OLG München, Beschl. v. 10.02.2015 – 31 Wx 427/14
Anfechtung der in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen
Gründe:
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die gemeinsamen Töchter des Erblassers und der Beteiligten zu 1). Die Beteiligte zu 2) hat eine 1965 geborene Tochter. Im September 2014 wurde deren Annahme als Kind durch die Beteiligte zu 1) ausgesprochen.
Ausweislich des von der Beteiligten zu 1) eingereichten Nachlassverzeichnisses vom August 1993 bestand der Nachlass im Wesentlichen aus dem hälftigen Anteil des Erblassers an dem von den Ehegatten bewohnten Anwesen in L. , einem Grundstück von rd. 1.000 qm, bebaut mit einem 1963 errichteten Haus. Ferner war er an einer Erbengemeinschaft beteiligt, die Eigentümerin von Grundbesitz in G. war. Den Wert des Hälfteanteils an dem Grundbesitz in L. hat das Nachlassgericht mit rd. 500.000,00 DM angesetzt, den Anteil an der Erbengemeinschaft G. mit rd. 311.000,00 DM. Im Nachlassverzeichnis sind Bankguthaben und Wertpapieren im Wert von 113.000,00 DM angegeben. Nach Angaben der Beteiligten zu 3) war außerdem in der Schweiz ein Ferienhaus nebst einem weiteren Grundstück vorhanden.
„(Ort, Datum)
Unser letzter gemeinsamer Wille:
Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Überlebenden fällt der gesamte Nachlass an unsere Kinder S. … (Beteiligte zu 3) u. .M. … (Beteiligte zu 2) zu gleichen Teilen. Beim Ableben von … (Ehefrau) erhält Enkelkind S.L. … (Tochter der Beteiligten zu 2) vorab DM 30.000. Wer mit dieser Testamentsregelung nicht einverstanden sein sollte, gilt als auf den Pflichtteil gesetzt unter Anrechnung der erhaltenen Ausbildungskosten, Aussteuer und sonstigen Zuwendungen, die S. und M. zu gleichen Teilen erhalten haben. (Unterschrift Erblasser)
Vorstehende letztwillige Verfügung soll auch als mein letzter Wille gelten. (Unterschrift Ehefrau)”
Das Testament v. 20.02.1993 lautet:
„Testament (Ort, Datum)
Ich, Dr. C. Z. … (Erblasser) und Frau G.Z. … (Ehefrau) setzen uns gegenseitig zu beschränkten Vorerben ein. Nacherben sollen unsere Kinder S. u. M. sein. Sollte der Vorversterbende C. Z. sein, soll als Vermächtnis unseren Kindern S. und M. der Anteil an der Erbengemeinschaft Z. G. zukommen. Sollte die Vorversterbende G. Z. sein, entfällt das Vermächtnis Erbengemeinschaftsanteil Z. G. . Sollte G. Z. vorversterben, soll der Enkelin S. L. ein Vermächtnis i.H.v. 50.000 (fünfzig tausend) vorab zukommen. (Unterschriften)”
Nach Angaben der Beteiligten zu 2) haben ihre Eltern Ende 1992, als der Erblasser bereits schwer krank war, geäußert, dass sie ein „Berliner Testament” erstellen wollten, wonach die Beteiligte zu 1) beschränkte Vorerbin, die Töchter Nacherben sein sollten. Es habe sichergestellt sein sollen, dass die Mutter nach dem Tod ihres Ehemannes ungeschmälert, unverändert und ohne jegliche finanzielle Belastungen ihr Leben weiter wie gewohnt führen könne. Insbesondere habe sie nicht Pflichtteilsansprüchen ihrer Töchter ausgesetzt sein sollen. Der Erblasser habe im Frühjahr 1993 mehrfach betont, dass er über das erstellte Testament erleichtert und beruhigt sei, das auch sicherstelle, dass die Mutter nicht im Alleingang über die Immobilien verfügen könne. Die Beteiligte zu 3) hat diese Ausführungen bestätigt. Die Beteiligte zu 1) hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten v. 22.01.2015 vortragen lassen, es habe einerseits das Familienvermögen als Gesamtheit für die Nachfolgegenerationen erhalten bleiben und nicht gefährdet werden sollen, und andererseits die Ehefrau für den relativ wahrscheinlichen Fall, dass sie ihren damals schon kranken Ehemann überlebe, nach dessen Tod gut versorgt und insbesondere in ihrem Bleiberecht im Familienheim abgesichert und nicht durch Pflichtteilsansprüche ihrer Töchter belastet sein sollen.
