OLG Hamm, Beschl. v. 12.11.2013 – I-15 W 43/13 Form bei Abschichtung

Juni 24, 2018

OLG Hamm, Beschl. v. 12.11.2013 – I-15 W 43/13

Form bei Abschichtung

 

(AG Herford – Grundbuchamt –, Zwischenverfügung v. 09.03.2012 – HH-179-23)

Gründe:

I. Am 21.10.2012 verstarb der bisherige Grundstückseigentümer R.-G.-H. D. Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragten am 12.01.2012 die Berichtigung des Grundbuchs aufgrund Erbfolge. Der Erblasser wurde ausweislich des Erbscheins des AG Herford v. 09.03.2012 beerbt von seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 3), zu ½ Anteil und von seinen Töchtern, den Beteiligten zu 1) und 2), zu je ¼ Anteil. Das Grundbuchamt führte die Berichtigung am 14.03.2012 aus.

Am 20.12.2012/10.01.2013 schlossen die Beteiligten einen Abschichtungsvertrag mit ausschnittsweise folgendem Wortlaut:

„§ 1 Vertragsgegenstand: Die Beteiligten zu Ziffer 1. bis 3. bilden die Erbengemeinschaft nach Herrn R. D., verstorben am 21.10.2011. Die Beteiligte zu 1. ist als Ehefrau zu ½ Erbin des Erblassers geworden, die Beteiligten zu Ziffer 2. und 3. als Töchter jeweils zu ¼. Im Nachlass befindet sich als wesentlicher Gegenstand nur noch die Immobilie in …, eingetragen im Grundbuch von … Gebäude- und Freifläche, Gartenland, Grünland in … in einer Gesamtgröße von 4.095 qm. Es wurde ein Wertermittlungsgutachten durch das Sachverständigenbüro J. D. eingeholt, das einen Verkehrswert von 258.000,00 € ermittelte. In Abteilung III des Grundbuchs ist eine Belastung eingetragen zu Gunsten der BHW Bank. Diese valutiert hinsichtlich der Vertragsnummer … zur Zeit in Höhe von 12.203,89 €, zum Vertrag Nr. … in Höhe von 2.123,82 €. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beteiligte zu Ziff. 3. als Nutznießerin des der Eintragung zugrunde liegenden Kreditvertrages diese Belastung zurückzuführen hat. Darüber hinaus hat sich die Beteiligte zu Ziff. 3. in Höhe von insgesamt noch 10.550,45 € an Nachlassverbindlichkeiten zu beteiligen. Die Erschienene zu Ziff. 3. hat die Absicht, gegen Abfindung aus der Erbengemeinschaft auszuscheiden.

§ 2 Ausscheidungsvereinbarung: 1. Die Erschienenen zu 1., 2. und 3. vereinbaren, dass die Erschienene zu Ziff. 3. zum Ablauf des 31.12.2012 aus der Erbengemeinschaft ausscheidet und an Gewinnen und Verlusten von zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens schwebenden Geschäften nicht partizipiert. 2. Die Erschienenen zu 1. und 2. schulden der Erschienenen zu 3. als Gegenleistung für das Ausscheiden der Erschienenen zu 3. aus der Erbengemeinschaft a) Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von insgesamt 53.949,55 €. Dieser Betrag ist zu zahlen 10 Tage nach Unterschriftsleistung unter diesen Vertrag an Rechtsanwalt … zu treuen Händen auf das Konto … mit der Auflage, dass zunächst die Kreditverbindlichkeiten der BHW, Vertrags-Nr. … in Höhe von derzeit 12.203,89 € und der Vertrags-Nr. … in Höhe von derzeit 2.123,83 € gezahlt werden und eine Löschungsbewilligung dieser Bank an die Beteiligte zu Ziff. 1 und Ziff. 2 übersandt wird. Erst nach Eingang dieser Löschungsbewilligung wird der Restbetrag an die Beteiligte zu Ziff. 3. ausgekehrt. b) Freistellung von allen Nachlassverbindlichkeiten im Außenverhältnis. Die Erschienenen zu 1. und 2. stellen die Erschienene zu Ziff. 3. in analoger Anwendung des § 739 BGB von jedweden Ausgleichsansprüchen in Bezug auf den Nachlass des Herrn R. D. frei.

§ 3 Grundbuchberichtigung: Die Vertragsteile beantragen die Berichtigung des Grundbuchs bezüglich des der Erbengemeinschaft verbleibenden Grundbesitzes in …, eingetragen im Grundbuch von … Gebäude- und Freifläche, Gartenland, Grünland in der … in einer Gesamtgröße von 4.095 qm im Grundbuch dahin, dass als Eigentümer nunmehr die Erschienenen zu 1. und 2. in Erbengemeinschaft eingetragen werden.

§ 4 Steuern: Die etwaige steuerliche Außenprüfung hat keine Wirkung auf die Höhe des Abfindungsanspruchs der Erschienenen zu 3.

§ 5 Erledigungserklärung: Mit Abschluss und Erfüllung dieser Vereinbarung sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Beteiligten zu 3. und der verbleibenden Erbengemeinschaft nach R. D., verstorben am …, bekannt oder nicht bekannt, aus welchem Rechtsgrund auch immer, erledigt. [… Unterschriften]”

Unter der UR-Nr. … beglaubigte die Notarin … in Hamburg am … die Unterschrift der Beteiligten zu 1). Am 10.01.2013 beglaubigte der Notar … unter der UR-Nr. … die Unterschriften der Beteiligten zu 2) und 3) und beantragte bei dem AG Herford – Grundbuchamt – unter Überreichung des Abschichtungsvertrages und der notariellen Unterschriftsbeglaubigungen u.a. die entsprechende Grundbuchberichtigung.

