OLG München, 7 U 302/17 – Keine Ausschlagungsfiktion im Falle eines Vorausvermächtnisses

Dezember 9, 2017

Leitsätze:

  1. Die Ausschlagungsfiktion des § 2307 Abs. 2 S. 2 BGB kann im Falle eines Vorausvermächtnisses nicht eintreten, wenn der mit dem Vorausvermächtnis bedachte Miterbe die Erbschaft bereits angenommen hat.
  2. Die Verjährungsfrist für den Anspruch aus einem Grundstücksvermächtnis beträgt nach geltendem Recht 10 Jahre.

 

Vorinstanz:

LG München I, Endurteil vom 19.12.2016 – 41 O 19643/16

Tenor

  1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 19.12.2016 (Az.: 41 O 19643/16) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auf die Anschlussberufung des Verfügungsklägers die einstweilige Verfügung gemäß Ziffer 1 des Tenors wie folgt lautet: Zur Sicherung des Anspruchs des Verfügungsklägers auf Übereignung des gegenständlichen Grundstücks zu Alleineigentum aus einem Vorausvermächtnis gemäß Testament der am … 2006 verstorbenen G. vom 27.9.1994 wird im Grundbuch des Amtsgerichts M. von K., Gemarkung K., Flurstück 2257/9, Wohnhaus, Nebengebäude, Hofraum, Garten, B. Hausnummer 9, 0,1080 ha, Blatt 2411 die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Verfügungsklägers und zu Lasten des Gesamthandseigentums der im Grundbuch eingetragenen Erbengemeinschaft, die aus der B. GmbH (jetzt H.GmbH) – Verfügungsbeklagte – und Herrn U. F. – Verfügungskläger – besteht, angeordnet.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Verfügungskläger zu tragen. Bei der Kostenentscheidung erster Instanz hat es sein Bewenden.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

  1. Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren um eine Auflassungsvormerkung zur Sicherung eines Vermächtnisanspruchs.

Der Kläger und seine beiden Brüder sind Erben zu gleichen Teilen gemäß dem Testament der am … 2006 verstorbenen G. vom 27.9.1994. Durch dieses Testament hat die Erblasserin dem Kläger das streitgegenständliche Grundstück als Vorausvermächtnis zugewendet. Mit notariellem Vertrag vom 25.2.2011 verkauften und übertrugen die Brüder des Klägers ihre Erbteile an die Beklagte. Der Kläger und die Beklagte sind als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks in ungeteilter Erbengemeinschaft in das Grundbuch eingetragen. Die Beklagte betreibt beim Amtsgericht W. unter dem Aktenzeichen 1 K 37/13 die Teilungsversteigerung des streitgegenständlichen Grundstücks. Diesbezüglich ist ein Teilungsversteigerungsvermerk ins Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 23.12.2011 forderte die Beklagte den Kläger auf, das Vermächtnis bis spätestens 15.1.2012 geltend zu machen. Eine Reaktion des Klägers erfolgte nicht.

Der Kläger hat beantragt,

eine einstweilige Verfügung zu erlassen mit dem Inhalt, dass im Grundbuch des Amtsgerichts M. von K., Gemarkung K., Flurstück 2259/9, Wohnhaus, Nebengebäude, Hofraum, Garten, B. Hausnummer 6, 0,01080 ha, Blatt 2411, zu Lasten des Miteigentums der im Grundbuch eingetragenen Antragsgegnerin eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Antragstellers auf Auflassung und Eintragung zu Alleineigentum eingetragen wird.

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beklagte hat entgegenstehende Rechtshängigkeit eingewandt. Ferner hat sie ihre Passivlegitimation bezweifelt, da sie nicht als Miteigentümerin (sondern nur als Mitglied einer Gesamthandsgemeinschaft) ins Grundbuch eingetragen sei; daher sei der Anspruch auch auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass kein Verfügungsanspruch bestehe, weil das Vermächtnis nach § 2307 Abs. 2 BGB als ausgeschlagen gelte. Schließlich wendet sie Verjährung ein. Auch sei das Rechtsschutzziel des Klägers durch die begehrte einstweilige Verfügung nicht zu erreichen, weil der eingetragene Teilungsversteigerungsvermerk einer eventuellen Vormerkung im Rang vorgehe.

Das Landgericht hat nach durchgeführter mündlicher Verhandlung die begehrte einstweilige Verfügung mit dem beantragten Inhalt erlassen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen.

