OLG München 31 Wx 57/16
Keine zwingende Indizwirkung einer Mitwirkung an der Niederschrift eines Testaments des Ehegatten für einen eigenen Testierwillen
Der Umstand, dass beide Ehegatten an der Niederschrift eines Testaments mitgewirkt haben, begründet für sich allein kein zwingendes Indiz für die Annahme eines Testierwillens bei beiden Ehegatten.
Tenor
Gründe
I.
Die zulässigen Beschwerden der Beteiligten zu 7,8 und 9 haben in der Sache Erfolg und führen zur Anweisung des Nachlassgerichts zur Erteilung eines neuen, dem eingezogenen Erbschein vom 28.11.2014 gleichlautenden Erbscheins (gemeinschaftlicher Erbschein, der bezeugt, dass die Erblasserin von den Beteiligten zu 7, 8 und 9 zu je 1/3 beerbt wurden).
Voraussetzung hierfür wäre, dass die Erblasserin mit ihrem vorverstorbenen Ehemann überhaupt ein gemeinschaftliches Testament errichtet hat. Dies setzt wiederum voraus, dass die Erblasserin in ihrer schriftlichen Niederschrift vom 15.1.2012 eine eigene Erklärung mit Testierwillen abgegeben hat, also dass die Erklärung auf dem ernsthaften Willen beruht, ein Testament zu errichten und rechtsverbindliche Anordnungen über ihr Vermögen nach ihrem Tode zu treffen. Auch bei Vorliegen der formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB muss das Vorliegen des Testierwillens außer Zweifel stehen, was gegebenenfalls durch Auslegung unter Berücksichtigung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen ist (Palandt/Weidlich, 76. Auflage BGB <2017> § 2247 Rn. 5).
Die Ausführungen der Erblasserin in ihrer notariellen Anfechtungserklärung sind nach Überzeugung des Senats zumindest plausibel und nicht unglaubwürdig.
Die Angaben der Zeugin, die auch behandelnde Ärztin der Erblasserin war, sind in Bezug auf deren Angaben hinsichtlich der Umstände der Errichtung des Testaments vom 15.1.2012 uneingeschränkt verwertbar. Zum einen betreffen diese Angaben der Erblasserin nicht deren Krankheitsgeschichte. Zum anderen geht der mutmaßliche Wille der Erblasserin darin, der bereits in ihrer notariellen Anfechtungserklärung zum Ausdruck gebrachte Vorstellung Geltung zu verschaffen, so dass die Zeugin im Hinblick auf die Umstände der Errichtung des Testaments vom 15.1.2012 als von der Schweigepflicht entbunden anzusehen ist.
(1) Für eine erneute Testierung unter Einschluss von letztwilligen Verfügungen der Erblasserin bestand bereits keine Notwendigkeit. Der Wille des Ehemanns war – auch nach den Angaben des Beteiligten zu 1 – darauf gerichtet, zum einen die Erblasserin nach seinem Tod abzusichern, andererseits darauf, dass seine Kinder nach dem Tod der Erblasserin in den Genuss seines Vermögens gelangen. Dieses Ziel war bereits durch die Errichtung des Testaments vom 27.10.2009 erreicht. Insofern bedurfte es keiner weiteren Testierung.
(2) Aus Sicht der Erblasserin bestand im Zeitpunkt der Testierung (2012) auch keine Notwendigkeit über ihr Vermögen letztwillig zu verfügen. Den einzigen Vorteil, den sie durch die Errichtung eines sog. Berliner Testaments erreichen konnte, war der, dass sie im Gegenzug zu ihrer Einsetzung der Stiefkinder als Schlusserben über das Vermögen des vorverstorbenen Ehemann zu ihren Lebzeiten verfügen konnte, ohne dass sie an die Bindungen einer Vorerbschaft unterworfen gewesen wäre, die infolge des Testaments vom 27.10.2009 bestanden hätten. Dass die Erblasserin wie auch ihr Ehemann solche Überlegungen anstellten, hält der Senat für fernliegend. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen einer Schlusserbeneinsetzung und einer Vor/Nacherbschaft erfordern fundierte Kenntnisse im Erbrecht, die die Erblasserin wie auch ihr Ehemann nach Überzeugung des Senats nicht hatten. Diese waren juristische Laien, wie auch die Abfassung der beiden Testamente aufzeigt. Außerdem konnte die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments ein Erbe von ihrer (90-jährigen) Mutter erwarten. Insofern hält es der Senat für fernliegend, dass der Wille der Erblasserin im Zeitpunkt der Abfassung des Testaments darauf gerichtet war, dass ihre Stiefkinder unter Übergehung der eigenen Geschwister eine Teilhabe an diesem Vermögen haben sollten.
(3) Die inhaltliche Fassung des Testaments lässt zudem auch eine Auslegung zu, dass nach der Vorstellung der Erblasserin das Testament allein auf die Person ihres Ehemanns zugeschnitten sein sollte. Laut Testament „setzt der zuerst Versterbende den überlebenden Ehepartner zum unbeschränkten Alleinerben ein. Nach dem Ableben des 2. Ehepartners sollen die Kinder als Schlusserben eingesetzt sein.“ Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung war aber angesichts der Erkrankung ihres Ehemannes bereits klar, dass dieser der Erstversterbende der Ehegatten sein wird.
