BayObLG, Beschl. v. 18.03.1965 – BReg. 1 b Z 4/65, NJW 1965, 1276, zit. nach Beck-online; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.10.2006 – 3 Wx 185/06, OLG Bremen, Beschl. v. 01.08.2012 – 5 W 18/12, jeweils zit. nach juris; MünchKomm-BGB/Musielak, 6. Aufl. 2013, § 2274 Rn. 8; Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl. 2014, § 2276 Rn. 1).

An diesen Wirksamkeitsvoraussetzungen ändert auch – was die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz v. 24.06.2013 jedoch angedacht haben – die gesetzliche Regelung in § 2276 Abs. 2 BGB nichts, wonach dann, wenn ein Erbvertrag mit einem Ehevertrag in derselben Urkunde verbunden wird, die für den Ehevertrag vorgeschriebene Form genügt. Zwar wird hinsichtlich der insoweit in Bezug genommenen Bestimmung des § 1410 BGB, wonach der Ehevertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden muss, die Auffassung vertreten, dass insoweit eine Vertretung, auch durch den anderen Ehegatten, zulässig sei (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1410 Rn. 5). Letzteres kann jedoch mit der in § 2276 Abs. 2 BGB erfolgten Formerleichterung für den mit einem Ehevertrag verbundenen Erbvertrag deswegen nicht gelten, weil sich diese Ausnahmeregelung gerade nur auf Formvorschriften bezieht und jedenfalls nicht auf materiell-rechtliche Formvorschriften, also auch nicht auf § 2274 BGB (vgl. Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2276 Rn. 6, Litzenburger, in: Bamberger/Roth, BeckOK-BGB, Stand 01.02.2014, § 2276 Rn. 9, jeweils m.w.N.), bzw. nicht auf sachlich-rechtliche Bestimmungen, als die Kanzleiter § 2274 BGB ansieht (in: Staudinger, BGB, 2013, § 2276 Rn. 11).

Somit fehlt es vorliegend entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts jedenfalls schon an den formalen Voraussetzungen für den Abschluss eines gegenseitigen Erbvertrages zwischen den Eheleuten am 20.10.2006.

Auch gegen einen – von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Schriftsatz v. 24.06.2013 behaupteten – Willen des Erblassers dahingehend, dass dieser mit der Protokollierung am 20.10.2006 auch den Abschluss eines nur ihn einseitig verpflichtenden Erbvertrages gewollt hätte – was auch ohne persönliche Anwesenheit der Antragstellerin alleine durch die sie am 20.10.2006 vertretende Rechtsanwältin möglich gewesen wäre (vgl. Musielak a.a.O., § 2274 Rn. 2; Stürner, in: Jauernig, BGB, 15. Aufl. 2014, § 2276 Rn. 1 und § 2274 Rn. 1), bestehen durchgreifende Bedenken.

Grds. hat die Nichtigkeit der vertragsmäßigen Verfügung eines in einem Erbvertrag Verfügenden – hier also der Antragstellerin – zur Folge, dass diese Nichtigkeit nach § 2298 Abs. 1 BGB die vollständige Unwirksamkeit des ganzen Erbvertrages, also sämtlicher vertragsmäßigen Verfügungen beider Vertragspartner nach sich zieht (vgl. auch BayObLG, Beschl. v. 17.02.1995 – 1Z BR 3/95, zit. nach juris). Dies gilt nach § 2298 Abs. 3 BGB nur dann nicht, wenn der Erblasser – tatsächlich oder hypothetisch – einen anderen Willen dahingehend hatte bzw. gehabt hätte, dass die Nichtigkeit der Verfügung des Vertragspartners nicht auch die Nichtigkeit seiner eigenen vertraglichen Verfügung hätte nach sich ziehen sollen.