Das Grundbuchamt des Amtsgerichts M. hat die Eintragung der Vormerkung aufgrund dieses Urteils abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Grundbuchbeschwerde blieb erfolglos.

Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte die Abweisung der Verfügungsklage weiter. Der Kläger hat form- und fristgerecht Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts München I vom 19.11.2016 aufzuheben und die Verfügungsklage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das bezeichnete Urteil unter Zurückweisung der Berufung abzuändern und eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt zu erlassen, dass im Grundbuch des Amtsgerichts M. von K., Gemarkung K., Flurstück 2257/9, Wohnhaus, Nebengebäude, Hofraum, Garten, B. Nr. 9, 0,1080 ha, Blatt 2411 zu Lasten des Gesamthandseigentums der im Grundbuch eingetragenen Erbengemeinschaft, die aus der B. GmbH (jetzt H. GmbH) – Berufungsklägerin – und Herrn U. F. – Berufungsbeklagter – besteht, eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Klägers (= Berufungsbeklagten und Anschlussberufungsklägers) auf Auflassung und Eintragung zu Alleineigentum an den Kläger eingetragen wird; hilfsweise: das Urteil des Landgerichts München I vom 19.12.2016 unter Zurückweisung der Berufung abzuändern und eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt zu erlassen, dass im Grundbuch des Amtsgerichts M. hinsichtlich des bezeichneten gesamten Grundstücks eine Eigentumsvormerkung zugunsten des Verfügungsklägers zur Sicherung seines Anspruchs aus dem Vorausvermächtnis eingetragen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Zurückweisung der Anschlussberufung.

B.

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Vielmehr war im Ergebnis die einstweilige Verfügung des Landgerichts nach Maßgabe der mit der Anschlussberufung gestellten Anträge zu bestätigen.

  1. Prozessuale Bedenken gegen das (nunmehrige) klägerische Begehren bestehen nicht.
  2. Der Kläger konnte, ohne durch das angegriffene Urteil beschwert zu sein, Anschlussberufung zum Zwecke der Klageänderung einlegen (vgl. BGH, Urteil vom 10.5.2011 – VI ZR 153/10, zitiert nach juris, dort Rz. 9). Dahin stehen kann in diesem Zusammenhang, ob die Modifikationen des Antrags des Klägers in der Berufungsinstanz sich als Klageänderung darstellen oder ob sie unter § 264 Nr. 2 ZPO fallen. Denn auch wenn man sie als Klageänderung qualifiziert, wäre diese nach § 533 ZPO zulässig. Die Antragsumstellung ist sachdienlich, weil das Landgericht den Kläger hätte darauf hinweisen müssen, dass der ursprüngliche Antrag aus grundbuchrechtlichen Gründen nicht zielführend war (vgl. dazu näher unter II.1.), und der neue Antrag auf der Basis des Prozessstoffes erster Instanz beurteilt werden kann.
  3. Das Verfahrenshindernis der entgegenstehenden Rechtshängigkeit besteht nicht. Die derzeit beim Oberlandesgericht anhängige Klage auf Übereignung des Grundstücks unter dem Gesichtspunkt eines Vorkaufrechts (13 U 546/17) hat einen anderen Streitgegenstand als das vorliegende Verfügungsverfahren, das lediglich der Sicherung eines Übereignungsanspruchs (unter dem Gesichtspunkt eines Vermächtnisses) dient.
  4. Ebensowenig besteht das Verfahrenshindernis entgegenstehender Rechtskraft. Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Drittwiderspruchsklage gegen die erwähnte Teilungsversteigerung des gegenständlichen Grundstücks durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 4.11.2016 (3 U 130/16) zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist aufgrund Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers durch den Bundesgerichtshof rechtskräftig (Beschluss vom 19.7.2017 – IV ZR 381/16). Rechtskräftig entschieden ist daher nur über die Zulässigkeit der Teilungsversteigerung, nicht aber über die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch aus dem Vorausvermächtnis zusteht.

Die im dortigen Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München nach § 522 Abs. 2 ZPO für unbeachtlich gehalten. Hierüber liegt also keine rechtskräftige Entscheidung vor.