Mit Zwischenverfügung v. 15.01.2013 hat das AG beanstandet, die Abschichtungsvereinbarung bedürfe nach den Ausführungen im Handbuch zum Grundbuchrecht von Schöner/ Stöber (15. Aufl., Rn. 976b) der notariellen Beurkundung. Gegen diese Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerde. […]

II. Die Beschwerde ist gem. § 71 Abs. 1 GBO statthaft und insgesamt zulässig.

1. Die Beschwerde ist bereits aus formellen Gründen begründet, weil das Grundbuchamt grundbuchverfahrensrechtlich

Form bei Abschichtung – ErbR 2014 Ausgabe 2 – 78

eine Zwischenverfügung nicht hätte erlassen dürfen. Dieser Mangel allein führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung.

Nach gefestigter Rechtsprechung ist der Erlass einer Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO nur zulässig, wenn sie zur Behebung eines mit rückwirkender Kraft heilbaren Hindernisses dienen soll. Die Zwischenverfügung soll damit dem gestellten Eintragungsantrag zum Erfolg verhelfen und dient zugleich der Rangwahrung des noch nicht erledigten Antrags gegenüber später eingehenden weiteren Eintragungsanträgen (§ 18 Abs. 2 GBO). Hier hält das Grundbuchamt, wie die Bezugnahme auf die zitierte Literaturstelle zeigt, gerade eine rechtsändernde, formbedürftige Erbteilsübertragung für erforderlich, um die beantragte Eintragung vornehmen zu können. Ein noch vorzunehmendes Rechtsgeschäft rechtsändernden Charakters kann jedoch aus den genannten Gründen nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein.

2. Da die Beschwerde bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg hat, kann der Senat nur ohne Präjudiz darauf hinweisen, dass die erhobene Beanstandung auch in der Sache unbegründet ist.

Die Eintragung im Wege der Grundbuchberichtigung erfolgt auf Antrag gem. § 22 Abs. 1 GBO, wenn alle Betroffenen die Eintragung formgerecht bewilligen (§§ 19, 29 GBO) oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist.

Neben dem ordnungsgemäß gestellten Antrag (§ 13 GBO) liegt auch eine dem § 19 GBO entsprechende Eintragungsbewilligung vor. Unter § 3 des Abschichtungsvertrages haben sämtliche Miterben die Bewilligung der Eintragung erklärt. Ob die Bewilligungserklärung neben dem ausscheidenden Miterben auch von den übrigen Miterben erteilt werden muss (vgl. hierzu: OLG Zweibrücken, a.a.O.), kann deshalb dahinstehen. Die Erklärungen sind in der Form des § 29 GBO nachgewiesen, da die Unterschriften jeweils notariell beglaubigt wurden.

Wird die Grundbuchberichtigung aufgrund einer Bewilligung der Beteiligten zulässig beantragt, muss die Erklärung der Beteiligten sodann den Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs schlüssig darstellen. Das ist der Fall, denn aufgrund des vorgelegten Abschichtungsvertrages v. 20.12.2012/10.01.2013 ist die Beteiligte zu 1) rechtswirksam aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden.

3. Der von den Beteiligten geschlossen Abschichtungsvertrag unterliegt keinem Formerfordernis. Durch einen Abschichtungsvertrag scheidet ein Miterbe einvernehmlich, ggf. unter Vereinbarung einer Abfindung, aus der Erbengemeinschaft aus. Diese Vereinbarung stellt keine formgebundene Verfügung über den Erbteil i.S.d. § 2033 Abs. 1 Satz 1 u. 2 BGB, sondern eine bloße Aufgabe der Mitgliedschaftsrechte in der Erbengemeinschaft dar. Es fehlt an der das Formerfordernis auslösenden Rechtsübertragung. Obwohl der Nachlass im Wesentlichen aus einem Grundstück besteht, ergibt sich ein Formerfordernis auch nicht aus § 311b Abs. 1 BGB. Denn es liegt kein auf Übertragung oder Erwerb eines Grundstücks gerichtetes Verkehrsgeschäft i.S.d. Norm vor. Die Aufgabe der Mitgliedschaftsrechte bewirkt vielmehr, vergleichbar der Regelung des § 738 BGB, eine Anwachsung des Erbteils des Ausgeschiedenen bei den übrigen Miterben kraft Gesetzes (insgesamt: BGH, NJW 1998, 1557 f. [BGH 21.01.1998 – IV ZR 346/96]; ebenso: LG Köln, NJW 2003, 2993 f.). Einer Auflassung bedarf es also gerade nicht (OLG Zweibrücken, FamRZ 2012, 1333 f.).

Der Senat folgt dieser Linie der Rechtsprechung. Mögen im wissenschaftlichen Diskurs gegen die genannten Grundsatzentscheidung des BGH auch beachtliche Argumente vorgetragen werden (etwa in dem vom Grundbuchamt herangezogenen Handbuch zum Grundbuchrecht von Schöner/Stöber, 15. Aufl., Rn. 976b), so muss die Rechtsprechung darauf bedacht sein, die höchstrichterliche Entscheidung in der alltäglichen Praxis der Grundbuchämter umzusetzen, um im Interesse der Urkundsbeteiligten und der Beratungs- und Beurkundungspraxis der Notare eine einheitliche, inhaltlich verlässliche Handhabung der Grundbuchämter zu gewährleisten und gleichzeitig eine Verunsicherung zu vermeiden, die dadurch entsteht, dass ein einzelner Entscheidungsträger bei der alltäglichen Grundbuchpraxis seiner abweichenden persönlichen Auffassung den Vorrang einräumt und dadurch ein Rechtsmittel auslöst, das zu einer erheblichen Verzögerung der Erledigung des sachlichen Vorgangs führt.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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