OLG München, Beschluss v. 18.12.2013 – 31 Wx 490/13 – Bestellung eines Nachlasspflegers für Vermächtnisforderungen

März 10, 2019

Bestellung eines Nachlasspflegers für Vermächtnisforderungen

1. Der Aufgabenkreis eines nach § 1961 BGB zu bestellenden Nachlasspflegers muss nicht auf die Vertretung der unbekannten Erben in Gerichtsverfahren beschränkt werden.
Nachlasspfleger, Vermächtnisforderung, Testament, Erbe, Fürsorgebedürfnis, Nachlasssicherung, Nachlasspflegschaft, Beschränkung


Tenor
1. Auf die Beschwerde wird der Wirkungskreis des mit Beschluss des Amtsgerichts vom 9.10.2013 bestellten Nachlasspflegers wie folgt geändert:
„Vertretung der unbekannten Erben gegenüber Gläubigern wegen Vermächtnisansprüchen betreffend das Hausgrundstück: …“.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Gerichtsgebühren erhoben.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer beantragte unter dem 22.7.2013 beim Nachlassgericht die Anordnung einer Nachlasspflegschaft. Er sei nach dem letzten Testament der Erblasserin vom 10.12.2011 Vermächtnisnehmer hinsichtlich der dort angeordneten Vererbung von deren Hausgrundstück an ihn und zwei weitere Personen. Da die Feststellung der gesetzlichen Erben (dritter Ordnung) noch geraume Zeit Anspruch nehme, bestehe ein Bedürfnis für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB. Notfalls beabsichtige er, hinsichtlich seiner Rechte den Eilrechtsschutz der Gerichte in Anspruch zu nehmen. Unter den obwaltenden Umständen liege es im Interesse der unbekannten Erben, nach Bestellung eines Nachlasspflegers das Vermächtnis kurzfristig – außergerichtlich – zu vollziehen.
Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom 9.10.2013 Nachlasspflegschaft an und bestellte als berufsmäßigen Nachlasspfleger den Beteiligten zu 1. Anschließend heißt es:
„Der Wirkungskreis umfasst die Vertretung der unbekannten Erben bei der gerichtlichen Geltendmachung von Vermächtnisforderungen“. Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer beantragt,
„dem Nachlasspfleger insbesondere folgende Wirkungskreise zu übertragen:
1. Außergerichtliche Vertretung der unbekannten Erben bei Vollzug des Vermächtnisses der Erblasserin betreffend das im Nachlass befindliche Hausgrundstück …
2. Ordnungsgemäße laufende Verwaltung des in Nachlass befindlichen Hausgrundstücks… bis zum ordnungsgemäßen Vollzug des Vermächtnisses der Erblasserin. Der Antragsschrift sei unschwer zu entnehmen gewesen, dass die Bestellung des Nachlasspflegers zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Erben hätte erfolgen sollen. Bei der hier gegebenen klaren Rechtslage könne der Nachlasspfleger den Anspruch zur Kostenersparnis für den Nachlass außergerichtlich erfüllen. Der Vermächtnisgegenstand werde derzeit nicht ordnungsgemäß verwaltet. Soweit insoweit Frau L. tätig geworden sei, wolle er kein Misstrauen dieser gegenüber erklären, diese sei aber entsprechend einer Mitteilung des Nachlassgerichts „offiziell“ nicht zur Verwaltung des Nachlasses berechtigt.
Das Amtsgericht hat am 5.12.2013 für 3 am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Erben – darunter Frau L. – einen gemeinschaftlichen Teilerbschein erteilt. Der Beschwerde hat es mit Beschluss vom 6.12.2013 nicht abgeholfen und die Akten zur Entscheidung vorgelegt. Ein anderer Aufgabenkreis als der in § 1961 BGB genannte könne nicht angeordnet werden.
II.
Die Beschwerde hat teilweise Erfolg. Der Beschwerdeführer verweist zutreffend darauf, dass § 1961 BGB nicht davon ausgeht, dass der Anspruch gegen das Erbe bereits gerichtlich geltend gemacht wird, sondern dass den Nachlassgläubigern die Möglichkeit eingeräumt wird, ihre Ansprüche schon vor Annahme der Erbschaft geltend zu machen und notfalls gerichtlich zu verfolgen (BayObLGZ 1960, 93 unter II.3.a).
Nach § 1961 BGB hat das Nachlassgericht in den Fällen des § 1960 Absatz 1 BGB einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, von dem Berechtigten beantragt wird. Die Vorschrift verweist hinsichtlich der Voraussetzungen zunächst auf die Fälle des § 1960 Absatz 1 BGB. Der Erbe darf die Erbschaft noch nicht angenommen haben oder die Annahme muss ungewiss oder der Erbe unbekannt sein. Dass ein Bedürfnis der Nachlasssicherung besteht, ist, anders als bei § 1960 Absatz 1 BGB, nicht Voraussetzung; an die Stelle des Fürsorgebedürfnisses tritt ein Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers, das sich grundsätzlich bereits aus der Tatsache ergibt, dass er einen Anspruch gegen den Nachlass geltend machen will. Antragsberechtigt ist, wer die Absicht vorträgt, einen Anspruch gegen den Nachlass notfalls gerichtlich geltend machen zu wollen. Nicht nötig ist, dass die gerichtliche Durchsetzung in erster Linie in Aussicht genommen ist. Es genügt, dass der Prozessweg erst notfalls beschritten, zuvor aber mit dem Pfleger gütlich verhandelt werden soll. Das Bestehen eines Anspruchs muss weder bewiesen noch glaubhaft gemacht werden. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur, wenn offenkundig keine Forderung existiert oder die Rechtsverfolgung aus sonstigen Gründen offensichtlich unbegründet oder mutwillig ist (vgl. BayObLG FamRZ 2003, 562 m. w. N.).
Dementsprechend kann der Aufgabenkreis des nach § 1961 BGB bestellten Nachlasspflegers auf die Angelegenheiten beschränkt werden, in denen der antragstellende Gläubiger Ansprüche gelten machen will. Insoweit geht es hier um die Anordnung gem. Ziff. 2 des handschriftlichen Testaments vom 10.12.2011, nach der die Erblasserin dem Beschwerdeführer und zwei weiteren Personen das von ihr bewohnte Haus „vererbte“. An die Stelle des für eine Pflegschaftsanordnung nach § 1960 BGB erforderlichen Fürsorgebedürfnisses tritt im vorliegenden Fall das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers, das sich grundsätzlich bereits aus der Tatsache ergibt, dass er einen Anspruch gegen den Nachlass geltend machen will. Dementsprechend ist der Aufgabenkreis des Nachlasspflegers so zu fassen, dass er die unbekannten Erben gegenüber den Gläubigern der Vermächtnisansprüche aus Ziffer 2) des Testaments vom 10.12.2011 zu vertreten hat und zwar unabhängig davon, ob diese gerichtlich oder außergerichtlich geltend gemacht werden. Dagegen besteht kein Anlass die Nachlasspflegschaft auch auf die „ordnungsgemäße laufende Verwaltung“ des im Tenor genannten Hausgrundstücks zu erstrecken, weil nach Erteilung des gemeinschaftlichen Teilerbscheins für 3 Erben insoweit kein Sicherungsbedürfnis (mehr) besteht.
Infolge des überwiegenden Erfolgs der Beschwerde bestimmt der Senat unter Ausübung billigen Ermessens, dass Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden (vgl. KV Nr. 19116 GNotKG).

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