(1) Vor diesem Hintergrund ist auch eine Vorstellung der Erblasserin betreffend die in dem Testament vom 15.1.2012 getroffenen Anordnungen möglich, dass durch die Testierung allein das in Bälde eintretende Versterben des Ehemannes geregelt sein sollte. In diesem Fall sollte sie zunächst Erbin ihres Ehemannes werden und nach ihrem Tod sollte das Vermögen ihres Ehemannes an die Kinder übergehen, also die „Schlusserbeneinsetzung“ allein die Rechtsnachfolge in Bezug auf das Vermögen des vorversterbenden bzw. verstorbenen Ehemannes regeln sollte und im Vergleich zu dem bereits vorliegenden Testament ihres Ehemannes keine inhaltlich neuen Regelungen getroffen werden sollten. Denn bereits in dem Testament ihres Ehemannes sollte zunächst die Erblasserin zu ihren Lebzeiten in den Genuss des Vermögens ihres vorversterbenden Ehemannes gelangen und nach ihrem Ableben die Kinder ihres Ehemannes.
Der Verwendung juristischer Fachbegriffe durch juristische Laien kommt keine maßgebliche Bedeutung zu, sondern es ist stets im Wege der Auslegung zu klären, welche Bedeutung die Erblasser – über den Wortsinn hinaus – den von ihnen verwendeten Begriffe beigemessen haben (vgl. Palandt/Weidlich a.a.O. § 2084 Rn. 1). Insoweit rechtfertigt allein die Verwendung des Begriffs „Schlusserben“ angesichts der konkreten Errichtungssituation des Testaments vom 15.1.2012 entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 nicht zwingend den Schluss, dass die Erblasserin damit auch eine letztwillige Verfügung über ihr Vermögen treffen wollte. Möglich ist nämlich auch, dass sie mit dieser Formulierung die Vorstellung verband, dass hiermit zum Ausdruck gebracht wird, dass das Vermögen, das sie selbst nach dem Ableben ihres erstversterbenden Ehemannes erhalten hat, nach ihrem eigenem Ableben – wie bereits im Testament vom 27.10.2009 durch ihrer Ehemann letztwillig verfügt – an dessen Kinder übergehen soll.
Der Hinweis des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1, die Erblasserin habe im Nachlassverfahren betreffend ihren Ehemann zunächst nur das Testament vom 15.1.2012 vorgelegt, stellt keinen tragfähigen Anhaltspunkt für einen Testierwillen betreffend ihr Vermögen dar. Denn der Grund für die Nichtvorlage des Testaments vom 27.10.2009 könnte auch darin liegen, dass die Erblasserin entsprechend dem von ihr geschilderten Hinweis des Beteiligten zu 1 das Testament mangels Formwirksamkeit für die Rechtsfolge als unmaßgeblich erachtet hat. Dies würde vielmehr den Vortrag der Erblasserin in ihrer notariellen Anfechtungserklärung in 31 Wx 57/16 – Seite 6 Bezug auf die Motivation für die Errichtung des Testaments vom 15.1.2012 stützen.
Die von dem Beteiligten zu 1 beantragte Anforderung sämtlicher Kalender und Dokumente der Erblasserin hält der Senat zur Ermittlung des hier inmitten stehenden Willens der Erblasserin zur Verfügung über ihr Vermögen in dem Testament vom 15.1.2012 nicht für veranlasst. Anknüpfungspunkte dafür, dass die Erblasserin darin den hier inmitten stehenden Willen, auch über ihr Vermögen zu verfügen, vermerkt hat, sind weder ersichtlich noch von dem Beteiligten zu 1 selbst konkret vorgetragen.
Nachdem das Nachlassgericht den Erbschein mit Beschluss vom 12.10.2015 eingezogen hat und der Beteiligte zu 9 bereits mit Schreiben vom 13.05.2015 die einzige erteilte Ausfertigung an das Nachlassgericht übersandt hat, ist der Erbschein gem. § 2361 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. kraftlos geworden. Demgemäß war die Beschwerde der Beteiligten zu 7, 8 und 9 gemäß § 352 Abs. 2 FamFG a.F. darauf gerichtet, dass das Nachlassgericht den eingezogenen Erbschein neu erteilt. Die Voraussetzungen für die Neuerteilung liegen insofern vor.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Kostenentscheidung des Nachlassgerichts hat bereits deswegen keinen Erfolg, da das Nachlassgericht zu Unrecht den Erbschein vom 28.11.2015 eingezogen hat. Demgemäß besteht auch von vornherein keine Grundlage für eine Kostenentscheidung in Bezug auf das Erbscheinseinziehungsverfahren zu Lasten der Beteiligten zu 7, 8 und 9. Im Übrigen lägen auch keine Gründe im Sinne des § 81 Abs. 2 FamFG vor, die es als geboten erscheinen lassen, eine Kostenerstattung der dem Beteiligten zu 1 im Erbscheinseinziehungsverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten anzuordnen.
III.
III.
Den Geschäftswert für das von dem Beteiligten zu 1 betriebene Beschwerdeverfahren setzt der Senat auf 2.480,44 € fest. Im Übrigen ist eine Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren nicht veranlasst.
IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.