OLG Köln, Beschl. v. 25.09.2015 – 2 Wx 191/15 Verspätete Anmeldung im Aufgebotsverfahren (AG Köln, Beschl. v. 16.03.2015 – 378 II 122/14)

Oktober 8, 2018

OLG Köln, Beschl. v. 25.09.2015 – 2 Wx 191/15

Verspätete Anmeldung im Aufgebotsverfahren

(AG Köln, Beschl. v. 16.03.2015 – 378 II 122/14)

Gründe:

Der Beteiligte zu 1. ist der Sohn und Alleinerbe des mit Beschl. des AG Köln v. 18.12.2013 – 378 II 90/13 – rechtkräftig zum 31.12.1990 für tot erklärten Herrn O. F. A. S. (im Folgenden: Erblasser). Mit Schriftsätzen seiner Verfahrensbevollmächtigten v. 25.07.2014 und 01.10.2014 beantragte er, das Aufgebotsverfahren nach §§ 1970 ff. BGB über den Nachlass des Erblassers durchzuführen. Als Nachlassgläubiger sei ihm lediglich die Beteiligte zu 2. bekannt, die aufgrund einer Weiterzahlung der Rente nach dem Tode des Erblassers im Zeitraum 01.01.1991 bis 30.09.2011 die Rückzahlung von 386.352,42 € beanspruche.

Das Amtsgericht hat mit Aufgebot v. 03.11.2014 die Nachlassgläubiger aufgefordert, ihre Forderungen gegen den Nachlass bis spätestens 12.03.2015 anzumelden. Das Aufgebot wurde am 13.11.2014 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht und in der Zeit vom 10.11.2014 bis 12.12.2014 an der Gerichtstafel zum Aushang gebracht. Nachdem innerhalb der Aufgebotsfrist lediglich die Beteiligte zu 2. die oben angesprochene Forderung über 386.352,42 € angemeldet hatte, hat das Amtsgericht mit Ausschließungsbeschl. v. 16.03.2015, erlassen am 23.03.2015, der Beteiligten zu 2. die angemeldete Forderung vorbehalten und die weiteren Nachlassgläubiger ausgeschlossen. Der Beschluss wurde in der Zeit vom 10.04.2015 bis 18.05.2015 an der Gerichtstafel ausgehängt.

Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten v. 10.06.2015, bei Gericht am selben Tage eingegangen, meldeten sich die Beteiligten zu 3. beim AG Köln unter Angabe des Az. 378 II 122/14 zum Aufgebotsverfahren und teilten mit, dass sie in ihrer Eigenschaft als Vermieter der ursprünglich vom Erblasser angemieteten Wohnung von der Beteiligten zu 2. zur Rückzahlung von 25.909,22 € (vereinnahmte Mieten von Januar 2003 bis November 2010) aufgefordert worden seien. Sofern dieser Anspruch berechtigt sein sollte, bestehe ein Rückgriffsanspruch gegen den Beteiligten zu 1.; vor diesem Hintergrund werde beantragt, „einen eventuellen Antrag auf Haftungsbeschränkung abzuweisen.” Zugleich werde der von der Beteiligten zu 2. ihnen gegenüber geltend gemachte Rückforderungsbetrag als Regressforderung angemeldet. Mit weiterem Schriftsatz v. 02.07.2015 haben die Beteiligten zu 3. auf entsprechenden Hinweis des Amtsgerichts mitgeteilt, dass ihr Schriftsatz v. 10.06.2015 als „sofortige Beschwerde” gegen den Ausschließungsbeschl. v. 16.03.2015 zu werten sei; hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das laufende Aufgebotsverfahren sei ihnen zunächst unbekannt gewesen, einen Hinweis hierauf hätten sie erstmals im Rahmen einer ihnen von der Beteiligten zu 2. gewährten teilweisen Akteneinsicht erhalten.

Das AG hat der Beschwerde der Beteiligen zu 3. mit Beschl. v. 13.07.2015, erlassen am 15.07.2015, nicht abgeholfen, den hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der als Anmeldung zu deutende Antrag v. 10.06.2015 sei verspätet. Die angemeldete Forderung existiere auch derzeit noch nicht; im Falle ihrer späteren Entstehung richte sie sich aber auch nicht gegen den Nachlass, sondern gegen den Beteiligten zu 1. persönlich.

1. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 3.) ist als Beschwerde gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegt.

a) Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beteiligten zu 3. schon mit ihrem Schriftsatz v. 10.06.2015 Beschwerde gegen den – ihnen damals noch nicht positiv bekannten – Ausschließungsbeschl. v. 16.03.2015 eingelegt haben. Dem Schriftsatz ist mit der notwendigen Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Beteiligten zu 3. nicht nur einer etwaigen Beschränkung der Haftung des Beteiligten zu 1. auf den Nachlass widersprochen haben, sondern auch gegen eine etwa bereits vorliegende gerichtliche Entscheidung, die eine solche Haftungsbeschränkung zur Folge hätte, den zulässigen Rechtsbehelf einlegen wollten. Diese Auslegung, die auch durch die im Schriftsatz v. 10.06.2015 geschilderte Interessenlage gestützt wird, haben die Beteiligten zu 3. im Schriftsatz v. 02.07.2015 noch einmal ausdrücklich bestätigt.

b) Die in 63 Abs. 1 FamFG normierte Beschwerdefrist ist gewahrt. Der angefochtene Ausschließungsbeschluss ist am 10.04.2015 zum Zwecke der öffentlichen Zustellung an die Gerichtstafel geheftet worden, so dass er gem. § 441 FamFG i.V.m. § 188 ZPO mit Ablauf des 10.05.2015 als zugestellt galt. Die am 10.06.2015 eingelegte Beschwerde ist deshalb noch als rechtzeitig anzusehen, ohne dass es insoweit der von den Beteiligten zu 3. hilfsweise beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedurfte.

c) Die Beteiligten zu 3. sind auch i.S.d. 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt. Der angefochtene Ausschließungsbeschluss beeinträchtigt sie in ihren Rechten, weil sie durch die darin ausgesprochene Ausschließung der nicht vorbehaltenen Nachlassforderungen mit Erschwernissen bei der Durchsetzung der von ihnen behaupteten Forderung rechnen müssen.

Gem. § 1970 BGB können die Nachlassgläubiger im Wege des Aufgebotsverfahrens zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert werden. Die Befriedigung eines danach ausgeschlossenen Nachlassgläubigers kann der Erbe sodann grds. insoweit verweigern, als der Nachlass durch die Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger erschöpft wird (§ 1973 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. zu den Wirkungen des Aufgebotsverfahrens im Übrigen Keidel/Zimmermann a.a.O., § 454 Rn. 2). Die Beteiligten zu 3. haben allerdings nicht ganz deutlich gemacht, auf welche rechtlichen Erwägungen sie die Annahme stützen, der Beteiligte zu 1. sei ihnen im Falle ihrer eigenen Inanspruchnahme durch die Beteiligte zu 2. zur Erstattung verpflichtet. Dies gilt insbes. deshalb, weil sie ihre ursprüngliche Darstellung zur Rolle des Beteiligten zu 1. bei der Vereinnahmung der Renten nachträglich modifiziert haben. Dementsprechend ist nicht eindeutig, ob die Beteiligten zu 3. eine etwaige Forderung – die sie selbst als „Regressforderung” bezeichnen – auf eigenes (deliktisches) Verhalten des Beteiligten zu 1., auf einen möglichen Ausgleich unter mehreren Schuldnern i.S.v. § 118 Abs. 4 SGB VI oder aber allein auf seine Stellung als Erbe des ursprünglichen Mieters (§§ 1922, 1967 BGB) stützen wollen. Erst recht ist auf der Grundlage des Vortrages der Beteiligten zu 3. nicht abschließend zu klären, ob der Beteiligte zu 1. nicht ohnehin persönlich für die verfahrensgegenständliche Forderung haften würde, ohne sich auf die für den Erben vorgesehenen Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung berufen zu können.