Dafür könnte zum einen der Umstand sprechen – was sich sogar aus den Stellungnahmen der verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwälte des Erblassers aus dem Scheidungsverfahren gegenüber dem Nachlassgericht ergibt –, dass die Fortgeltung des gemeinschaftlichen Testaments v. 18.01.1978 deswegen vereinbart wurde, weil die Antragstellerin dem Erblasser im Zusammenhang mit den Regelungen der übrigen Scheidungsfolgen insbes. bei der Höhe des der Antragstellerin zustehenden Zugewinnausgleichs und der Vermögensauseinandersetzung entgegen gekommen ist. Dass dies der Fall gewesen ist, ergibt sich zur Überzeugung des Senats auch durch den weiteren, von den ehemaligen Scheidungsanwälten des Erblassers und den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vorgelegten rechtsanwaltlichen Schriftverkehr aus dem Scheidungsverfahren. Dem steht auch nicht entscheidend die nicht weiter ausgeführte Behauptung des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin entgegen, wonach die Antragstellerin wegen eines möglichen Zugewinns bereits außerhalb des Scheidungsverfahrens großzügig finanziell vom Erblasser abgefunden gewesen sei, so dass ihr keine Ansprüche mehr auf Zugewinnausgleich zugestanden hätten. Soweit hierfür zum Beweis auf Herrn D als Zeugen verwiesen wurde, ergibt sich aus dessen mit Schriftsatz v. 26.05.2011 vorgelegter schriftlichen Stellungnahme bereits lediglich, der Erblasser habe ihm nach der Scheidung erzählt, dass seine Frau viel Geld bekommen habe. Dass es sich dabei allerdings um mehr Geld, als die im „Vergleich” genannten Beträge handelte, und dass dieses Geld auch außerhalb der Scheidungsfolgenvereinbarung geflossen wäre, hat er schon nicht mitgeteilt. Dagegen spricht im Übrigen auch der von der Beschwerdeführerin nicht bestrittene, umfangreiche Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich der finanziellen Verhältnisse der Eheleute im Zeitraum der Ehescheidung, insbes. in deren Schreiben an das Nachlassgericht v. 11.06.2011 und 09.07.2011, auf die Bezug genommen wird.

Durchgreifende Zweifel an einem derartigen Willen des Erblassers auf Abschluss eines einseitig nur ihn verpflichtenden Erbvertrages ergeben sich allerdings u.a. aus folgendem:

So haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin beispielsweise in ihrem Schriftsatz v. 24.06.2013 selbst dargelegt, dass als Gegenleistung der Erblasser durch die Beibehaltung seiner Erbenstellung im Falle des Vorversterbens der Antragstellerin dahin gesichert sein sollte, dass dann noch bestehende Verpflichtungen des Erblassers gegenüber anderen Erben der Antragstellerin entfallen sollten. Die Antragstellerin selbst hat in ihrem Schreiben an das Nachlassgericht v. 11.06.2011 dargelegt, dass bedingt durch deren eigene Erkrankungen, es dem Erblasser wichtig gewesen sei, den Passus bezüglich der weiteren Gültigkeit des gemeinsamen Testaments in das Scheidungsprotokoll aufzunehmen. Weiterhin ergibt sich aus dem von der Antragstellerin selbst in Bezug genommenen Schreiben der Antragstellerin v. 14.05.2009 an den Erblasser, unabhängig davon, ob der Erblasser dieses tatsächlich erhalten hat, was die Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin bestreiten, unter anderem folgender Wortlaut: „Ich schicke Dir noch wie versprochen extra eine Erklärung bezüglich der weiteren Testamentsgültigkeit. Aber wie schon immer von mir gesagt, stehe ich zu meinem Wort, Du wirst mich beerben. Und Du wolltest doch damals bei der Scheidung extra, dass die weitere Gültigkeit im Scheidungsurteil aufgenommen wird. Aber wenn’s Dich beruhigt…” In einem weiteren Schreiben der Antragstellerin v. 22.11.2005 an ihren Rechtsanwalt im Scheidungsverfahren heißt es in diesem Sinne: „Ebenso wird als Erbberechtigte der restlichen Lebensversicherungen und der Rentenversicherung mein Name eingetragen. Mein Mann erhält im Gegenzug als Erbberechtigter im Todesfall meine Rentenversicherung und meinen gesamten Besitz. Das von uns beiden verfasste Testament behält seine Gültigkeit.”