  1. Der Kläger hat aus dem Vorausvermächtnis einen Anspruch auf Übereignung des vermachten Gegenstandes, also das gegenständliche Grundstück (§§ 2147, 2150, 2174 BGB). Dieser Anspruch kann durch eine Vormerkung gesichert werden (§ 883 Abs. 1 BGB). Hieraus ergibt sich der Verfügungsanspruch im Sinne von §§ 916, 935, 940 ZPO.
  2. Der Vermächtnisanspruch richtet sich gegen den Beschwerten (§ 2174 BGB), also mangelns anderer Bestimmung durch die Erblasserin gegen die Erben (§ 2147 S. 2 BGB). Das ist vorliegend die Erbengemeinschaft, bestehend aus dem Kläger und der Beklagten. Dem trägt der in der Berufungsinstanz gestellte Antrag des Klägers Rechnung.

Allerdings wäre der erstinstanzliche Antrag des Klägers in der dort gestellten Form (Vormerkung zu Lasten des Miteigentumsanteils der Beklagten) zurückzuweisen gewesen. Neben der dargestellten erbrechtlichen Lage war die Eintragung einer Vormerkung zu Lasten eines Miteigentumsanteils der Beklagten auch aus grundbuchrechtlicher Sicht nicht möglich, weil ein solcher nicht voreingetragen war. Denn eine Eintragung ins Grundbuch setzt neben dem Antrag eines Antragsberechtigten (§ 13 GBO) und der Bewilligung des Betroffenen (§ 19 GBO) auch dessen Voreintragung voraus (§ 39 Abs. 1 GBO). Dabei ersetzt eine entsprechende einstweiligen Verfügung zwar die Bewilligung des Betroffenen, vermag aber am Erfordernis von dessen Voreintragung nichts zu ändern (vgl. dazu Palandt / Weidlich, BGB, 76. Aufl., § 885 Rz. 14). Dieses Problem stellt sich in der Berufungsinstanz aufgrund des neuen klägerischen Antrags nicht mehr, spielt aber für die Kostenentscheidung noch eine Rolle (vgl. unten C.).

  1. Der Vermächtnisanspruch ist nicht durch (fingierte) Ausschlagung des Vermächtnisses gemäß § 2307 Abs. 2 BGB untergegangen.
  2. a) Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass der Kläger das Vermächtnis zur Zeit der Fristsetzung nach § 2307 Abs. 2 BGB längst angenommen habe und daher eine Ausschlagung ohnehin nicht mehr in Betracht gekommen sei (vgl. § 2180 Abs. 1 BGB). Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgestellte Behauptung des Klägers, das Vermächtnis bereits angenommen gehabt zu haben, ist erstens als verspätet im Sinne von § 531 Abs. 2 BGB zurückzuweisen, zweitens eine reine Rechtsbehauptung, ohne durch entsprechenden Tatsachenvortrag untermauert zu sein und drittens vom Beklagtenvertreter bestritten worden, ohne dass der Kläger Beweis, geschweige denn präsenten Beweis angeboten hätte.
  3. b) Der Senat teilt jedoch die Auffassung des Landgerichts, dass sich die Beklagte nicht auf die Ausschlagungsfiktion des § 2307 Abs. 2 BGB berufen kann, weil diese Vorschrift, die zwar vom Wortlaut her einschlägig wäre, nach ihrem Sinn und Zweck für Fälle der vorliegenden Art nicht gilt.

Richtig ist zunächst der Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach für die Ausschlagung des Vermächtnisses – anders als für die Ausschlagung der Erbschaft (vgl. § 1944 BGB) – eine gesetzliche Frist nicht vorgesehen ist. Im gesetzlichen Normalfall steht es also im Belieben des Vermächtnisnehmers, ob und wann er seinen Vermächtnisanspruch geltend macht; mit dieser Unsicherheit muss der Beschwerte – bis zum Eintritt der Verjährung – leben.

  • 2307 Abs. 2 BGB stellt von diesem Grundsatz eine Ausnahme insoweit dar, als der beschwerte Erbe dem Vermächtnisnehmer eine angemessene Frist zur Entscheidung über die Annahme des Vermächtnisses setzen kann, widrigenfalls das Vermächtnis als ausgeschlagen gilt. Diese Möglichkeit besteht aber schon nach dem Wortlaut nur, wenn der Vermächtnisnehmer „Pflichtteilsberechtigter“ ist, und ist deshalb und auch nach ihrer systematischen Stellung im Gesetz im Kontext des Pflichtteilsrechts auszulegen.