Diese Fragen können aber letztlich dahinstehen, weil das Aufgebotsverfahren nicht der Klärung streitiger Rechtsverhältnisse dient. Für die Beschwerdeberechtigung muss es vielmehr – ebenso wie für die Forderungsanmeldung nach § 459 FamFG – ausreichen, dass der Anmeldende für den Fall der Ausschließung seiner Forderung ernsthaft mit Rechtsnachteilen zu rechnen hat. Dies ist vorliegend jedenfalls insoweit der Fall, als die Beteiligten zu 3. einen Anspruch möglicherweise auch darauf stützen könnten, dass der ursprünglich mit dem Erblasser begründete Mietzinsanspruch mangels Erfüllung fortbesteht (§§ 535 Abs. 2, 1922, 1967 BGB; vgl. zur mangelnden Erfüllungswirkung von Zahlungen, die der Gläubiger nicht behalten darf, BGH, WM 2008, 1703 [BGH 27.06.2008 – V ZR 83/07]). Da auch eine nach dem Erbfall fällig gewordene Miete eine reine Nachlassverbindlichkeiten sein kann (vgl. BGH, NJW 2013, 933, 934 [BGH 23.01.2013 – VIII ZR 68/12]), müssten die Beteiligten zu 3. damit rechnen, dass der Beteiligte zu 1. sich in einem etwaigen gerichtlichen Verfahren mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkung § 1973 BGB beruft. Dies gilt umso mehr, als der Erblasser zwar mit Wirkung zum 31.12.1990 für tot erklärt worden ist; die Todeserklärung selbst aber erst im Jahre 2013 erfolgte.

Schließlich steht es der Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 3. auch nicht entgegen, dass sie selbst bisher noch keine Zahlungen an die Beteiligte zu 2. erbracht haben. Unabhängig von der Frage, ob es hierauf für einen Anspruch gegen den Beteiligten zu 1. überhaupt ankäme, richtet sich nämlich die öffentliche Aufforderung an alle Nachlassgläubiger; ob ihre Forderung fällig, betagt, bedingt oder sogar rechtsbedingt ist, ist unerheblich (vgl. Erman/Horn, BGB, 14. Aufl. 2014, § 1970 Rn. 1; Staudinger/Marotzke, BGB, Neubearb. 2010, § 1970 Rn. 13).

Die nach all dem zulässige Beschwerde, mit der die Beteiligten zu 3. sich gegen den Ausschluss ihrer Forderung im Aufgebotsverfahren wenden, ist aber unbegründet, weil sie die in § 438 FamFG normierte Anmeldefrist versäumt haben.

a) Nach dieser Vorschrift ist – auch – eine Anmeldung als rechtzeitig anzusehen, die nach dem Anmeldezeitpunkt, jedoch vor dem Erlass des Ausschließungsbeschlusses erfolgt. Nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut kommt es also für die Rechtzeitigkeit der Anmeldung – anders als gem. 439 Abs. 2 FamFG für die Ausschließungswirkung selbst – nicht auf die Rechtskraft des Ausschließungsbeschlusses an (so allerdings MünchKomm-FamFG/Eickmann, 2. Aufl. 2013, § 438 Rn. 5), sondern darauf, wann der fertig abgefasste und unterschriebene Beschluss nach Maßgabe des § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG an die Geschäftsstelle übergeben oder durch Verlesen der Beschlussformel bekannt gegeben worden ist (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2012, 841 [OLG Düsseldorf 24.01.2012 – I-3 Wx 301/11]; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 438 Rn. 4; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Aufl. 2015, § 438 Rn. 1). Nach diesem Maßstab ist der formell ordnungsgemäß zustande gekommene Ausschließungsbeschluss rechtmäßig ergangen, weil er bereits am 23.03.2015 erlassen wurde, die Beteiligten zu 3. ihre Forderung aber erst am 10.06.2015 beim Amtsgericht angemeldet haben.

b) Den Beteiligten zu 3. kann in Bezug auf die Versäumung der Anmeldefrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

