OLG Köln, Beschl. v. 19.08.2014 – 2 Wx 208/14 Befangenheitsrüge im Erbscheinsverfahren

Juni 3, 2018

OLG Köln, Beschl. v. 19.08.2014 – 2 Wx 208/14

Befangenheitsrüge im Erbscheinsverfahren

(AG Düren, Beschl. v. 12.06.2014 – 80 VI 269/12)

Gründe:

  1. Der am 14.02.2012 verstorbene J.M.R. (im Folgenden: Erblasser) war ledig und kinderlos. Seine Eltern sowie sein Bruder H.-D.R. sind vorverstorben. Der Erblasser hatte zwei weitere Geschwister, die Beteiligte zu 2) und die Zeugin H.R. Sein vorverstorbener Bruder H.-D.R. hinterließ zwei Kinder, die Beteiligte zu 3) und Herrn D.R. Die Beteiligte zu 1) ist eine Tochter der Zeugin R.

Die Zeugin R. hat am 12.03.2012 beim AG Siegburg einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, der sie und die Beteiligte zu 2) zu je 1/3 sowie die Beteiligte zu 3) und Herrn D.R. zu je 1/6 als Erben ausweist. Dieser Antrag enthält u.a. folgende Erklärung: „Laut Aussage meines verstorbenen Bruders hatte er ein Testament verfasst, in dem u.a. meine Tochter K. S. geb. K. als Erbin eingesetzt war. Dieses Testament ist jedoch bis heute nicht aufgetaucht.“ Diesen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins v. 12.03.2012 hat die Zeugin mit Schreiben v. 08.05.2012 zurückgenommen.

Mit Anwaltsschreiben v. 30.04.2012 hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Alleinerbscheins aufgrund einer Verfügung von Todes wegen beantragt und vorgetragen, dass das Testament zwar nicht aufzufinden sei, es von der Zeugin R. aber im Jahr 2010 gesehen worden sei. Das Testament sei vom Erblasser handschriftlich mit blauem Kugelschreiber auf Büttenpapier gefertigt worden. Es habe Datum und Unterschrift aufgewiesen. Es sei mit „Mein Testament“ überschrieben gewesen. Sinngemäß habe es den Inhalt gehabt, dass „alleinige Erbin nach meinem Versterben meine Nichte, Frau K. S., werden solle“. Der Erblasser habe zudem bis zu seinem Tod geäußert, dass die Beteiligte zu 1) seine Erbin sei. Die Beteiligte zu 2) ist dem entgegengetreten und hat vorgetragen, dass ein Testament des Erblassers nicht existiert habe.

Der abgelehnte Richter des AG Düren hat die Beteiligten zu 1) und 2) angehört und aufgrund des Beweisbeschlusses v. 02.07.2012 die Zeuginnen H.R. und G.M. vernommen. Durch Beschluss v. 21.05.2013 hat er angekündigt, der Beteiligten zu 1) antragsgemäß einen Erbschein zu erteilen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, es sei davon überzeugt, dass der Erblasser ein Testament zugunsten seiner Nichte, der Beteiligten zu 1), verfasst habe, welches er bis zu seinem Tode nicht widerrufen habe. Der Nachweis sei durch die Aussage der Zeugin R. geführt.

Gegen den Beschluss des AG Düren v. 21.05.2013 hat die Beteiligte zu 2) am 11.06.2013 Beschwerde eingelegt und beantragt, diesen Beschluss aufzuheben und gemäß dem von der Zeugin R. am 12.03.2013 vor dem AG Siegburg gestellten Erbscheinsantrag zu entscheiden. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der abgelehnte Richter habe verfahrensfehlerhaft gehandelt, weil er die Rechtspflegerin, die den Erbscheinsantrag der Zeugin R. aufgenommen habe, und Herrn B. nicht als Zeugen vernommen und die Zeugin R. nicht vereidigt habe. Der Richter habe die Grundsätze der Beweiswürdigung verkannt und das rechtliche Gehör verletzt.

