OLG Karlsruhe Beschluß vom 17.1.2020, 10 W 9/19

August 24, 2020

OLG Karlsruhe Beschluß vom 17.1.2020, 10 W 9/19

Wegfall des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit; Vorversterben des Beklagten; keine Kostentragung einer nicht-existenten Partei

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 18.06.2019 – 7 O 358/18 – zu Ziff. 1. (Kostenentscheidung) abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:

„1. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits findet keine Erstattung statt.“

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beschwerde betrifft die Kostenentscheidung nach Klagrücknahme.

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten zunächst außergerichtlich erbrechtliche Forderungen geltend. Die Beklagte verstarb am 12.08.2018. Noch danach wurde von Beklagtenseite mit zwei Anwaltsschreiben vom 24.09.2018 und 09.10.2018 namens der Beklagten – ohne Hinweis auf deren Versterben – inhaltlich zur Sache Stellung genommen und eine Teilzahlung geleistet, zugleich aber deutlich gemacht, dass außergerichtlich keine Bereitschaft zu weiterem Entgegenkommen bestehe.

Anschließend hat die Klägerin Klage erhoben, zunächst gerichtet auf Restzahlung, nach gerichtlichem Hinweis sodann auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Nach weiterem Hinweis auf das Vorversterben der Beklagten und die daraus folgende Unzulässigkeit der Klage hat die Klägerin die Rücknahme erklärt. Mit Beschluss vom 18.06.2019 hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits insgesamt der Klägerin auferlegt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Nachdem die Klägerin ihren ursprünglichen Hauptantrag, der auf eine vollständige Kostentragung der Beklagten gerichtet war, während des Beschwerdeverfahrens zurückgenommen hat, will sie mit der Beschwerde zuletzt nur noch erreichen, dass sie der Beklagten keine Kosten zu erstatten hat.

II.

In dem zuletzt verbliebenen Umfang hat die zulässige Beschwerde Erfolg. Die Kostenentscheidung für das Klageverfahren war gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nach billigem Ermessen zu treffen. Danach war hier von einer Kostenerstattung abzusehen.

1. Wird eine Klage zurückgenommen, sind im Regelfall dem Kläger die Kosten aufzuerlegen, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Davon abweichend ermöglicht § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO eine Ermessensentscheidung über die Kosten, wenn der Anlass zur Klageeinreichung vor Rechtshängigkeit weggefallen ist.

Von einem solchen Wegfall vor Rechtshängigkeit ist hier auszugehen. Wie bei der Erledigung nach Rechtshängigkeit (§ 91a ZPO) ist das nämlich auch dann zu bejahen, wenn eine Zulässigkeitsvoraussetzung entfällt (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 2007, 1166; KG MDR 2019, 653; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl., § 269 Rn. 59). So liegt es hier: Die Klage gegen eine natürliche Person wird mit deren Tod unzulässig (vgl. Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl., Vor § 50 Rn. 11 f. m.w.N.).

Das gilt auch dann, wenn der Wegfall – wie hier – nicht nur vor Rechtshängigkeit, sondern bereits vor Einreichung der Klage erfolgte, die Klägerseite vom Wegfall jedoch keine Kenntnis hatte (vgl. OLG Karlsruhe NJW 2012, 1373; KG a.a.O.).

2. Im Rahmen der danach zu treffenden Ermessensentscheidung erscheint es hier unbillig, der Klägerin die gesamten Kosten einschließlich der Anwaltskosten auf Beklagtenseite aufzuerlegen.