Aufgrund dieser Umstände kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Erblasser entgegen der Auslegungsregel des §§ 2298 Abs. 1 BGB für den Fall der Nichtigkeit der Verfügung der Antragstellerin eine solche seiner eigenen Verfügung nicht gewollt hätte.

Letztlich muss über diese Frage jedoch im Hinblick auf die Fortgeltung des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute v. 18.01.1978 nicht abschließend befunden werden.

Zwar ist nach § 2268 Abs. 1 BGB ein gemeinschaftliches Testament im Falle der Auflösung der Ehe vor dem Tode des Erblassers seinem ganzen Inhalt nach unwirksam, womit das Gesetz i.S.e. dispositiven Auslegungsregel vermutet, dass der wirkliche Wille der Erblasser dahingeht, die Unwirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments im Ehescheidungsfall zu wollen, da sie vermutlich nicht gemeinschaftlich testiert hätten, wenn sie mit der Auflösung ihrer Ehe gerechnet hätten (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 06.05.1959, a.a.O. zu § 2077 Abs. 1 BGB; OLG Hamm, Beschl. v. 22.10.1991 – 15 W 261/91; BayObLG, Beschl. v. 08.06.1993 – 1Z BR 95/92). Gem. § 2268 Abs. 2 BGB bleiben die Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments nach Auflösung der Ehe jedoch ausnahmsweise insoweit wirksam, als anzunehmen ist, dass sie auch für diesen Fall getroffen sein würden. Insoweit ist durch Auslegung (§§ 133, 2084 BGB) der letztwilligen Verfügung zu ermitteln, ob deren Weitergeltung für den Fall der Ehescheidung dem wirklichen oder, falls ein solcher nicht festgestellt werden kann, dem mutmaßlichen (hypothetischen) Willen der Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung entsprochen hat, wobei es im Hinblick darauf, dass die jeweiligen Verfügungen Bestandteile eines gemeinschaftlichen Testaments sind, bei der Auslegung darauf ankommt, ob ein nach dem Verhalten des einen Ehegatten mögliches Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen Ehegatten entsprochen hat (vgl. BayObLG, a.a.O.; BGH, Urt. v. 07.10.1992 – IV ZR 160/91, zit. nach juris). Dabei müssen, wenn ein von der Vermutung des § 2268 Abs. 1 BGB abweichender hypothetischer Erblasserwillen im Einzelfall bejaht werden soll, besondere Umstände dafür sprechen (vgl. u.a. BayObLG, Beschl. v. 18.03.1995 – 1Z BR 175/94; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.03.1998 – 3 W 6/98, zit. jeweils nach juris), gerade weil gegenseitige und insbes. wechselbezügliche Erbeinsetzungen in einem Ehegattentestament typischerweise in Bezug auf eine bestehende Ehe vorgenommen werden und im Allgemeinen als Indiz gegen einen Aufrechterhaltungswillen sprechen (vgl. u.a. KG, Beschl. v. 05.02.1968 – 1 W 62 u. 63/68, FamRZ 1968, 217 f.; BayObLG, Beschl. v. 08.06.1993, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O; OLG Zweibrücken, a.a.O., und OLG Hamm, Beschl. v. 08.11.1993 – 15 W 267/91, zit. nach juris, jeweils zum Erbvertrag). Weiterhin wird ein Aufrechterhaltungswille bereits dann regelmäßig verneint, wenn der Fortbestand der Ehe als zumindest mitbestimmendes Motiv für die letztwillige Verfügung noch in Betracht kommt (u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 22.10.1991, a.a.O.; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2268 Rn. 3).

Vorliegend fehlt es zunächst an jeglichem Anhalt für oder gegen einen tatsächlichen, auf Fortgeltung des gemeinschaftlichen Testaments v. 18.01.1978 gerichteten Willen der Eheleute; weder bietet der Wortlaut der Urkunde hierfür einen Anhalt, noch ergibt sich ein solcher aus dem ermittelten und vorgetragenen Sachverhalt.