Durch Beschluss v. 23.09.2013 hat der abgelehnte Richter des AG Düren, nachdem er die Rechtspflegerin, die den Antrag der Zeugin R. v. 12.03.2012 aufgenommen hatte, angehört hat, der Beschwerde der Beteiligten zu 2) nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Köln zur Entscheidung vorgelegt.

Der Senat hat den Beschluss des AG Düren v. 21.05.2013 durch Beschluss v. 09.01.2014 aufgehoben und den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) v. 30.04.2012 zurückgewiesen, weil es an der notwendigen Versicherung an Eides statt fehle. Den erstmals mit der Beschwerde gestellten eigenen Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) hat der Senat als unzulässig verworfen.

Am 09.04.2014 hat die Beteiligte zu 1) zu Protokoll der Rechtspflegerin des AG Düren einen weiteren Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin nach dem Erblasser ausweist, gestellt und die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Durch Beschluss v. 14.04.2014 hat der abgelehnte Richter des AG Düren die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, die Erteilung des beantragten Erbscheins angekündigt und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses ausgesetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt:

„Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Beschlüsse des AG Düren v. 21.05. und 23.09.2013 sowie auf den Beschluss des OLG Köln v. 09.01.2014 verwiesen.

Der Unterzeichner bleibt bei seiner in o.g. amtsgerichtlichen Beschlüssen geäußerten Auffassung, dass die Aussage der Zeugin R. der Wahrheit entspricht. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass zwischen dem protokollierten Inhalt des Erbscheinsantrags v. 12.03.2012 und der Aussage der Zeugin R. vor dem AG Düren ein Widerspruch besteht. Dieser Widerspruch wurde bereits entsprechend gewürdigt. Das Gericht geht davon aus, dass ein Missverständnis zwischen der Zeugin R. und der Zeugin W. vorgelegen hat. Die Zeugin R. hat der Zeugin W. den Sachverhalt geschildert in der Hoffnung, insoweit einen Rat zu erhalten, den sie aber ganz offensichtlich nicht erhalten hat. Dies ergibt sich aus ihrem Schreiben an das AG Düren v. 29.03.2012, in dem sie ihre spätere Aussage anlässlich ihrer Vernehmung schriftlich niederlegte. Der letzte Satz lautet: „Ich möchte, dass ein Richter dafür sorgt, dass der letzte Wille meines Bruders durchgeführt wird.“ Dieser Wunsch ist Ausdruck des Umstands, dass sie bei der Rechtspflegerin nichts erreicht hatte. In diesem Schreiben hat sie auch ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie sich von ihrem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge distanziert. Berücksichtigt werden muss bei der Beurteilung der damaligen widersprüchlichen Handlungen und Erklärungen der Zeugin auch, dass ihr zum Zeitpunkt der Erbscheinsbeantragung nicht bekannt war, dass zur Erteilung eines Erbscheins aufgrund einer letztwilligen Verfügung, z.B. eines eigenhändigen Testaments, nicht zwingend das Testament vorgelegt werden muss. Dies erfuhr sie vielmehr erst später durch ihre Tochter, die Antragstellerin, die dies durch ihren Anwalt erfahren hatte. Es ist davon auszugehen, dass sie diese Erkenntnis in ihrem Streben bestärkte, die Erbfolge zugunsten ihrer Tochter durchzusetzen, und auch Ursache des o.g. Schreibens an das Gericht war. Obwohl die Zeugin von Beruf Bestatterin ist, glaubt ihr das Gericht, dass sie die genannte Rechtslage erst über den Anwalt ihrer Tochter erfuhr.“

