OLG Hamm, Beschluss vom 25. April 2012 – I-5 U 20/12 Auftrag: Verteilung der Beweislast bei einer Verpflichtung zur Rechnungslegung

November 17, 2019

OLG Hamm, Beschluss vom 25. April 2012 – I-5 U 20/12
Auftrag: Verteilung der Beweislast bei einer Verpflichtung zur Rechnungslegung
Grundsätzlich hat der Beauftragte die Auftragsausführung im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, wenn er Rückerstattungsansprüche des Auftragsgebers nach § 667 BGB bestreitet. Dieser Grundsatz der Beweislastverteilung gilt aber nicht oder nur eingeschränkt, wenn der Auftraggeber seinen Anspruch auf Rechnungslegung im Sinne von § 666 BGB verloren hat, weil er ihn jahrelang nicht geltend gemacht hat und seine nachträgliche Erhebung gegen Treu und Glauben verstößt.
vorgehend LG Detmold, 23. Dezember 2011, 1 O 245/10
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers vom 26.01.2012 gegen das am 23.12.2011 verkündete Urteil der I. Zivilkammer des Landgerichts Detmold durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit, binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses zu der beabsichtigten Zurückweisung Stellung zu nehmen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.438,34 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Zudem ist die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls nicht geboten, § 522 Abs. 2 Nr. 2 – 4 ZPO.
Gem. § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Entscheidung des Landgerichts ist im Ergebnis zutreffend:
1. Seit Dezember 2008 ist der Kläger durch das Amtsgericht E (Az.: … … … …) für die Mutter beider Parteien, Hildegard Q (geb. am 05.01.1928), zum Betreuer bestellt worden. Der Aufgabenkreis der Betreuung umfasst u.a. alle Vermögensangelegenheiten.
Bis zur Einrichtung der Betreuung hatte der Beklagte die finanziellen Angelegenheiten der Mutter aufgrund einer nach dem Tode des Vaters der Parteien im Oktober 2004 erteilten Vollmacht wahrgenommen. In einem Zeitraum von Mitte Januar 2005 bis Anfang September 2008 hatte der Beklagte mittels der erteilten Vollmacht Barabhebungen von dem Girokonto der Mutter von ca. 47.000,00 € vorgenommen.
Die Parteien streiten über die Verwendung des Geldes.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe das abgehobene Geld jedenfalls teilweise für eigene Zwecke verwandt. Dies hat der Beklagte bestritten, aber eingeräumt, nicht mehr jede für die Mutter getätigte Ausgabe belegen zu können. Er habe nicht Buch geführt.
Nachdem der Kläger vorgerichtlich (vgl. Schreiben vom 13.10.2009 – Bl. 32 f.) noch eine Leistung des Beklagten auf das Betreuungskonto der Mutter von nicht unter 18.000,00 € forderte, hat er in erster Instanz eine Zahlung des Beklagten von 10.000,00 € auf das Betreuungskonto eingeklagt.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen X, C, T und I1 Q. Es hat die Klage sodann abgewiesen.
Der Kläger könne von dem Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Zahlung der 10.000,00 € verlangen. Insbesondere ergebe sich ein solcher Anspruch auch nicht aus § 667 BGB. Zwar habe sich der Beklagte selbst unnötig in Schwierigkeiten gebracht, weil er über die für seine Mutter getätigten Aufwendungen nicht Buch geführt habe. Aufgrund des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlung und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme sei das Gericht jedoch davon überzeugt, dass der Beklagte die von ihm unstreitig getätigten Barabhebungen vom Girokonto der Mutter in Höhe von 47.020,00 € ausschließlich für die Zwecke der Mutter verwendet habe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er verfolgt sein Zahlungsbegehren nunmehr in Höhe eines Betrages von 8.438,34 € nebst Zinsen weiter. Das Landgericht habe versucht, den Verbleib des vom Beklagten abgehobenen Geldes durch Schätzung zu klären, was jedoch nur teilweise gelungen sei. Dies müsse zu Lasten des Beklagten gehen, der darzulegen und zu beweisen habe, was er mit dem abgehobenen Geld gemacht habe.
2. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung auf das Betreuungskonto in irgendeiner Höhe. Ein Zahlungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus einem Auftragsverhältnis.
a) Zwar ist die vom Kläger angenommene Verteilung der Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich richtig. Danach hat der Beauftragte die Auftragsausführung im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, wenn er Rückerstattungsansprüche des Auftraggebers nach § 667 BGB bestreitet. Im Auftragsrecht ist anerkannt, dass der Beauftragte die ordnungsgemäße Ausführung des Auftrages zu beweisen hat. Er trägt insbesondere die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein ihm zur Ausführung des Auftrags zugewendeter Geldbetrag bestimmungsgemäß verwendet worden ist (vgl. BGH WM 1991, 514 f.; BGH NJW 1991, 1884 und BGH ZIP 1995, 1326 f.).
Dieser Grundsatz der Beweislastverteilung ist aber nicht ausnahmslos und unbegrenzt anwendbar. So gilt er in den Fällen nicht bzw. nur eingeschränkt, wenn der Auftraggeber seinen Anspruch auf Rechnungslegung im Sinne von § 666 BGB verloren hat, weil er ihn jahrelang nicht geltend gemacht hat und seine nachträgliche Erhebung gegen Treu und Glauben verstößt, § 242 BGB. In einem solchen Fall muss zunächst der Auftraggeber bzw. Berechtigte Tatsachen nachweisen, die geeignet sind, Zweifel an der Zuverlässigkeit des Auftragnehmers und seiner Geschäftsführung zu erwecken (vgl. BGH MDR 1963, 403 f.; Palandt-Sprau, 71. Aufl., § 666 BGB, Rdn. 1).
Im vorliegenden Fall hat weder die Mutter der Parteien – I Q – noch der Kläger in den Jahren 2005 bis 2008 vom Beklagten Rechenschaftslegung verlangt. Dieses Ansinnen ist erst durch anwaltliches Schreiben des Klägers vom 17.03.2009 (Bl. 14 ff.) an den Beklagten gerichtet worden, obgleich es wegen der „Dauergeschäftsführung“ des Beklagten nahegelegen hätte, periodisch (z.B. halbjährlich oder jährlich) Abrechnung zu verlangen. Des Weiteren ist zu bedenken, dass der Beklagte die finanziellen und auch sonstigen Angelegenheiten seiner Mutter unentgeltlich und nicht gewerbsmäßig betreute und aufgrund der engen Verwandtschaft ein ebenso tiefes Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeberin und Auftragnehmer vorlag. Zudem hätte die exakte und ausnahmslose Abrechnung aller Einnahmen und Ausgaben eine erhebliche Mühewaltung auf Seiten des Beklagten verursacht. Die vorbezeichneten Umstände mögen – auch in ihrer Gesamtheit – zwar nicht ausreichen, einen stillschweigenden Verzicht im Sinne von § 397 BGB von I Q auf eine laufende Rechnungslegung insgesamt anzunehmen (vgl. BGH NJW 2001, 1131 f.). Sie lassen jedoch eine Abrechnung von Beträgen in einer Größenordnung, wie sie nunmehr der Kläger vom Beklagten verlangt, als treuwidrig im Sinne von § 242 BGB erscheinen. Nachdem der Beklagte nämlich bereits vorgerichtlich wie auch in erster Instanz die Verwendung der von ihm abgehobenen Geldbeträge weitgehend dargelegt hat, geht es in der Berufungsinstanz noch um insgesamt 8.438,34 € (ca. 18 % von 47.020,00 €). Dieser Betrag geteilt durch die Anzahl der Monate, die der Beklagte die finanziellen Angelegenheiten seiner Mutter betreute (ca. 44 Monate), ergibt 191,78 €/Monat. Mithin geht es im Berufungsverfahren noch um einen durchschnittlichen Betrag in Höhe von ca. 192,00 €/Monat, dessen Verbleib der Beklagte aufklären soll, und zwar für einen Zeitraum, der mindestens vier bis sogar sieben Jahre zurückliegt. Darauf hat der Kläger unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) keinen Anspruch.
