OLG München, Beschluss vom 15.11.2011 – 34 Wx 388/11 – Vermächtnis

März 10, 2019

OLG München, Beschluss vom 15.11.2011 – 34 Wx 388/11

Auf die Beschwerde wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Rosenheim – Grundbuchamt – vom 14. Juli 2011 aufgehoben.
Gründe

I.

Im Grundbuch noch als Eigentümerin eingetragen ist die am 9.12.2010 verstorbene Frau E. Zum Nachlass gehört auch Grundbesitz in R. Gemäß notariellem Testament vom 17.3.2009 ist ein Geldvermächtnis zugunsten der Stieftochter ausgesetzt. Dem Beteiligten zu 1, ihrem späteren Ehemann, wurde ebenfalls vermächtnisweise “mein gesamtes restliches Vermögen mit Ausnahme meines Grundbesitzes in M. … und mit Ausnahme meines restlichen Geldvermögens”, zugewandt. (Befreiter) Vorerbe ist der Sohn der Erblasserin. Testamentsvollstreckung ist angeordnet; die beiden Testamentsvollstrecker haben das Amt angenommen.

Zu Urkunde vom 30.5.2011 übertrug der von den Beschränkungen nach § 181 BGB befreite Beteiligte zu 1 das Grundstück in R. an sich selbst zu Alleineigentum. Er handelte hierbei aufgrund vorgelegter “Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung” seiner verstorbenen Ehefrau und damaligen Lebensgefährtin vom 17.3.2009, die in Abschnitt I (a.E.) ihre Wirksamkeit “ab heute” und über den Tod hinaus festlegt und ihn in Abschnitt II unter der Überschrift “Insbesondere Vermögensangelegenheiten (Generalvollmacht)” u.a. ermächtigt, “über Vermögensgegenstände jeder Art zu verfügen”.

Auf den notariellen Vollzugsantrag vom 12.7.2011 hat das Grundbuchamt mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 14.7.2011 folgendes Eintragungshindernis aufgezeigt:

Die Vorsorgevollmacht sei durch den Tod von Frau E. nicht erloschen; der Beteiligte zu 1 könne über den Tod hinaus wirksam auch im Namen der Erben über Grundstücke verfügen. Indessen sei Testamentsvollstreckung angeordnet, die Verfügungsbefugnis vom Erben auf die beiden Testamentsvollstrecker übergegangen. Der Beteiligte zu 1 habe nicht in deren Namen gehandelt. Testamentsvollstreckung bestehe weiterhin parallel zur Vollmacht. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Vollmacht vom Testamentsvollstrecker widerrufen worden sei. Demgemäß sei die Genehmigung der Testamentsvollstrecker in notarieller Form erforderlich.

Die von der beurkundenden Notarin erhobene Beschwerde weist darauf hin, dass sich die Rechte des Generalbevollmächtigten nicht von dem durch Testamentsvollstreckung beschränkten Erben, sondern von der frei verfügungsberechtigten Erblasserin ableiteten. Zudem sei bei ihr zeitlich zuerst das Testament und anschließend die Vorsorgevollmacht beurkundet worden. Die aus der Vollmacht resultierende Vertretungsmacht bleibe bestehen, bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt worden sei. Beides sei nicht der Fall.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 29.7.2011 nicht abgeholfen. Aus Sicht des Rechtspflegers lässt sich im Rahmen der Auslegung von notariellem Testament und notarieller Vollmacht nicht abschließend einschätzen, ob die Vollmacht über den Tod hinaus, anstelle der Testamentsvollstreckung, ebenfalls zur Verfügung über das Grundstück berechtige.

Die beschwerdeführende Notarin hat im Verfahren vor dem Oberlandesgericht noch darauf hingewiesen, dass nicht zu beurteilen sei, was dem Erben als restliches Vermögen zufalle. Der Bevollmächtigte könne aufgrund der erteilten Vorsorgevollmacht beliebige Erklärungen abgeben; allenfalls Missbrauchsfälle seien Anlass, eine beantragte Eintragung abzulehnen. Durch einen Nachtrag vom 27.6.2011 zur Urkunde vom 30.5.2011 sei berichtigt worden, dass der Erwerber die am Vertragsgrundbesitz lastende Grundschuld zur dinglichen Duldung und Haftung übernehme, wie dies vermächtnisweise bestimmt worden sei.

II.