Gegen diesen der Beteiligten zu 2) am 23.04.2014 zugestellten Beschluss v. 14.04.2014 hat sie mit Schriftsatz von demselben Tag, beim AG Düren am 24.04.2014 eingegangen, Beschwerde eingelegt und den mit der Entscheidung befassten Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie trägt vor, ihr sei vor der Entscheidung v. 14.04.2014 keine Gelegenheit zur Stellungnahme auf den Antrag v. 09.04.2014 gewährt worden, was nach den einschlägigen Verfahrensvorschriften und im Hinblick auf die höchst streifige Auseinandersetzung im vorangegangenen Erbscheinsverfahren jedoch zwingend gewesen wäre. Damit sei das Recht auf rechtliches Gehör in grober Weise verletzt worden. Die Entscheidung v. 14.04.2014 lasse jegliche Auseinandersetzung mit ihren Argumenten vermissen und verhalte sich dabei einseitig zugunsten der Antragstellerin. Das Gericht folge ohne jeden Anlass und ohne sie zuvor anzuhören der einseitigen Darstellung der Antragstellerin. Weiterhin seien die Schlussfolgerungen, die das Gericht in den Gründen der angegriffenen Entscheidung anstelle, alles andere als zwingend und beruhten z.T. erkennbar auf reinen Mutmaßungen des Richters. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Umstand, dass die Antragstellerin erst im Nachgang von der Möglichkeit erfahren habe, ein nicht vorhandenes Testament einem Gericht weismachen zu können, für und nicht, was zumindest ebenso nahe liege, gegen das Begehren der Antragstellerin sprechen soll. Der gesamte Zeit- und Verfahrensablauf und die Erklärungen der Antragstellerin und ihrer Mutter würden darauf hinweisen, dass die Kenntnisnahme von der Möglichkeit, auch ein nicht vorhandenes Testament einem Gericht plausibel machen zu können, erst Anlass dazu gewesen sei, die Existenz eines Testaments überhaupt zu behaupten. Es müsse weiterhin berücksichtigt werden, dass der zur Entscheidung berufene Richter vorliegend bereits im vorangehenden Verfahren erhebliche Verfahrensverstöße begangen und ohne Berücksichtigung der äußerst hohen Beweisanforderungen für den Beweis eines nicht vorhandenen Testaments dem damaligen Antrag der Antragstellerin ohne Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung stattgegeben habe. Bereits der Senat habe im letzten Absatz seiner Entscheidung v. 09.01.2014 nicht unerhebliche Zweifel im Hinblick auf das widersprüchliche Verhalten der Zeugin R. geäußert und bekräftigt, dass äußerst hohe Feststellungsanforderungen an den Nachweis eines körperlich nicht vorhandenen Testaments gestellt werden müssten. Diesen hohen Anforderungen werde die hier angegriffene Entscheidung ersichtlich in einer Weise nicht gerecht, dass gerade vor dem Hintergrund der bereits erteilten Hinweise des OLG von einer rein willkürlichen Entscheidungsfindung des befassten Richters ausgegangen werden müsse. Das Vorgehen des Richters entbehre im vorliegenden Fall einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage und entferne sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren, dass sich ihr der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdränge. Die vorliegenden groben Verletzungen von Verfahrensgrundrechten, mithin der schwere Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und auf ein willkürfreies Verfahren würden die Besorgnis der Befangenheit begründen.

In seiner dienstlichen Stellungnahme v. 28.04.2014 hat der abgelehnte Richter Dr. J. erklärt: „Ich fühle mich nicht befangen. Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass es nicht Sinn dieser dienstlichen Stellungnahme ist, auf die in o.g. Befangenheitsantrag gerügten Verfahrensfehler einzugehen. Dies muss einer Entscheidung in der Sache vorbehalten bleiben.“

Durch Beschluss v. 12.06.2014 hat das AG Düren das Ablehnungsgesuch der Beteiligten zu 2) v. 23.04.2014 betreffend den Richter am AG als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Besorgnis der Befangenheit eines Richters nicht darauf gestützt werden könne, dass die Entscheidung des Richters in der Sache für falsch gehalten werde. Auch wenn die von dem Richter geäußerte Rechtsansicht – mehr oder weniger zwangsläufig – für eine Partei ungünstig sei, könne eine Ablehnung sachlich nicht darauf gestützt werden. Dass ein Richter abweichende Rechtsauffassungen vertrete auch bezüglich des Verfahrens, müsse von jedem Beteiligten hingenommen werden. Das Ablehnungsrecht diene nicht dazu, vermeintlich oder tatsächlich fehlerhafte Entscheidungen zu korrigieren, es sei kein Instrument der Fehler- und Verfahrenskontrolle. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich das prozessuale Vorgehen des abgelehnten Richters so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt habe, dass sich für die betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung geradezu aufdränge. Hierfür spreche auch nicht, dass der abgelehnte Richter vor seiner Entscheidung v. 14.04.2014 der Beteiligten zu 2) kein rechtliches Gehör zu dem neuen Antrag der Beteiligten zu 1) v. 09.04.2014 gewährt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beteiligte zu 1) lediglich die eidesstattliche Versicherung nachgeholt; eine Änderung der Tatsachenlage, die die Gewährung rechtlichen Gehörs nahegelegt hätte, sei jedoch nicht eingetreten.