aa) Allerdings finden gem. 439 Abs. 4 Satz 1 FamFG auf den Ausschließungsbeschluss in Aufgebotssachen die Vorschriften über die Wiedereinsetzung mit der Maßgabe Anwendung, dass die Frist, nach deren Ablauf die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder bewilligt werden kann, abweichend von § 18 Abs. 3 FamFG fünf Jahre beträgt. Diese Regelung betrifft jedenfalls in erster Linie die hier nicht maßgebliche Frage, unter welchen Voraussetzungen die Versäumung der Frist zur Beschwerde gegen den Ausschließungsbeschluss durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand überwunden werden kann (diese Frist haben die Beteiligten zu 3. gewahrt). Die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum hält allerdings auch eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 438 FamFG für möglich (OLG Hamm, FGPrax 2014, 136 [OLG Hamm 27.12.2013 – 15 W 299/12]; OLG München, Beschl. v. 26.08.2015 – 34 Wx 247/15 –, juris Rn. 11; Keidel/Zimmermann a.a.O., § 439 Rn. 9.; MünchKomm-FamFG/Eickmann a.a.O., § 439 Rn. 8; Bumiller/Harders/Schwamb a.a.O., § 438 Rn. 1; Bahrenfuss/Waldner, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 439 Rn. 6), lediglich vereinzelt wird dies als „zweifelhaft” bezeichnet (so etwa OLG Düsseldorf, NJW-RR 2012, 841 [842]; Prütting/Helms/Holzer, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 439 Rn. 10). Auf dieser Grundlage könnte den Beteiligten zu 3. dann auch Wiedereinsetzung in die von ihnen versäumte Anmeldefrist des § 438 FamFG gewährt werden.

bb) Der Senat vermag sich der herrschenden Meinung aber aus den nachfolgenden Erwägungen nicht anzuschließen.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Vertreter der oben geschilderten Ansicht eine nähere Begründung für ihre Auffassung schuldig bleiben. Sofern überhaupt eine Begründung gegeben wird, wird auf den Wortlaut des § 439 Abs. 4 Satz 1 FamFG verwiesen; zu den dort angesprochenen „gesetzlichen Fristen” i.S.d. § 17 Abs. 1 FamFG gehöre auch diejenige des § 438 FamFG (so etwa Keidel/Zimmermann a.a.O., § 439 Rn. 9). Hieraus lässt aber schon deshalb nichts Entscheidendes herleiten, weil § 439 Abs. 4 Satz 1 FamFG seinem Wortlaut nach nur die in § 18 Abs. 4 FamFG normierte Ausschlussfrist verlängert (soweit die Vorschrift auf § 18 Abs. 3 FamFG Bezug nimmt, handelt es sich um ein Redaktionsversehen, vgl. etwa Zöller/Geimer a.a.O., § 439 FamFG Rn.7); eine weitergehende Wirkung kann der Senat dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen.

Darüber hinaus ist aber auch in anderem Zusammenhang anerkannt, dass materiell-rechtliche (Ausschluss-)Fristen grds. nicht unter den Begriff der gesetzlichen Frist in § 17 Abs. 1 FamFG fallen (vgl. etwa BayObLG, FGPrax 2004, 77 [BayObLG 04.02.2004 – 3 Z BR 270/03]; Keidel/Sternal a.a.O., § 17 Rn. 5); auch ist anerkannt, dass die Versäumung einer gerichtlich gesetzten Frist einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grds. nicht zugänglich ist (vgl. hierzu sowie zu einzelnen Ausnahmen Keidel/Sternal a.a.O., § 17 Rn. 6 f.). So liegt der Fall auch hier. Die Frist zur Anmeldung von Nachlassforderungen ergibt sich nicht aus dem Gesetz; sie bedarf vielmehr – in dem durch die §§ 437, 458 Abs. 2 FamFG gesteckten Rahmen – der gerichtlichen Bestimmung. Darüber hinaus hat die Versäumung auch nicht etwa den Ausschluss mit einer Prozesshandlung zur Folge, sondern führt zu materiell-rechtlichen Einschränkungen bei der Durchsetzung der betroffenen Nachlassforderung (§ 1973 BGB).

Auch den Gesetzesmaterialien ist für die herrschende Auffassung nichts zu entnehmen. So heißt es etwa in der Begründung zum Entwurf der Bunderegierung für ein Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG) zu § 439 Abs. 4 FamFG (BT-Drucks. 16/6308, S. 295):