Es erscheint deshalb fernliegend, dass der Erblasser von der Einsetzung seiner Ehefrau als (nicht befreiter) Vorerbin und der beiden Töchter als Nacherbinnen Abstand genommen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass seine Ehefrau nicht ihrerseits die beiden gemeinsamen Töchter zu Erbinnen ihres eigenen Vermögens einsetzen würde.
Soweit die Beteiligte zu 1) vortragen lässt, sie habe das Testament v. 20.02.1993 und die darin enthaltenen Verfügungen bei Errichtung so gewollt und in der Weise verstanden, dass die darin getroffenen Verfügungen beider Eheleute in der Weise voneinander abhängig sein sollten, dass die Verfügungen des einen mit den Verfügungen des anderen stehen und fallen, was dem identischen Verständnis und Testierwillen des verstorbenen Ehemannes entspreche, lässt das keinen hinreichend verlässlichen Schluss auf den tatsächlich im Zeitpunkt der Testamentserrichtung Anfang 1993 vorhandenen gemeinsamen Willen der Ehegatten zu. Die Beschwerdeführerin ist ersichtlich bestrebt, die in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Verfügungen so weit wie möglich zu Fall zu bringen.
Es kann dahinstehen, ob die Enkeltochter S. schon zu Lebzeiten beider Erblasser von diesen als „gefühltes 3. Kind” empfunden worden ist und ob sie ihnen genauso nahe gestanden hat wie die beiden Töchter, wie die Beschwerdeführerin im Schriftsatz v. 06.02.2015 unter Verweis auf die Akten des 2014 eingeleitete Adoptionsverfahrens schildern lässt. Ebenso kann offen bleiben, ob der Erblasser „absolut überzeugt” gewesen ist, dass der „von beiden über alles geliebten Enkeltochter” ohnehin das gesamte Familienvermögen zufallen werde, weil die beiden Töchter erklärt hätten, sie zur Alleinerbin einzusetzen. Die nun von der Beteiligten zu 1) behauptete Zielvorstellung, die Immobilien „über die Zwischenstufen der beiden Töchter” schließlich der „gefühlten 3. Tochter” als Ganzes zukommen zu lassen, hat im Testament v. 20.02.1993 auch nicht andeutungsweise einen Niederschlag gefunden. Vielmehr haben die Ehegatten 1993 in ihrem gemeinschaftlichen Testament die Enkelin für den Fall des Vorversterbens des Ehemannes gar nicht bedacht und ihr für den – nicht eingetretenen – Fall des Vorversterbens der Ehefrau nur ein Vermächtnis i.H.v. 50.000,00 € zugewandt.
Zudem kann nicht außer Acht gelassen werden, dass das Testament v. 20.02.1993 den überlebenden Ehegatten schlechter stellt als das vorangegangene gemeinschaftliche Testament v. 01.11.1981. In dem Testament von 1981 war der überlebende Ehegatte zum Alleinerben eingesetzt und in seiner Verfügungsbefugnis insbesondere hinsichtlich der Immobilie nicht beschränkt. Das Testament v. 20.02.1993 bestimmt den überlebenden Ehegatten – mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ehefrau, nachdem der Ehemann bereits schwer krank und hochbetagt war – nur noch zum Vorerben, der von den gesetzlichen Beschränkungen nicht befreit ist. Den beiden gemeinsamen Töchtern wird nicht nur eine gesicherte Rechtsposition durch die Einsetzung zu Nacherbinnen eingeräumt, sondern darüber hinaus als Vermächtnis der Anteil des Erblassers an der Erbengemeinschaft G. zugewandt, dessen Wert Pflichtteilsansprüche jedenfalls soweit abdeckt, als sie sich aus dem in Deutschland vorhandenen Vermögen ergeben.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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