OLG Koblenz 5 U 1116/10 Erbenhaftung für Erbschaftssteuerschulden

Januar 21, 2018

 

OLG Koblenz 5 U 1116/10

Erbenhaftung für Erbschaftssteuerschulden

 

Erbschaftssteuerschulden gehören nicht zu den Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB, sondern sind von jedem Erben persönlich zu tragen.

Tenor

  1. Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 24.08.2010, Az. 4 O 47/10, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

  1. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis 24.01.2011.

 

Gründe

1              Die Berufung hat aus den nachstehend dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg. Eine Entscheidung des Berufungsgerichtes nach § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO ist nicht erforderlich.

 

I.

 

2              Das Landgericht geht zu Recht davon aus, dass die Erbschaftssteuerschuld nicht an die Gesamtrechtsnachfolge, sondern am jeweiligen persönlichen Vermögenszuwachs anknüpft. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Landgerichtes Bezug genommen. Die dagegen erhobenen Angriffe der Berufung vermögen nicht zu überzeugen. Hierzu Folgendes:

 

3              1. Die Klägerin verkennt, dass es für Ihr Klagebegehren allein darauf ankommt, ob in der letztwilligen Verfügung des Erblassers der Wille zum Ausdruck kommt, dass die persönlichen Erbschaftssteuerschulden zunächst aus dem Nachlass beglichen werden.

 

4              Anders als die Berufung meint, stellt sich die Erbschaftssteuerschuld nach Auffassung des Senates nicht als Verbindlichkeit des Nachlasses aus § 1967 Abs. 2 BGB dar. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Erbschaftssteuer der Höhe nach an das persönliche Verwandtschaftsverhältnis des einzelnen Erben gegenüber dem Erblasser anknüpft (§ 15 ErbStG). § 20 Abs. 1 ErbStG regelt ausdrücklich, dass Steuerschuldner der Erwerber ist, nicht der Nachlass als Ganzes. § 20 Abs. 3 ErbStG begründet nur eine Mithaftung des Nachlasses bis zur Auseinandersetzung, was entbehrlich wäre, wenn es sich ohnehin um eine Nachlassverbindlichkeit handeln würde. Dementsprechend bestimmt auch § 10 Abs. 8 ErbStG, dass die Erbschaftssteuer nicht von dem für ihre Bestimmung maßgeblichen Nachlasswert in Abzug zu bringen ist. Der Erbe wird zwar in seiner Eigenschaft als Erbe belastet, jedoch haftet er nicht für die Erbschaftssteuerschuld anderer Erben (z.B. Pflichtteilsberechtigte). Aus diesem Umstand folgt, dass der Nachlass gerade nicht belastet mit der Erbschaftssteuerschuld auf den Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergeht, sondern dass die Entstehung der Steuerschuld individuell an jeden Erwerb durch einen Erbfall anknüpft und so folglich nicht zur Abwicklung des Nachlasses gehört. Für diese Sichtweise spricht auch die Tatsache, dass die Höhe der Erbschaftssteuerschuld nach dem ErbStG von dem Grad der verwandtschaftlichen Beziehungen abhängig gemacht wird, der individuell und erst nach der endgültigen Feststellung der Erben bestimmt werden kann.

 