Gegen diesen der Beteiligten zu 2) am 21.06.2014 zugestellten Beschluss hat diese mit Schriftsatz v. 25.06.2014, beim AG Düren am 26.06.2014 eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, der angefochtene Beschluss behandele die Problematik der Befangenheit lediglich formelhaft, ohne sich inhaltlich vertieft mit den beigebrachten Argumenten auseinanderzusetzen. Z.T. werde das Vorbringen nur verkürzt wiedergegeben. So stützte sich die Beschwerde nicht nur auf die Verletzung der genannten wesentlichen Verfahrensgrundsätze, sondern insbesondere darauf, dass die Verletzung dieser Verfahrensgrundsätze sich auch negativ auf das Ergebnis ausgewirkt habe. Das AG definiere zwar weitgehend zutreffend die Tatbestände der Befangenheit, vergesse aber, die wiedergegebene Begründung des abgelehnten Richters an den aufgestellten Maßstäben zu messen. Die Begründung des abgelehnten Richters lasse überhaupt nicht erkennen, dass umfangreicher Vortrag vorgelegen habe, der den dort wiedergegebenen Mutmaßungen und anderen Annahmen des Richters über das Innenleben der Zeugin R. entgegenstehe und dass weitere Aufklärungen möglich gewesen seien. Es sei angezeigt gewesen, sie, die Beschwerdeführerin, nochmals zu dem widerstreitenden Vortrag anzuhören und gegebenenfalls unter Eid zu nehmen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass umgehend nach Vorliegen der eidesstattlichen Versicherung der Beteiligten zu 1) und vor nochmaliger Anhörung von ihr, der Beteiligten zu 2), ohne weitere Amtsermittlungen eine Sachentscheidung abgesetzt worden sei. Dabei ergebe sich aus der Gerichtsakte einiges, das für ihre Version spreche. Auch die Zeugin R. hätte nochmals ausdrücklich vernommen werden müssen. Die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters lasse keine inhaltliche Befassung mit der Sache erkennen und spreche ihrerseits dafür, dass er befangen sei. Der Richter verweise in seiner dienstlichen Stellungnahme lediglich auf sein persönliches Gefühl, nicht befangen zu sein. Dass er sich vorliegend nicht befangen fühle, könne zutreffen. Es sei aber von einem Richter nach einem Befangenheitsgesuch zu erwarten, dass er versuche, sich in die Lage des Antragstellers zu versetzen und nachzuforschen, ob sein Verhalten gegebenenfalls Anlass zu einer Befangenheitsrüge gegeben haben könnte. Unabhängig davon, wie dann die Antwort ausfällt, müsse einem Richter möglich sein, eine gewisse Distanz zu seiner eigenen Person zu entwickeln. Dem werde die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters nicht gerecht. Es gehe im Übrigen nicht darum, eine fehlerhafte Entscheidung des Richters zu korrigieren. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeschrift v. 25.06.2014 verwiesen.

Das AG Düren hat der sofortigen Beschwerde der Beteiligten zu 2) v. 25.06.2014 durch Beschluss v. 15.07.2014 nicht abgeholfen und die sofortige Beschwerde dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

  1. 1. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG Düren v. 12.06.2014, durch den das Ablehnungsgesuch der Beteiligten zu 2) gegen den Richter am AG abgelehnt worden ist, ist gem. §§ 6 Abs. 2 FamFG, 567 bis 572 ZPO zulässig, insbesondere in rechter Form und Frist eingelegt worden. Der sofortigen Beschwerde fehlt auch im Hinblick auf die mit dem Befangenheitsantrag zugleich eingelegten Beschwerde in der Sache selbst nicht das Rechtsschutzinteresse, da bislang noch die Entscheidung des AG über die Abhilfe der Beschwerde in der Sache selbst aussteht.