Somit kommt es vorliegend auf den mutmaßlichen (hypothetischen) Willen der Eheleute zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments v. 18.01.1978 an, also darauf, ob sie dieses auch dann errichtet hätten, wenn sie ihre spätere Scheidung und die damit verbundenen Umstände als möglich vorausgesehen hätten. Dabei können nach Testamentserrichtung liegende Umstände für die Ermittlung dieses Willens insoweit herangezogen werden, als sie Rückschlüsse darauf zulassen, wie die Eheleute in diesem Fall testiert hätten (vgl. insgesamt u.a. BGH, Urt. v. 06.05.1959, a.a.O. und Urt. v. 03.05.1961 – V ZR 154/59, FamRZ 1961, 364 ff.; erkennender Senat, Beschl. v. 27.06.1978 – 20 W 448/78, Rpfleger 1978, 412 f.; BayObLG, Beschl. v. 10.09.1992 – 1Z BR 68/92, zit. nach juris; OLG München, Beschl. v. 08.02.2008 – 31 Wx 69/07, zit. nach juris; MünchKomm-GB/Musielak, a.a.O., § 2268 Rn. 4; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 277 Rn. 6).

So soll – vergleichbar mit dem vorliegenden Fall – eine im Rahmen von Scheidungsvereinbarungen eingegangene Verpflichtung, die Verfügung zu Gunsten des Ehegatten nicht zu ändern, die nach § 2302 BGB nichtig ist, Indizwirkung für einen auf Aufrechterhaltung der ursprünglichen Verfügung gerichteten Willen haben (vgl. Otte, in: Staudinger, Neubearb. 2013, § 2077 Rn. 24).

Soweit teilweise in der Literatur die Auffassung vertreten wird, es komme nicht auf den – wenn auch hypothetischen – Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an, sondern direkt auf dessen nachträglichen aktuellen Willen (vgl. u.a. Foer, AcP (1954) 159, 492 ff.), kann dem im Hinblick auf die Formerfordernisse für den zu erklärenden letzten Willen nicht gefolgt werden (vgl. auch MünchKomm-BGB/Leipold a.a.O., § 2077 Rn. 25).

Wenn man nun fragt, welchen Willen die Eheleute am 18.01.1978 gehabt haben würden, wenn sie damals damit gerechnet hätten, dass sie einen Ehevertrag hätten abschließen wollen, in dem die Fortgeltung ihres damaligen Testaments hätte vereinbart werden sollen, diese vertragliche Einigung dann aber aus nicht von den Eheleuten verursachten Gründen formnichtig gewesen wäre, spricht mehr dafür, dass sie für diesen Fall bereits zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls die Fortgeltung der gegenseitigen und – zum einen im Hinblick auf deren ausdrücklichen Wortlaut und zum anderen mangels anderem tatsächlichen Anhalt (§ 2270 Abs. 2, 1. Alt. BGB) – auch wechselbezüglichen gegenseitigen Alleinerbeneinsetzung im Testament v. 18.01.1978 auch für den Fall einer derart vorausgesehenen Ehescheidung gewollt hätten. Entscheidend dafür spricht, dass für die Eheleute – wie oben bereits dargelegt – gerade die Fortgeltung des gemeinschaftlichen Testaments zumindest eine Mitvoraussetzung für die von ihnen gewollte Einigung über die Scheidungsfolgen gewesen ist, die sonst jedenfalls in der vorliegenden Form nicht zustande gekommen wäre.

Dass diese Einigung über die Fortgeltung des gemeinschaftlichen Testaments erst nach intensiven Verhandlungen über die Scheidungsfolgen erzielt wurde, steht dieser Auslegung entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts nicht entgegen.

Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn diese zwischen den Eheleuten letztlich gefundene Einigung das Ergebnis eines nach Errichtung des Testaments v. 18.01.1978 neu gefassten wirklichen Willens wäre, der auf einem Anschauungswandel der Eheleute beruht hätte (vgl. Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2077 Rn. 6; Kellermann, JuS 2004, 1071 ff. (1072)).