5              Soweit sich aus der Entscheidung des BFH vom 28.04.1992 (VII R 33/91 unter Rz. 21 = NJW 1993, 350) etwas anderes ergibt, handelt es sich nur um eine nicht näher begründete Nebenbemerkung. In dem Fall des Bundesfinanzhofes waren nämlich nicht Erbschaftssteuerschulden betroffen, sondern nachträgliche Einkommensteuerverbindlichkeiten aus ererbtem Vermögen. In einer neueren Entscheidung vom 14.10.2009 (X R 29/08, zitiert nach juris) lässt der BFH die Frage ausdrücklich offen (Rz. 14). Die Entscheidung des OLG Naumburg vom 20.10.2006 (10 U 33/06 = FamRZ 2007, 1047) überzeugt den Senat nicht. Weshalb die an die verwandtschaftliche Nähe anknüpfende Höhe der Erbschaftssteuerschuld keine hinreichende Unterscheidung zwischen Nachlassverbindlichkeiten und persönlichen Verbindlichkeiten des Erben rechtfertigen soll, wird dort nicht begründet. Letztlich hat das Gericht die Frage aber auch nicht entschieden, sondern auf den letzten Willen des Erblassers abgestellt (Rz. 61 der Entscheidung). Das OLG Köln hat am 07.05.2001 (2 Wx 6/01 = MDR 2001, 1320) ausdrücklich nur für die kostenrechtliche Behandlung des Erbscheinsverfahrens ausgesprochen, dass die Erbschaftsteuerschuld vom Nachlasswert in Abzug zu bringen ist (Rz. 13). Die Kommentierung von Edenhofer zu § 1967 (in Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1967 Rn. 7) zitiert die Urteile lediglich, ohne selbst argumentativ Stellung zu nehmen. Die Kommentierung widerspricht dazu den Ausführungen zu § 2311 BGB (s.u.).

 

6              Mit dem OLG Hamm (MDR 1990, 1014 f. JurBüro 1990, 1502), dem OLG Frankfurt (v. 13.02.2003, 20 W 35/02, zitiert nach juris), dem BayObLG (NJW-​RR 2002, 1520), dem OLG Düsseldorf (v. 18.12.1998, 7 U 72/98 = FamRZ 1999, 1465) und der Literatur (Ehm in: jurisPK-​BGB, 5. Aufl. 2010, § 1967, Rn. 28 mit Fußnote 72); RGRK/Johannsen, BGB, 12. Auflage, § 1967 Rn. 16; Staudinger/Marotzke, BGB, Neubearbeitung 2002, § 1967 Rn. 33; Schallenberg/Rafiqpoor, InsO, 2. Auflage, § 325 Rn. 9; Söffing/Volkers/Weinmann, Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht, 1999, Stichwort „Nachlasssteuer“ Rn. 2) geht der Senat aus den dargelegten Gründen deshalb davon aus, dass die Erbschaftssteuerschulden nicht zu den Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB gehören, sondern von jedem Erben persönlich zu tragen sind. Entsprechend wird die Erbschaftssteuer auch nicht bei der Bestimmung des Nachlasswertes zur Berechnung des Pflichtteils in Abzug gebracht (vgl. nur Palandt-​Edenhofer, BGB, 70. Aufl. 2011, § 2311 Rn. 4).

 

7              2. Das Testament des Erblassers lässt den Willen, dass die persönlichen Erbschaftssteuerschulden zunächst aus dem Nachlass beglichen werden, nicht erkennen.

 

8              a) In der letztwilligen Verfügung wird nur von den Erbfallschulden gesprochen. Die Erbschaftssteuer wird nicht explizit erwähnt. Für die Auffassung, dass der Erblasser davon ausging, dass die Erbschaftsteuer zu den Erbfallschulden zählt, gibt die Urkunde nichts her.

 

9              Mit den Ausführungen unter Ziffer III. 6. der Berufungsbegründung a.E. konstruiert die Klägerin einen vermeintlichen Willen des Erblassers, der so keine Stütze im tatsächlichen Sachverhalt findet. Warum gerade die unter Ziffer 5 genannten Nacherben die Erbschaftssteuerverbindlichkeiten aller Erben tragen sollen, wird damit nicht erklärt. Die Klägerin hat dem Erblasser nicht näher als die übrigen Erben gestanden. Sollte die Auffassung der Klägerin zutreffen, dass der Erblasser die Situation tatsächlich und rechtlich genau kannte, hätte nichts näher gelegen als die Erbschaftssteuer ausdrücklich zu erwähnen.