Über die sofortige Beschwerde entscheidet gem. §§ 6 Abs. 2 FamFG, 568 Satz 1 ZPO der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, da auch die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter getroffen worden ist.

  1. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am AG ist begründet.

Ein Ablehnungsgrund gem. §§ 6 Abs. 2, 42 Abs. 2 ZPO liegt vor. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit findet nach § 42 Abs. 2 ZPO dann statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Hierfür ausreichend, aber auch erforderlich ist nach allgemeiner Auffassung und insbesondere st. Rspr. ein Sachverhalt, der aus der Sicht des Ablehnenden, wobei der Maßstab einer verständigen Prozesspartei zugrunde zu legen ist, bei Würdigung aller Umstände berechtigten Anlass gibt, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln (BVerfG, Beschl. v. 16.02.1995 – 2 BvR 1852/94, BVerfGE 92, 138 (139); BGH, Beschl. v. 21.02.2011 – II ZB 2/10, NJW 2011, 1538; BayObLG, Beschl. v. 24.02.1999 – 2Z BR 18/99, NJW 1999, 1875; Senat, Beschl. v. 30.12.2008 – 2 W 127/08, JMBI. NW 2009, 89 ff.; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 42 Rn. 5; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 42 Rn. 9; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2011, § 42, Rn. 9; jeweils m.w.N.). Rein subjektive unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden bleiben dabei – unabhängig davon, ob er sie tatsächlich hegt oder nur vorschützt – außer Betracht (BayObLG, Beschl. v. 03.07.1986 – 3 Z 26/86, BayObLGZ 1986, 249 (252); Senat, Beschl. v. 30.12.2008 – 2 W 127/08, JMBI. NW 2009, 89 ff.; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 42 Rn. 6).

Darauf, wie der Richter die Sach- und Rechtslage beurteilt, kann ein Ablehnungsgesuch grds. nicht gestützt werden. Dass ein Richter eine von der Auffassung der Partei abweichende Rechtsansicht, auch zur Gestaltung des Verfahrens, vertritt und sie seiner Verfahrensführung zugrunde legt, muss von der Partei hingenommen werden. Die Überprüfung der Richtigkeit einer Entscheidung sowie des zu ihr führenden Verfahrens ist deshalb grds. einem Rechtsmittel in der Sache selbst vorbehalten. Das Ablehnungsverfahren ist weder dazu bestimmt noch geeignet, die Rechtsauffassung des Richters zur Überprüfung durch andere mit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch befasste Richter zu stellen; es ist kein Instrument zur Fehler- oder Verfahrenskontrolle (BAG, Beschl. v. 29.10.1992 – 5 AZR 377/92, NJW 1993, 879; KG, Beschl. v. 21.08.1998 – 28 W 6180/98, KGR Berlin 1998, 359; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 42 Rn. 10 m.w.N.).

Auch tatsächliche oder behauptete Verfahrensfehler, die einem Richter bei der Verfahrensleitung unterlaufen, sind deshalb grds. kein Ablehnungsgrund. Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich das prozessuale Verhalten des Richters so sehr von der normalerweise geübten Verfahrensweise entfernt, dass sich der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung einer Partei geradezu aufdrängt (BayObLG, Beschl. v. 09.02.1998 – 1Z BR 10/98, NJW-FER 1996, 256; Senat, Beschl. v. 30.12.2008 – 2 W 127/08, JMBI. NW 2009, 89 ff.; KG, Beschl. v. 12.04.2004 – 15 W 2/04, NJW 2004, 2104, 2105 [KG Berlin 12.04.2004 – 15 W 2/04]; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 26.11.1999 – 13 W 66/99, OLGR Frankfurt 2000, 36; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 42 Rn. 11 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Es liegen verschiedene Verfahrensfehler vor, die sich jeweils zum Nachteil der Beschwerdeführerin ausgewirkt haben.