Zwar fällt es im Ausgangspunkt in die Risikosphäre eines Klägers, ob die von ihm in Anspruch genommene Beklagtenpartei tatsächlich existiert. Ist die von ihm verklagte Person zuvor verstorben, trägt er die Kosten des unzulässigen Klageverfahrens grundsätzlich auch dann zur Gänze, wenn er von dem Tod nichts wusste.
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Jedoch besteht hier die Besonderheit, dass noch nach dem Tod der Beklagten in ihrem Namen und ohne Hinweis auf das Versterben eine Teilzahlung geleistet, inhaltlich der Restforderung entgegengetreten und ausdrücklich ein weiteres außergerichtliches Entgegenkommen abgelehnt wurde. Dadurch musste bei der Klägerin der Eindruck entstehen, dass die Beklagte noch am Leben sei. In diesem Sinne durfte die Klägerin sich zu der Klage „veranlasst“ sehen, die sie anschließend im November 2018 erhoben hat (vgl. zur Obliegenheit, unverzüglich auf den Tod einer Partei hinzuweisen, auch OLG Düsseldorf BeckRS 2012, 05271).

3. Andererseits scheidet eine Kostentragung auf Beklagtenseite aus (und wird von der Beschwerde zuletzt auch nicht mehr geltend gemacht).

Dabei ist zunächst zu beachten, dass die Begründetheit der Klage erst im Hauptprozess zu prüfen gewesen wäre und hier insbesondere von der in tatsächlicher Hinsicht umstrittenen Höhe des Nachlasswerts abhing, so dass die Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 91a, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO allenfalls eine Kostenteilung hätte erreichen können.

Hier scheitert eine Kostentragung der Beklagten indes von vornherein daran, dass sie nicht mehr existiert. Ihr selbst können daher keine Kosten auferlegt werden; auch eine Vollstreckung gegen sie scheidet aus (vgl. insoweit OLG Hamm NJW-RR 1988, 1307, in Abgrenzung zu BGH NJW 1982, 238, jeweils zu erloschenen juristischen Personen). Soweit im Kostenverfahren ausnahmsweise – aus pragmatischen Gründen – die Existenz einer nicht-existenten Partei fingiert wird, beschränkt sich das auf Kostenentscheidungen zugunsten derjenigen Seite, die erfolgreich ihre Nicht-Existenz geltend gemacht hat (vgl. dazu BGH MDR 2004, 1134).

Soweit in Ausnahmefällen eine eigene Kostenhaftung von Prozessbevollmächtigten im Wege der Veranlasserhaftung in Betracht gezogen wird (vgl. BGHZ 121, 397; Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl., § 88 Rn. 11), scheidet ein solcher Ausnahmefall hier schon deshalb aus, weil die Prozessbevollmächtigten der Beklagtenseite unstreitig ebenfalls erst nach Rechtshängigkeit vom Tod der Beklagten erfahren, ihrerseits die Klageerhebung also nicht im oben genannten Sinn „veranlasst“ haben.

Inwieweit Dritte, bislang am Rechtsstreit nicht unmittelbar beteiligte Personen möglicherweise als Veranlasser haften (vgl. dazu OLGR Frankfurt 1996, 167), ist eine Frage des materiellen Rechts und wäre – wenn überhaupt – in einem eigenen Hauptsacheverfahren zu klären. Es liegt hingegen außerhalb des prozessualen Rahmens der Kostengrundentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO, solche Dritten und ihr Handeln erst zu ermitteln, um sie nachträglich in den hiesigen Prozess und die Kostenhaftung einzubeziehen.

4. Damit blieb nur, von einer Kostenerstattung für das Klageverfahren insgesamt abzusehen (vgl. im Ergebnis auch OLG Hamm NJW-RR 1988, 1307).

III.

Hinsichtlich der Kosten des hiesigen Beschwerdeverfahrens war nach §§ 91, 92, 516 Abs. 3 (analog) ZPO im Ergebnis ebenfalls von einer wechselseitigen Kostenerstattung abzusehen. Die ursprünglich auf eine volle Kostentragung der Beklagtenseite gerichtete Beschwerde wurde teilweise zurückgenommen und hatte nur hinsichtlich des verbliebenen Teils Erfolg.

Gesonderte Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren fallen nicht an. Gemäß Nr. 1812 KV-GKG entstehen Gerichtskosten nur im Fall einer (zumindest partiellen) Zurückweisung der Beschwerde, nicht hingegen – wie hier – im Fall einer (Teil-)Rücknahme.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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