Dafür, dass zumindest einer der Eheleute zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Testamentserrichtung am 18.01.1978 und dem „Vergleich” v. 20.10.2006 bereits einen tatsächlichen Willen dahingehend gefasst hatte, dass das gemeinschaftliche Testament im Falle einer Scheidung nicht fortgelten sollte, der „Vergleich” v. 20.10.2006 also auf einem mit einem derartigen Anschauungswandel verbundenen neuen Willen beruhte, hat der Senat jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte.

Zwar ist der Erblasser von der Antragstellerin verlassen worden und war zunächst, wie die Antragstellerin selbst in ihrem Schreiben v. 11.06.2011 an das Nachlassgericht mitgeteilt hat, voller Hass auf sie gewesen, weil sie ihn „im Stich gelassen habe”. Dies alleine sagt allerdings noch nichts darüber aus, dass sich der Erblasser im Zusammenhang mit dieser ersten Wut überhaupt schon Gedanken über die Frage der Fortgeltung des gemeinschaftlichen Testaments gemacht hat. Außerdem hat dieser Umstand auch nicht dazu geführt, dass der Erblasser die Kontakte zur Erblasserin eingestellt hätte, bzw., wie der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin behauptet, es „immer” abgelehnt habe, wieder mit der Antragstellerin in Kontakt zu kommen. Dagegen spricht schon die von dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin selbst vorgelegte schriftliche Stellungnahme des D, in dem dieser mitgeteilt hat, der Erblasser habe nach dem Auszug der Antragstellerin verschiedene Versuche unternommen, um seine Ehe wieder in Ordnung zu bringen. Der Inhalt dieser Stellungnahme stimmt dann insoweit auch mit den Darstellungen der Beteiligten zu 3) in ihrem Schreiben an das Nachlassgericht v. 22.09.2010 überein, die mitgeteilt hat, dass der Erblasser und die Antragstellerin nach der Trennung – im Hinblick auf den Schlaganfall der Antragstellerin jedenfalls nach etwa einem Jahr – wieder Kontakt aufgenommen und regelmäßig miteinander telefoniert hätten. Dem entspricht auch der Umstand, dass die Eheleute zwischen Trennung und dem Abschluss des „Vergleichs” im Scheidungstermin am 20.10.2006 offensichtlich auch in direktem Kontakt – und nicht nur über ihre jeweiligen Rechtsanwälte im Scheidungsverfahren – nicht nur versucht haben, eine für beide Seiten tragfähige Scheidungsvereinbarung zu finden, sondern diese auch gefunden haben. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem oben bereits in Bezug genommenen Schreiben der Antragstellerin v. 22.11.2005 an ihren Rechtsanwalt im Scheidungsverfahren. Die dort mitgeteilte und direkt zwischen den Eheleuten verhandelte Einigung bildete dann die Grundlage für den letztlich zwischen diesen abgeschlossenen „Vergleich”. Auch aus dem Schreiben des Rechtsanwalts des Erblassers im Scheidungsverfahren an den Rechtsanwalt der Antragstellerin im Scheidungsverfahren v. 06.06.2006 ergibt sich, dass die Eheleute selbst bis zuletzt versucht haben, eine für beide Seiten tragfähige Scheidungsfolgenvereinbarung zu erzielen. Danach hat der Erblasser seinem dortigen Rechtsanwalt mitgeteilt, er sei mit der Antragstellerin übereingekommen, dass der Gesamtbetrag von 20.000,00 € erst am 01.02.2012 gezahlt werden solle, was tatsächlich einem Entgegenkommen seitens der Antragstellerin entsprach, da Verhandlungsstand zu diesem Zeitpunkt gewesen war, dass der Erblasser diesen Betrag in jährlichen Raten zu je 5.000,00 € ab dem 30.06.2006 erbringen sollte. Dies korreliert wiederum mit einem Schreiben der Antragstellerin v. 09.06.2006 an ihren Verfahrensbevollmächtigten im Scheidungsverfahren, in dem sie diese weitere Einigung zwischen den Eheleuten im Hinblick darauf bestätigte, dass der Erblasser durch eine Erkrankung in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei und nicht wisse, wie er die zu leistenden Beträge in den nächsten Jahren vor Auszahlung seiner Lebensversicherung im Jahr 2012 aufbringen solle.