„Es ist auch zu berücksichtigen, dass das Aufgebotsverfahren sich regelmäßig gegen einen Abwesenden, im Regelfall einen Unbekannten, richtet. Von der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 63) wird der Anfechtungsberechtigte daher nicht selten mangels Kenntnis keinen Gebrauch machen können. Angesichts der rechtsvernichtenden Wirkung der Ausschlussentscheidung für den Betroffenen sind dem Betroffenen vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG hinreichende Möglichkeiten zu eröffnen, auch nach Ablauf der Monatsfrist eine richterliche Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung zu erreichen. Im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit findet daher zum einen die Wertgrenze des § 61 Abs. 1 im Bereich des Aufgebotsverfahrens keine Anwendung. Zum anderen sind die Möglichkeiten der Wiederaufnahme durch die Verlängerung der Fristen auf fünf und zehn Jahre gegenüber den allgemeinen Vorschriften erheblich erweitert worden. Mit der Ausschlussfrist von fünf Jahren hinsichtlich der Wiedereinsetzung werden einerseits in hinreichendem Umfang die Rechtsmittelmöglichkeiten desjenigen gewahrt, der erst mit erheblichem Zeitablauf von dem Ausschließungsbeschluss Kenntnis erlangt; andererseits wird hierdurch auch dem Bedürfnis des Berechtigten an Rechtsklarheit Rechnung getragen. (…)

Daraus ergibt sich, dass es dem Gesetzgeber mit der Regelung in § 439 Abs. 4 Satz 1 FamFG – ebenso wie mit derjenigen in § 439 Abs. 3 FamFG – allein um die Ausweitung der Möglichkeit ging, Beschwerde gegen den Ausschließungsbeschluss einzulegen. Anhaltspunkte dafür, dass darüber hinaus auch die Möglichkeit geschaffen werden sollte, die Versäumung der Anmeldefrist zu überwinden und so einem ordnungsgemäß zustande gekommenen Ausschließungsbeschluss nachträglich wieder die Grundlage zu entziehen, ergeben sich nicht.

Die herrschende Auffassung ist auch mit Sinn und Zweck das Verfahrens zum Aufgebot von Nachlassgläubigern nicht in Einklang zu bringen. Das Aufgebotsverfahren soll nämlich dem Erben einen Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten verschaffen, um ihm die Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob und wie er die Haftung beschränken muss (MünchKomm-BGB/Küpper, 6. Aufl. 2013, § 1970 Rn. 1; Keidel/Zimmermann a.a.O., § 454 Rn. 1); zudem soll er sich gegen unbekannte Nachlassgläubiger sichern können (Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1970 Rn. 1). Dieser Zweck würde aber verfehlt, wenn der Erbe während eines Zeitraums von fünf Jahren nicht nur mit der Beschwerde eines im Aufgebotsverfahren unbekannt gebliebenen Nachlassgläubigers rechnen müsste (§§ 63 Abs. 1, 439 Abs. 4 Satz 1, 18 Abs. 4 FamFG), sondern dieses Rechtsmittel auch noch damit begründet werden könnte, dass die schuldlos versäumte Forderungsanmeldung nachgeholt wird. Da das Aufgebotsverfahren sich nämlich regelmäßig (auch) gegen Abwesende richtet, müsste vielfach nicht nur Versäumung der Beschwerdefrist, sondern auch die Versäumung der Anmeldefrist des § 438 FamFG als unverschuldet i.S.v. § 17 FamFG angesehen werden.

Ein interessengerechter Ausgleich – der im Hinblick auf den oben wiedergegebenen Inhalt der Gesetzesmaterialien auch dem Willen des Gesetzgebers entsprechen dürfte – ist nach Auffassung des Senats vielmehr dadurch zu gewährleisten, dass ein ausgeschlossener Gläubiger zwar innerhalb von fünf Jahren nach Rechtskraft des Ausschließungsbeschlusses Beschwerde gegen diesen einlegen kann, dass in diesem Rahmen aber nur überprüft wird, ob der Beschluss in rechtmäßiger Weise, d.h. unter Wahrung der §§ 433 ff., 454 ff. FamFG, ergangen ist. Der ausgeschlossene Nachlassgläubiger ist auch in diesem Fall nicht rechtlos: Zum einen führt der Ausschließungsbeschluss trotz des missverständlichen Gesetzeswortlauts keineswegs zum Verlust der Forderung (vgl. hierzu etwa OLG Düsseldorf, NJW-RR 2012, 841; Keidel/Zimmermann a.a.O., § 454 Rn. 2), zum anderen verbleibt bei unredlichem Vorgehen des antragstellenden Erben die – durch § 439 Abs. 4 S. 2 erweiterte – Möglichkeit der Wiederaufnahme nach § 48 Abs. 2 FamFG, §§ 578 ff. ZPO.

 

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