Die unbeschränkt, damit im Namen aller Urkundsbeteiligten (vgl. § 15 Abs. 2 GBO), zu denen auch der Erbe zählt, eingelegte und im Übrigen zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1, § 71 Abs. 1 und § 73 GBO) hat Erfolg. Der Genehmigung des Geschäfts durch die beiden Testamentsvollstrecker in grundbuchtauglicher Form (§ 19 GBO) bedarf es nicht.

1.Mit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist davon auszugehen, dass die transmortale, also schon vor dem Ableben und über den Tod hinaus geltende (siehe Keim DNotZ 2008, 175/176), Generalvollmacht (§ 167 BGB) selbständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen kann (OLG Köln NJW-RR 1992, 1357; RGZ 88, 345; KGJ 37, A 231/237; KG JFG 12, 274/276; Heckschen in Burandt/Rojahn Erbrecht vor § 2197 – 2128 Rn. 16; Palandt/Weidlich Einf v § 2197 Rn. 12; Soergel/Damrau BGB 13. Aufl. § 2205 Rn. 62). Teilweise wird vertreten (Nachweise bei DNotI-Report 1998, 171/172), dass es auf die zeitliche Reihenfolge ankomme. Die zeitgleich oder anschließend erteilte Generalvollmacht würde die Rechte der Testamentsvollstrecker beschränken und der Bevollmächtigte nur an die Beschränkungen gebunden sein, die sich aus der Vollmacht selbst ergeben. Mit dem Kammergericht (KGJ 37 A 231/238) ist der Senat der Auffassung, dass dies nicht ausschlaggebend sein kann (so jetzt auch Palandt/Weidlich Einf v § 2197 Rn. 12; Merkel WM 1987, 1001/1004). Notwendig ist vielmehr eine umfassende Auslegung der beiden notariellen Urkunden. Im allgemeinen wird es der maßgebliche Wille des Erblassers sein, dass keine voneinander unabhängigen Machtbefugnisse verschiedener Personen (Testamentsvollstrecker hier, Bevollmächtigter da) mit gegenseitiger Störungsmöglichkeit nebeneinander bestehen (MüKo/Zimmermann BGB 5. Aufl. Vor § 2197 Rn. 15; ähnlich Staudinger/Reimann BGB Bearb. 2003 Vorbem zu §§ 2197 – 2228 Rn. 68). Jedoch kann es auch Konstellationen geben, in denen sich die Befugnisse des Testamentsvollstreckers einerseits und des Bevollmächtigten andererseits partiell decken, etwa dann, wenn das vorgenommene Geschäft auch aus der Sicht des Vollmachtgebers nicht zu einer Kollision mit den Aufgaben des Testamentsvollstreckers (§ 2203 BGB) führt und dann beide Personen die Rechtsmacht für das entsprechende Geschäft besitzen. Diese Auslegung nach den Maßstäben des § 133 BGB kann und muss das Grundbuchamt, ebenso wie der Senat als Beschwerdegericht, unabhängig von der Schwierigkeit auftauchender Rechtsfragen (vgl. Demharter GBO § 35 Rn. 42 m.w.N.), vornehmen. Dabei sind auch außerhalb der Urkunden liegende Umstände zu berücksichtigen, sofern sie sich aus öffentlichen Urkunden, etwa aus den beigezogenen Nachlassakten, ergeben (BayObLG Rpfleger 1995, 249; 2000, 266).

2. Die vom Senat getroffene Auslegung führt zu dem sicheren Schluss, dass der Beteiligte zu 1 die Verfügungsmacht besitzt, das im zugewandte Grundstück in R. (einschließlich bestehender Belastung) an sich zu übertragen.

a) Zunächst könnte dagegen sprechen, dass die verwendete Vollmacht als “Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung” konzipiert ist. Sie hat also ihren ersichtlichen Schwerpunkt in der lebenszeitigen Vertretung der Vollmachtgeberin. Dagegen spricht nicht unbedingt der Umstand, dass sie über den Tod hinaus wirksam bleiben soll. Denn dies kann sinnvoll sein, eine Vakanz zwischen dem Tod des Vollmachtgebers und der Annahme des Testamentsvollstreckeramts (§ 2202 BGB) zu überbrücken (etwa MüKo/Zimmermann BGB 5. Aufl. Vor § 2197 Rn. 15). Schließlich erwähnt die Vollmacht hinsichtlich Vermögensangelegenheiten abschließend (unter II. j), dass der Beteiligte zu 1 unentgeltlich in dem Anwesen in R. wohnen bleiben und dies verwalten dürfe. Von der Befugnis, die Erfüllung des Vermächtnisanspruchs zu übernehmen, ist hingegen dort nicht die Rede.