All dies spricht dafür, dass die Ehegatten jedenfalls in dem Zeitraum zwischen Trennung und Abschluss des Vergleichs am 20.10.2006 noch gegenseitig Rücksicht auf die jeweils mit der Scheidung verbundenen wirtschaftlichen Folgen genommen haben und eine für beide Seiten tragfähige gemeinsame Lösung finden wollten. Diese von den Eheleuten erstrebte weitere gegenseitige Versorgung aus dem offensichtlich gemeinsam erwirtschafteten Vermögen auch nach Scheidung der Ehe stellt sich somit als bruchlose Weiterführung des dem ursprünglichen gemeinschaftlichen Testament zugrundeliegenden gegenseitigen Versorgungsgedankens dar.

Dieser Umstand, dass die letztlich gefundene Vergleichsfassung das Ergebnis „intensiver außergerichtlicher Verhandlungen” gewesen ist, spricht jedoch nicht – wie das Nachlassgericht meint – gegen einen hypothetischen Fortgeltungswillen der Eheleute zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 18.01.1978, denn weder aus den vorgelegten Unterlagen noch den sonstigen vorgetragenen Umständen ist ersichtlich, dass einer der Eheleute im Zusammenhang mit diesen Verhandlungen zu irgend einem Zeitpunkt eine weitere gegenseitige Erbeinsetzung tatsächlich abgelehnt hätte und dann erst im Laufe der Verhandlungen ein Anschauungswandel hinsichtlich der zunächst abgelehnten Fortgeltung des gemeinschaftlichen Testaments eingetreten wäre. Das Argument des Nachlassgerichts trägt auch deswegen nicht, weil es sich bei der Übernahme des gemeinschaftlichen Testaments in den Vergleich gerade auch um einen Ausdruck der nochmaligen Bestätigung des bislang schon bestehenden Fortgeltungswillens gehandelt haben kann und nicht um einen solchen Ausdruck des Vollzugs eines Anschauungswandels.

Auch aus dem Inhalt des Schreibens von Frau C an das Nachlassgericht v. 26.10.2010 und dem darin mitgeteilten Umstand, dass diese den Erblasser im Mai 2005 kennen gelernt hat und bis Februar 2007 dessen Partnerin gewesen ist, ergibt sich nicht, dass der Erblasser aufgrund dieser neuen Beziehung bereits bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des „Vergleichs” am 20.10.2006 den tatsächlichen Willen gefasst hatte, dass das gemeinschaftliche Testament v. 18.01.1978 im Falle einer Scheidung eigentlich nicht fortgelten sollte. Zum einen hat Frau C mitgeteilt, der Erblasser habe ihr noch am ersten Weihnachtsfeiertag 2009 gesagt, er hätte alles so gelassen und es solle auch so bleiben, wie sie es aus ihrer gemeinsamen Zeit noch gewusst habe, d.h. dass er und seine geschiedene Ehefrau sich wechselseitig beerben sollten. Zum anderen hat sich der Erblasser im Rahmen der offensichtlich schon vor Kennenlernen von Frau C im April 2005 begonnenen Verhandlungen über die Scheidungsfolgen trotz des Eingehens dieser neuen Partnerschaft im Rahmen dieser Verhandlungen ausdrücklich für die Fortgeltung des gemeinschaftlichen Testaments ausgesprochen.

