OLG München, Beschluss v. 24.07.2017 – 31 Wx 335/16 Wirkung der Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments
Zum Umfang der Wirkung einer erfolgreichen Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments im Hinblick auf die Wirksamkeit früherer Verfügungen von Todes wegen.
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 05.08.2016 – 60 VI 13107/09
I.
Die Erblasserin ist am …2009 verstorben. Der Beteiligte zu 1 war ihr Ehemann, die Beteiligten zu 2 und 3 die gemeinsamen Kinder.
Die Erblasserin hatte mit dem Beteiligten zu 1 zwei gemeinschaftliche Testamente errichtet. Im Testament vom 8.6.1999 setzten sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein. In dem Testament vom …2009 setzten sich die Ehegatten ebenfalls gegenseitig zu Alleinerben ein und beriefen die gemeinsamen Söhne zu Erben des Letztversterbenden.
Nach dem Tod seiner Ehefrau ging der Beteiligte zu 1 am 23.12.2015 eine eingetragene Partnerschaft ein, in deren Folge er mit notarieller Urkunde vom 8.1.2016 die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3 aus dem Testament vom …2009 wegen Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten angefochten hat.
In dieser Urkunde heißt es auszugsweise:
„Mit wirksamer Anfechtung der Schlusserbeneinsetzung der Kinder in dem gemeinschaftlichen Testament entfallen auch sämtliche letztwilligen Verfügungen von Todes wegen, die hierzu wechselbezüglich sind. Wechselbezüglichkeit liegt vor, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen Verfügung stehen oder fallen soll. Steht die Schlusserbeneinsetzung der Kinder im Verhältnis zur Erbeinsetzung von Herrn B. durch seine Ehefrau im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit, entfällt bei Wirksamkeit der Anfechtung auch die Erbeinsetzung von Herrn W. B. durch seine verstorbene Ehefrau und damit dessen Alleinerbenstellung. Liegt keine anderweitige letztwillige Verfügung der Ehefrau vor, tritt (rückwirkend) auf den Todestag gesetzliche Erbfolge ein, was eine Erbengemeinschaft von Herrn W. B. mit seinen beiden Kindern zu Folge hat.“
Am 4.4.2016 erteilte das Nachlassgericht einen Erbschein, der den Beschwerdeführer zu 1/2, die Beteiligten zu 2 und 3 als Erben zu je 1/4 ausweist.
Mit Schriftsatz vom 4.5.2016 erklärte der Beschwerdeführer die Anfechtung seiner Anfechtungserklärung vom 8.1.2016 gegenüber dem Nachlassgericht. Er meint, dadurch sei der Erbschein vom 4.4.2016 unrichtig geworden und regt dessen Einziehung an.
Das Nachlassgericht hat den Erbschein nicht eingezogen, dagegen richtet sich die Beschwerde.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Senat teilt die Ansicht des Nachlassgerichts, dass die Voraussetzungen für die Einziehung des Erbscheins gemäß § 2361 BGB nicht vorliegen.
Eine Anweisung gegenüber dem Nachlassgericht, den erteilten Erbschein einzuziehen (§ 2361 BGB), kommt nicht in Betracht, da der erteilte Erbschein nicht unrichtig ist. Die Einziehung hätte dann zu erfolgen, wenn das Gericht das bezeugte Erbrecht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr als gegeben ansieht, wobei bloße Zweifel nicht genügen (Palandt/Weidlich BGB, 76. Auflage <2017> § 2362 Rn. 9). Das Nachlassgericht muss sich dabei in die Lage versetzen, als hätte es den Erbschein erstmals zu erteilen (Palandt/Weidlich a.a.O.).
Rechtsfolge dieser Anfechtung ist auch, dass die eigene Einsetzung des Beschwerdeführers als Alleinerbe durch seine vorverstorbene Ehefrau nach deren Tod weggefallen ist, da diese mit der Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder wechselbezüglich war.
Damit bleibt es dabei, dass durch die wirksam erklärte Anfechtung der Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3 durch den Beschwerdeführer auch seine Alleinerbeneinsetzung durch seine Ehefrau entfallen ist.
Dieser Wille ist auch durch die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3 hinreichend im Testament vom …2009 angedeutet und somit formwirksam erklärt, § 2247 Abs. 1 BGB.
(1) Gemäß § 2270 Abs. 1 BGB werden durch die wirksame Anfechtung einer wechselbezüglichen Verfügung grundsätzlich alle mit ihr im Abhängigkeitsverhältnis stehenden Verfügungen des anderen Ehegatten gleichfalls unwirksam (OLG München ZEV 2015, 474/475; Palandt/Weidlich a.a.O. § 2271 Rn. 33). Andere Verfügungen, insbesondere die nicht im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zur angefochtenen Verfügung (hier: Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder) stehenden Verfügungen des vorverstorbenen Ehegatten werden mithin durch die Anfechtung nicht berührt. Der von der Erblasserin im Testament vom …2009 (konkludent) erklärte Widerruf der unbedingten Alleinerbeneinsetzung ihres Ehemannes im Testament 8.6.1999 ist aber eine einseitige Verfügung ist, die nach § 2270 Abs. 3 BGB nicht wechselbezüglich und deshalb auch nicht von der Nichtigkeitsfolge des § 2270 Abs. 1 BGB betroffen sein kann.
(2) Damit bleibt es dabei, dass die Erbeinsetzung des Beschwerdeführers im Testament vom 8.6.1999 wirksam widerrufen ist, so dass nach dem Tod der Erblasserin gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung des BayObLG vom 9.6.1999 (MittBayNot 2000, 119). Maßgeblicher Unterschied in jener Entscheidung war, dass gerade nicht der anfechtende Ehegatte im früheren Testament eingesetzt war, sondern in beiden Testamenten der Sohn als Schlusserbe zum Zuge kommen sollte.
Mithin ist der vom Nachlassgericht erteilte Erbschein richtig.
III.
Die Anschlussbeschwerde ist unbegründet. Das Nachlassgericht hat von einer Kostenentscheidung insgesamt abgesehen, was zur Folge hat, dass für die gerichtlichen Kosten § 22 GNotKG zur Anwendung kommt, die außergerichtlichen Kosten von den Beteiligten selbst getragen werden.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Hinsichtlich der gerichtlichen Kosten folgt die Kostenentscheidung aus dem Verhältnis, in dem die Beteiligten im Beschwerdeverfahren obsiegt haben bzw. unterlegen sind (110.000 € Beschwerde, 5.685 € Anschlussbeschwerde).
Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten ist der Senat der Ansicht, dass der Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2 und 3 anteilig zu tragen hat, soweit diese durch die Einlegung der Beschwerde notwendig veranlasst worden sind.
Für die Anordnung einer darüber hinausgehenden Kostentragungspflicht sieht der Senat keine Veranlassung.
Für die Festsetzung des Geschäftswertes war einerseits auf das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers abzustellen, der anstrebte, Alleinerbe und nicht nur Erbe zu 1/2 zu sein. Hinzurechnen waren die Kosten der Beteiligten zu 2 und 3, deren Überwälzung auf den Beschwerdeführer im Wege der Anschlussbeschwerde erstrebt worden war.
V.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.