So hat der Senat bereits den Beschluss des abgelehnten Richters v. 21.05.2013 durch Beschluss v. 09.01.2014 aufgehoben, weil bei dem Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins v. 30.04.2012 die gem. § 2256 BGB notwendige eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin gefehlt hatte. Auf die fehlende eidesstattliche Versicherung hatte das AG zuvor auch hingewiesen. Damit, dass der abgelehnte Richter nach höchst streitiger Verhandlung zwischen den Beteiligten am 21.05.2013 in der Sache entscheiden würde, ohne die eidesstattliche Versicherung der Beteiligten zu 1) nachzufordern, musste die Beschwerdeführerin damals daher nicht rechnen. Dieser Verfahrensfehler allein spricht allerdings noch nicht für eine Voreingenommenheit des abgelehnten Richters gegenüber der Beteiligten zu 2). Es sprach auch aus der Sicht der Beschwerdeführerin damals vielmehr einiges dafür, dass das Fehlen der eidesstattlichen Versicherung zum damaligen Zeitpunkt von allen Beteiligten entweder übersehen oder im Hinblick auf die bereits erfolgten Anhörungen der Beteiligten und die durchgeführte Beweisaufnahme nicht mehr für erforderlich erachtet worden ist.

Der abgelehnte Richter hat indes das Recht der Beteiligten zu 2) auf Gewährung rechtlichen Gehörs und damit Verfahrensvorschriften erneut zum Nachteil der Beschwerdeführerin dadurch verletzt, dass er über den neuerlichen nunmehr formgerechten Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins v. 09.04.2014 durch Beschluss v. 14.04.2014 antragsgemäß entschieden hat, ohne der Beschwerdeführerin zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren. Die Beschwerdeführerin wusste zum Zeitpunkt der Entscheidung des abgelehnten Richters am 14.04.2014 nicht einmal davon, dass nunmehr ein formgerechter Antrag der Beteiligten zu 1) vorlag. Dadurch drängt sich der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung der Beteiligten zu 2) auf. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs stellt einen erheblichen Verfahrensverstoß dar, der grds. geeignet ist, einen Ablehnungsgrund zu begründen. Es handelt sich auch um einen erheblichen Verfahrensverstoß, der über das übliche Maß hinausgeht. Denn in gerichtlichen Verfahren wird von Ausnahmen (z.B. einstweiliger Rechtsschutz oder Vollstreckung) abgesehen, die hier nicht vorliegen, grds. nicht über Anträge entschieden, ehe sie nicht den Beteiligten zur Kenntnis gebracht worden sind und ihnen die Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden ist. Hier kann auch nicht wie in dem zuvor beschriebenen ersten Fall eines Verfahrensfehlers des abgelehnten Richters von einem Versehen ausgegangen werden. Hiergegen spricht bereits der zeitliche Ablauf. Denn über den am 09.04.2014 gestellten Antrag ist bereits am 14.04.2014 entschieden worden. Eine solche Vorgehensweise kann auch nicht damit entschuldigt werden, dass das Verfahren aus der Sicht des abgelehnten Richters ausermittelt war. Die Angelegenheit ist zwischen den Beteiligten, die miteinander verwandt sind, höchst umstritten. Es ist vom Nachlassgericht schon umfangreich ermittelt worden. Unter solchen Umständen ist es für einen Richter in besonderem Maße geboten, das Verfahren fair zu gestalten und die Einhaltung von Verfahrensvorschriften genau zu beachten, insbesondere den Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu beachten, um den Eindruck zu vermeiden, einen der Beteiligten verfahrensmäßig zu begünstigen.

Ob der Richter am AG tatsächlich befangen ist und ob er sich befangen fühlt, ist unerheblich. Es kommt allein darauf an, dass sich aus der Sicht der Beschwerdeführerin der Eindruck aufgedrängt hat, der Richter sei voreingenommen. Davon ist hier aus vorgenannten Gründen auszugehen.

III. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht.

 

Schlagworte

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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