 

10            Weitergehende Beweiserhebungen zum Erblasserwillen waren nicht angezeigt. Bis zum Testament vom 10.03.1995 war die Klägerin nach dem unstreitigen Vortrag nicht als Erbin vorgesehen. Dass der Erblasser sich zwischen dem Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung am 10.03.1995 und dem Erbfall am 11.04.1995 zu dem hier streitgegenständlichen Problem im Sinne der Klägerin geäußert hat, ist nicht dargelegt. Stellungnahmen seiner erst 2008 verstorbenen Ehefrau bleiben insoweit unerheblich, sprechen angesichts des vorgelegten Schreibens vom 28.03.2003 jedoch eher dafür, dass die Erbschaftssteuer von der Klägerin persönlich entrichtet werden sollte.

 

11            b) Die Behauptung, dass der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfall über weniger als 1 Mio. DM an geldwertem Vermögen verfügte, ist für die Entscheidung des Landgerichtes nicht tragend. Vielmehr stellt das Landgericht darauf ab, dass der Erblasser bei Abfassung seiner letztwilligen Verfügung nicht wissen konnte, wie hoch sein geldwertes Vermögen im Zeitpunkt des maßgeblichen letzten Erbfalles sein würde. Deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, dass er die Begleichung von Erbschaftssteuerschulden aus dem Nachlass als Teil seines letzten Willens verstanden haben wolle. Genau dieses Verständnis fordert die Klägerin auch mit ihrer Berufung ein (Ziffer III. 8 der Berufungsbegründung). Die Auffassung der Klägerin vermag den Willen des Erblassers auch für den Fall, dass das Barvermögen zum Ausgleich aller Erbschaftssteuerschulden nicht ausreicht, nicht zu erklären.

 

12            Ob die vom Landgericht als unstreitig behandelte Tatsache auch im Berufungsverfahren gemäß § 529 ZPO als unstreitig zu behandeln ist, weil ein Tatbestandsberichtigungsantrag in der Frist des § 320 ZPO nicht gestellt wurde, kann deshalb dahinstehen. Zum Tatbestand gehört auch das in den Entscheidungsgründen enthaltene tatsächliche Vorbringen (BGH NJW 1993, 1852, Rz. 13; BGH NJW 1994, 519, Rz. 29; Zöller-​Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 320 Rn. 4).

 

13            c) Nicht in Zweifel gezogen werden kann, dass der Erblasser der Klägerin eine Grundstücksparzelle zugewandt hat. Dass der Erblasser damit in jedem Fall die Parzelle selbst und nicht nur deren wirtschaftlichen Wert weitergeben wollte, ergibt sich aus der letztwilligen Verfügung nicht. Allein der Umstand der Zuweisung eines Grundbesitzes gibt dafür nichts her. Weder ist eine besondere Beziehung der Klägerin zu diesem Grundbesitz erkennbar, noch sonstige Anhaltspunkte, die für ihre Auslegung sprechen. Dass die Erinnerung der Klägerin an den Erblasser sich gerade in der Zuwendung des Grundstückes ausdrückt, ist zwar behauptet, durch Tatsachen aber nicht belegt. Nicht zwingend ist die Überlegung, dass eine Wertzuweisung allein durch die Zuwendung von Geld- oder Wertpapieren vorgenommen worden wäre.

 

14            3. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Landgericht liegt nicht vor. Die Klägerin war im Termin zur mündlichen Verhandlung vertreten, als der Beklagte durch das Gericht befragt wurde. Zu den Erklärungen konnte die Klägerin sich deshalb äußern, was sie ausweislich des Protokolls durch ihren Bevollmächtigten auch tat, indem sie den Vortrag bestritt. Im Anschluss daran wurden entsprechende Nachweisurkunden vorgelegt. Danach hat der Bevollmächtigte der Klägerin weder sein Bestreiten aufrecht erhalten, noch die Verspätung des Vortrages gerügt oder einen Schriftsatznachlass beantragt.

 

II.

 

15            Nach den vorstehenden Ausführungen bietet die Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Eine Entscheidung des Berufungsgerichtes ist nach Auffassung des Senates unter Berücksichtigung der in § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 ZPO genannten Gründe nicht erforderlich. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt der Senat die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

 

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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