Auch die in Ziff. V des „Vergleichs” aufgenommene Regelung, wonach „alle anderweitigen Verfügungen der Parteien auf ihr Ableben.hiermit vorsorglich und einvernehmlich widerrufen” werden, spricht nicht dafür, dass die Eheleute vor Abschluss des „Vergleichs” bereits einen tatsächlichen Willen dahingehend gebildet haben, dass das gemeinschaftliche Testament nicht fortgelten sollte. Es gibt vielmehr keinen Anhalt dafür, dass einer der Eheleute, was entgegen der Ansicht der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin auch erheblich gewesen wäre, tatsächlich zwischen Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments und Abschluss des „Vergleichs”– unabhängig von der Wirksamkeit eines derartigen Testaments im Hinblick auf die wechselseitige Alleinerbeinsetzung im gemeinschaftlichen Testament – ein abweichendes Testament errichtet hat, von dem er nunmehr im Rahmen des abgeschlossenen Vergleichs i.S. eines Anschauungswandels wieder abgerückt wäre. Im Übrigen spricht mehr dafür, dass diese Regelung – entsprechend dem Wortlaut „vorsorglich” – vorsichtshalber durch einen der Rechtsanwälte des Scheidungsverfahrens in den Text des „Vergleichs” eingebracht worden ist; aus dem vorliegenden Schriftverkehr des Scheidungsverfahrens ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass diese Formulierung von einem der Eheleute vorgeschlagen worden ist.

Mangels anderer Anhaltspunkte spricht für den Senat somit nichts entscheidend dafür, dass einer der Eheleute bereits vor Beginn der Vergleichsverhandlungen im Scheidungsverfahren eine Entscheidung darüber getroffen hat, dass das gemeinschaftliche Testament v. 18.01.1978 nicht fortgelten sollte. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die Eheleute im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Scheidungsverfahrens erkannt haben, dass eine Fortgeltung des gemeinschaftlichen Testaments insoweit vorteilhaft wäre, als diese eine Einigung im Rahmen „des Vergleichs” ermöglicht und die Fortgeltung somit nicht auf einem mit einem Anschauungswandel verbundenen, später neu gefassten wirklichen Willen einer der Eheleute beruht.

Weiterhin behalten die somit über § 2268 Abs. 2 BGB fortgeltenden wechselbezüglichen Verfügungen der Eheleute in ihrem Testament v. 18.01.1978 entgegen der Ansicht des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin auch nach Auflösung der Ehe ihre Wechselbezüglichkeit.

Dies hat der BGH entgegen der früher in der Literatur herrschenden Rechtsansicht mit Urt. v. 07.07.2004 (IV ZR 187/03, zit. nach juris, mit umfassendem Nachweis des damaligen Meinungsstandes; dem BGH folgend u.a. MünchKomm-BGB/Musielak, a.a.O., § 2268 Rn. 4; jedenfalls nicht ausdrücklich ablehnend OLG Hamm, Beschl. v. 26.08.2010 – 15 Wx 317/09) entschieden. Der Senat sieht trotz der nach wie vor in Teilen der Literatur vertretenen anderen Auffassungen (u.a. Kanzleiter, in: Staudinger, 2013, § 2268 Rn. 11) im Hinblick auf die zu teilende grundlegende Argumentation des BGH, wonach trotz des Wortlauts von §§ 2270 und 2271 BGB und deren systematischer Stellung nach § 2268 BGB im Hinblick auf den das gesamte Erbrecht beherrschenden Grundsatz der Durchsetzung des wirklichen Willens der Erblasser, die auch nach § 2268 Abs. 2 BGB alleine entscheiden sollen, wie weit ihre nachehelich wirkenden letztwilligen Verfügungen letztlich reichen sollen, jedenfalls im vorliegenden Fall keine Veranlassung, von der Auffassung des BGH abzuweichen.