b) Indessen gibt die Vollmachtsurkunde in ihrer Gesamtheit keinen hinreichenden Anlass, sie einschränkend zu interpretieren. Sie ist für Vermögensangelegenheiten ausdrücklich als “Generalvollmacht” bezeichnet, was auf den Willen schließen lässt, eine Vertretung im gesetzlich weitestmöglichen Umfang, soweit (Vermögens-) Angelegenheiten betroffen sind, zu ermöglichen (vgl. auch Palandt/Ellenberger BGB 70. Aufl. § 167 Rn. 7). Soweit ihr Text Einzelbefugnisse aufzählt, steht dies unter dem ausdrücklichen Obersatz, dass sich hieraus jedoch keine Einschränkung ergeben soll. Eine inhaltliche Einschränkung erst für den Zeitraum nach dem Tod der Vollmachtgeberin ist der Urkunde selbst nicht zu entnehmen, ebensowenig, dass nur ein Zeitraum bis zur Annahme des Amtes durch die Testamentsvollstrecker überbrückt werden soll. Dies gilt auch insoweit, als die Erwähnung des Wohnanwesens in R. nicht den Umkehrschluss dahin erlaubt, dem Bevollmächtigten bleibe die Übertragung auf sich selbst versagt. Hiergegen spricht, dass nämlich im selben Zusammenhang der Bevollmächtigte ausdrücklich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wird.

c) Zu dem Aufgabenbereich der Testamentsvollstrecker und deren Verfügungsmacht (§§ 2203, 2205 BGB) erkennt der Senat keinen unauflöslichen Widerspruch. Es mag zwar zutreffen, dass nach dem Inhalt des Testaments (unter II. 4 Abs. 2) die Erfüllung der “ausgesetzten Vermächtnisse”, nach der sprachlichen Fassung also nicht nur des einen zugunsten der Stieftochter, mitumfasst ist, also eine Beschränkung ihrer Rechte nicht feststellbar ist (vgl. § 2208 Abs. 1 BGB). Dieser Umstand erscheint indessen nicht durchschlagend. Der Klausel kommt jedenfalls dann eine eigenständige Bedeutung zu, wenn die Vollmacht des Beteiligten zu 1 nach dem Tod der Erblasserin widerrufen wird und erlischt (siehe Palandt/Weidlich Einf v § 2197 Rn. 13; Soergel/Damrau § 2205 Rn. 63) oder der Bevollmächtigte – aus welchen Gründen auch immer – von seinen eigenen Befugnissen keinen Gebrauch macht. Die Aufgabenzuweisung an die Testamentsvollstrecker besteht insoweit unabhängig und widerspricht für das gegenständliche Geschäft nicht der durch Vollmacht selbständig begründeten Rechtsmacht des Vermächtnisnehmers, seinerseits und unabhängig von der Mitwirkung der Testamentsvollstrecker den Anspruch zu seinen Gunsten zu erfüllen.

d) Das gemäß Erklärung vom 30.5./27.6.2011 beurkundete Geschäft ist vom Inhalt der letztwilligen Verfügung und dem Gegenstand des Vermächtnisses ersichtlich gedeckt. Dass das Grundstück in R. zu dem gesamten restlichen Vermögen (mit Ausnahme des Grundbesitzes in M. und des restlichen Geldvermögens) der Erblasserin gehört, ergibt sich aus den beigezogenen und vom Grundbuchamt verwertbaren Nachlassakten desselben Amtsgerichts mit dem darin u.a. enthaltenen Nachlassverzeichnis, im Übrigen schon aus dem Umstand, dass das Eigentum des gegenständlichen Grundstücks (noch) auf den Namen der Erblasserin eingetragen ist (vgl. § 891 BGB).

3. Demnach ist die Zwischenverfügung aufzuheben. Über den endgültigen Vollzug hat nicht der Senat, sondern das Grundbuchamt zu entscheiden, weil Beschwerdegegenstand nur das Eintragungshindernis in der Zwischenverfügung bildet (siehe Demharter GBO 27. Aufl. § 77 Rn. 15 m.w.N.).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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