b) Anderes hätte ggf. gegolten, wenn der Kläger dem Beklagten hätte nachweisen können, einen nicht unerheblichen Betrag für eigene Zwecke verwandt zu haben. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Insoweit hilft dem Kläger auch nicht weiter, dass der Beklagte bereits im vorgerichtlichen Auskunftsschreiben vom 31.03.2009 (Bl. 16 ff.) eine monatliche Aufwandsentschädigung ab Sommer 2006 in Höhe von 100,00 € eingeräumt hat. Das Landgericht hat zwar eine Aufwandsentschädigung von lediglich 50,00 €/Monat für angemessen erachtet. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass unter Berücksichtigung des vom Beklagten in seiner Klageerwiderung (vgl. Bl. 58 ff.) im Einzelnen dargelegten Betreuungsaufwandes auch eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 100,00 €/Monat – nämlich ca. 10 Stunden á 10,00 € monatlich – angemessen erscheint.
c) Selbst wenn der vom Senat unter 2. a) geäußerten Rechtsauffassung nicht gefolgt wird, verbleibt es bei der landgerichtlichen Entscheidung.
Die Kammer hat über die vom Beklagten dargelegte Verwendung des Geldes Beweis erhoben. Sie ist nach gründlicher und nachvollziehbarer Würdigung der erhobenen Zeugenaussagen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte die vom Girokonto der Mutter im Zeitraum von Januar 2005 bis September 2008 unstreitig abgehobenen 47.020,00 € ausschließlich für Zwecke der Mutter verwandt hat. An dieser Feststellung ist der Senat gem. § 529 Abs. 1 ZPO gebunden. Der Kläger hat in seiner Berufungsbegründung keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erhobenen Feststellungen begründen und deshalb neue Feststellungen gebieten.
Insbesondere ist unrichtig, dass das Landgericht die Aussagen der Zeugen X, I1 und T Q hinsichtlich der bestrittenen Geldzuwendungen anlässlich von Geburtstagen, zu Weihnachten und für anstehende Urlaube nicht hinreichend berücksichtigt habe. Vielmehr hat das Landgericht in seinen Entscheidungsgründen darauf hingewiesen, dass die Angaben dieser Zeugen betreffend der Zuwendungen, die I Q an ihre Kinder, Schwiegerkinder und Enkelkinder tätigte, deutlich hinter den Beträgen zurückgeblieben sind, die der Kläger selbst in seiner Klageschrift als Geldgeschenke aufgeführt habe. Es seien – so das Landgericht – Belastungstendenzen zum Nachteil des Beklagten festzustellen gewesen.
Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung weiter behauptet, dass I Q ab Februar 2008 nicht mehr geraucht habe und daher der Verbleib von acht Monate á 243,00 €, insgesamt 1.944,00 €, ungeklärt sei, handelt es sich um neuen Vortrag, der gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen ist.
Zu den 1.294,34 €, deren Verbleib der Kläger in seiner Berufungsbegründung als „nicht geklärt“ bezeichnet, hat das Landgericht ausgeführt, dass es aufgrund des Gesamteindruckes, den es nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung und dem Ergebnis der Beweisaufnahme von der Person des Beklagten und seiner Ehefrau, der Zeugin Q, erlangt habe, davon überzeugt sei, dass dieser Betrag von dem Beklagten nicht für eigene Zwecke verwendet worden sei.
Nach allem hat die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg.
II.
Der Kläger erhält gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses zu der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung Stellung zu nehmen.
III.
Der Streitwert ergibt sich aus der Höhe der geltend gemachten Forderung im Berufungsantrag des Klägers.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Inhalt Rechtsmittelbelehrung im Hinblick auf § 52d FGO – Wiedereinsetzung in vorigen Stand Wechsel Prozessbevollmächtigten – BFH VI B 13/23

Februar 18, 2024
Inhalt Rechtsmittelbelehrung im Hinblick auf § 52d FGO – Wiedereinsetzung in vorigen Stand Wechsel Prozessbevollmächtigten – BFH VI B 13/23Zus…
blue and gray high rise building

(Teilweise) Aussetzung der Festsetzung oder Feststellung nach § 165 I 4 AO – BFH IV R 13/21

Februar 4, 2024
(Teilweise) Aussetzung der Festsetzung oder Feststellung nach § 165 I 4 AO – BFH IV R 13/21 – Urteil vom 30. November 2023,vorgehend FG Düss…
loving family laughing at table having cozy meal

BFH III R 40/22 – Kindergeld im Vereinigten Königreich vor dem Brexit

Februar 4, 2024
BFH III R 40/22 – Kindergeld im Vereinigten Königreich vor dem Brexit – Urteil vom 30. November 2023, Koordinierungsverfahrenvorgehend Finanz…