Vorliegend führt auch die weitere Frage – über die in der Literatur Streit besteht (vgl. zu den unterschiedlichen Ansichten u.a. Kanzleiter, ZEV 2005, 181 ff. [BGH 07.07.2004 – IV ZR 187/03] [BGH, 07.07.2004 – IV ZR 187/03]; Müller, Rpfleger 2005, 493 ff.; Keim, ZEV 2004, 425 [BGH 07.07.2004 – IV ZR 140/03] [BGH, 07.07.2004 – IV ZR 140/03]; Schmucker, ZNotP 2006, 414 ff.; Palandt/Weidlich a.a.O., § 2268 Rn. 4) –, ob der BGH in seinem zitierten Urteil tatsächlich entschieden hat, dass dann, wenn eine wechselbezügliche Verfügung nach der Ehescheidung überhaupt weitergilt, sie dann jedenfalls auch wechselbezüglich bleibt, oder die Entscheidung vielmehr dahingehend zu verstehen ist, dass die Wechselbezüglichkeit jedenfalls dann nicht fort gilt, wenn der alleine maßgebliche Wille der Ehegatten nur auf eine eingeschränkte Fortgeltung gerichtet gewesen war, also dahin, dass ihre Verfügungen bei Scheidung nur ihre Wechselbezüglichkeit verlieren, jedoch als einseitige Verfügungen weitergelten sollen, zu keinem unterschiedlichen Ergebnis.

Nach der ersten Ansicht hat die wechselbezügliche gegenseitige Alleinerbeinsetzung der Eheleute in jedem Fall Bestand. Nach der zweiten Ansicht – die nach derzeitiger Ansicht des Senats im Hinblick auf die Herausstellung des alleine maßgeblichen Willens der Erblassers durch den BGH näher liegen dürfte – gibt es keinen Anhalt dafür, dass die Eheleute die Fortgeltung des Testaments v. 18.01.1978 nur eingeschränkt,also ohne Fortgeltung der Wechselbezüglichkeit gewollt hätten. Es ist vielmehr fernliegend, dass die Eheleute im Falle der vorausbedachten Unwirksamkeit einer vertraglichen Vereinbarung jedenfalls eine formlose Abänderbarkeit dieses Testaments, dessen Fortgeltung grundlegend für die gefundene vertragliche Regelung zu den Scheidungsfolgen gewesen ist, gewollt hätten.

Letztlich kommt es – worauf auch die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht hingewiesen haben – entgegen der Ansicht des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin auf die umfangreichen und zwischen den Beteiligten unter Beweisangeboten streitig dargestellten Umstände nach der Ehescheidung am 20.10.2006 für die Ermittlung deren hypothetischen Willens nach § 2268 Abs. 2 BGB zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 18.01.1978 nicht mehr an (so BGH, Urt. v. 03.05.1961 a.a.O., zur selben Frage bei § 2077 Abs. 3 BGB; BayObLG, Beschl. v. 23.05.1995 – 1Z BR 128/94, „in der Regel”, m.w.N.). Unabhängig davon, ob dies allgemein für die Umstände gilt, die das Verhältnis der Eheleute nach der Scheidung betreffen, muss dies jedenfalls in vorliegendem Fall gelten, wo es um die im „Vergleich” v. 20.10.2006, also dem Scheidungstermin, bestätigte Fortgeltung des gemeinschaftlichen Testaments v. 18.01.1978 und die damit verbundene hypothetische Auslegung eines Fortgeltungswillens auch hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit der in diesem gemeinschaftlichen Testament erfolgten gegenseitigen Alleinerbeinsetzung geht. Jedenfalls die hypothetische Auslegung einer Fortgeltung dieser wechselbezüglichen Verfügungen kann im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Scheidung und rückbezogen auf den 18.01.1978 erfolgte Bestätigung des gemeinschaftlichen Testaments, die gerade für den Fall der Scheidung erfolgte, nicht mehr von einem späteren einseitigen Meinungswechsel, wie er offensichtlich bei dem Erblasser erfolgt ist, berührt werden.

Dies hat zur Folge, dass der Erblasser die Erbeinsetzung der Antragstellerin nicht durch Testament v. 22.04.2010 einseitig aufheben konnte (§ 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB), so dass es entgegen der Ansicht des Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin aus Rechtsgründen gerade nicht auf diesen letzten vom Erblasser erklärten „letzten Willen” ankommen kann.

 

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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