Gemäß § 2303 BGB besteht ein Pflichtteilsanspruch nur, wenn der grundsätzlich Berechtigte (Abkömmling, Ehegatte, Elternteil des Erblassers) „durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist“. Einen Pflichtteilsanspruch nach dem Erblasser hat daher grundsätzlich nicht, wer sein Erbe oder Vermächtnisnehmer ist. Von diesem Grundsatz finden sich jedoch Ausnahmen in §§ 2305 – 2307 BGB. Wer auf ein Erbteil eingesetzt ist, welches wertmäßig hinter dem Pflichtteilsanspruch zurückbleibt, kann die Differenz als Zusatzpflichtteil verlangen (§ 2305 BGB). Wer als Erbe eingesetzt, aber (insbesondere durch Testamentsvollstreckung oder Nacherbfolge) beschränkt oder (mit einem Vermächtnis oder einer Auflage) beschwert ist, kann die Erbschaft ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil verlangen (§ 2306 BGB). Wer mit einem Vermächtnis bedacht ist, kann dieses ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil verlangen (§ 2307 Abs. 1 BGB). Wer Erbe und Vermächtnisnehmer ist, muss in der Gesamtschau der Regelungen beides ausschlagen, um den Pflichtteil verlangen zu können.

  • 2307 Abs. 2 BGB hat vor diesem Hintergrund eindeutig den Zweck, dem mit einem Vermächtnis beschwerten Erben Klarheit darüber zu verschaffen, ob er dem mit einem Vermächtnis bedachten Pflichtteilsberechtigten das Vermächtnis oder den Pflichtteil schuldet. Dieser Zweck ist vorliegend nicht einschlägig. Denn selbst wenn der Kläger das Vermächtnis ausgeschlagen hätte bzw. dies fingiert würde, bliebe er Erbe (die Erbschaft gilt – und galt im Dezember 2011 – längst zumindest durch Zeitablauf als angenommen und konnte nicht mehr ausgeschlagen werden, §§ 1943, 1944 BGB) und hat damit keinen Pflichtteilsanspruch (als Erbe zu 1/3 bei einer Pflichtteilsquote zu 1/6 auch keinen Anspruch auf den Zusatzpflichtteil). Für die Beklagte bestand daher im Zeitpunkt ihrer Fristsetzung im Dezember 2011 nicht die Ungewissheit, ob sie (bzw. die Erbengemeinschaft) dem Kläger das Vermächtnis oder den Pflichtteil schuldet, sondern nur die Ungewissheit, ob und wann der Kläger seinen Vermächtnisanspruch geltend machen werde. Insofern bestand kein Pflichtteilsbezug, sondern die Lage stellte sich nicht anders dar als bei einem Vermächtnisnehmer, der nicht zum Kreis der grundsätzlich Pflichtteilsberechtigten gehört. Diese allgemeine Unsicherheit muss der Beschwerte, also die Beklagte hinnehmen, weil eine gesetzliche Frist für die Ausschlagung des Vermächtnisses nicht vorgesehen ist.
  1. c) Kein anderes Ergebnis rechtfertigt die Überlegung des Beklagten, dass der Kläger (das Vermächtnis und) die Erbschaft hätte ausschlagen können und dann – wegen der zunächst angeordneten Testamentsvollstreckung – den vollen Pflichtteilsanspruch gehabt hätte. Letzteres trifft nach § 2306 BGB zwar zu (auch nach dem im Zeitpunkt des Erbfalles geltenden § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB damaliger Fassung, weil der testamentarische Erbteil des Klägers höher war als seine Pflichtteilsquote). Entscheidend ist aber, dass der Kläger die Erbschaft nicht ausgeschlagen hat und dies im Zeitpunkt der Fristsetzung gemäß § 2307 Abs. 2 BGB wegen zwischenzeitlichen Verstreichens der Ausschlagungsfrist nicht mehr konnte.
  2. Der Vermächtnisanspruch des Klägers ist nicht verjährt, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat.
  3. a) Der Anspruch entstand mit dem Erbfall im Jahr 2006. Nach damals geltendem Verjährungsrecht (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F.) wäre er als erbrechtlicher Anspruch in dreißig Jahren ab dem Erbfall, also im Jahr 2036 verjährt.
  4. b) Die Vorschrift wurde jedoch durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24.9.1999 (BGBl I 3142) aufgehoben. Die Auswirkungen auf die bereits laufende Verjährungsfrist im gegenständlichen Fall regelt Art. 229 § 23 EGBGB. Hiernach tritt Verjährung mit Ablauf des 31.12.2019 ein.
  5. aa) Art. 229 § 23 Abs. 1 S. 1 EGBGB verweist für am 1.1.2010 noch offenen Verjährungen auf die Vorschriften des BGB über die Verjährung in der am 1.1.2010 geltenden Fassung. Nach dem Wortlaut der Übergangsvorschrift, der nicht nur auf die §§ 195, 199 BGB, sondern auf alle geltenden Verjährungsvorschriften verweist, beträgt die Verjährungsfrist für den gegenständlichen Vermächtnisanspruch, der auf Übereignung eines Grundstücks gerichtet ist, also 10 Jahre (§ 196 BGB).

Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich den vorgelegten Gesetzesmaterialien (BTDrucks. 16/8954; BTDrucks. 16/13543) ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers nicht entnehmen. Dort ist zwar wiederholt die Rede davon, dass erbrechtliche Ansprüche der Regelverjährung unterliegen sollten. Mit Grundstücksvermächtnissen befassen sich die Materialien aber nicht. Es kann daher nicht der Schluss gezogen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers – entgegen dem von ihm gewählten Wortlaut der Übergangsvorschrift – auch für Grundstücksvermächtnisse eine Verjährungsfrist von 3 Jahren gelten sollte.

Entgegen Damrau, ZErbR 2015, 333 sieht der Senat auch keine Anhaltspunkte für eine anderweitige systematische Auslegung. Zwar mag es sein, dass unter Geltung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB diese erbrechtliche Verjährungsregelung als vorrangig gegenüber § 196 BGB zu verstehen war. Dieses Verhältnis von zwei Spezialvorschriften zueinander gibt aber kein Argument dafür, dass nurmehr – entgegen dem Wortlaut der Übergangsvorschriften und dem allgemeinen Spezialitätsgrundsatz – die allgemeine Vorschrift des § 195 BGB der Spezialvorschrift des § 196 BGB vorgehen sollte.

  1. bb) Die somit einschlägige zehnjährige Verjährungsfrist ist nach Art. 229 § 23 Abs. 2 EGBGB ab dem 1.1.2010 zu rechnen. Verjährung des streitgegenständlichen (Verfügungs-)Anspruchs tritt daher (frühestens) mit Ablauf des 31.12.2019 ein.

III. Die Darlegung eines Verfügungsgrundes war für den Kläger wegen § 885 Abs. 1 S. 2 BGB entbehrlich. Soweit die Beklagte die hiernach bestehende Vermutung für einen Verfügungsgrund damit widerlegen will, dass eine eventuelle Auflassungsvormerkung die Teilungsversteigerung nicht hindern könne, weil der bereits eingetragene Teilungsversteigerungsvermerk vorrangig sei, kann ihr nicht gefolgt werden.

Richtig ist zwar, dass der Rang des mit der Vormerkung gesicherten Rechts nach der Eintragung der Vormerkung (§ 883 Abs. 3 BGB), also nach der Reihenfolge der Eintragungen (§ 879 BGB) richtet. Eine Vormerkung wäre vorliegend also tatsächlich nachrangig und würde mit dem Zuschlag in der Teilungsversteigerung erlöschen (vgl. Palandt / Weidlich, a.a.O., § 883 Rz. 27). Der Kläger würde aber auch in diesem Fall am Erlösverteilungsverfahren teilnehmen, wobei der Erlös bis zur Erlangung eines rechtskräftigen Hauptsachetitels des Klägers zu hinterlegen wäre (Palandt / Weidlich, a.a.O.). Dem Kläger kann also ein Sicherungsbedürfnis nicht abgesprochen werden.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1, Abs. 2 ZPO. Dabei war zunächst zu berücksichtigen, dass die Anschlussberufung des Klägers wirtschaftlich auf das selbe Begehren gerichtet war wie sein ursprünglicher Antrag, so dass sie den Streitwert nicht erhöht und damit für das Maß des Obsiegens außer Betracht bleibt. Der Kläger hat daher in vollem Umfang obsiegt, aber nur wegen seiner Antragsumstellung in der Berufungsinstanz; nach seinem erstinstanzlichen Antrag wäre er unterlegen. Dies rechtfertigt es, dem Kläger nach § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die Kosten erster Instanz hat jedoch der Beklagte zu tragen, weil er insgesamt unterlegen ist (§ 91 ZPO) und eine dem § 97 Abs. 2 ZPO entsprechende Sondervorschrift insoweit fehlt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Eine Entscheidung über die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 542 Abs. 2 ZPO).

 

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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