OLG München, Urteil vom 05.05.2008 – 21 U 5663/07

März 10, 2019

OLG München, Urteil vom 05.05.2008 – 21 U 5663/07

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 14.09.2007, berichtigt durch Beschluss vom 12.10.2007, dahingehend abgeändert, dass in Ziffer I. und II, jeweils die Zug-um-Zug-Zahlung von 120.756,00 Euro an den Beklagten zu 4) als Testamentsvollstrecker entfällt.

II. Die Berufungen der Beklagten zu 2) und 4) werden zurückgewiesen.

III. a) Für die Kosten I. Instanz gilt folgendes:

Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin 2/5, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner 2/5 und der Beklagte zu 4) als Testamentsvollstrecker 1/5. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) und des Beklagten zu 4) als Nacherbe trägt die Klägerin; die Beklagten zu 1) und 2) tragen als Gesamtschuldner 2/5 und der Beklagte zu 4) trägt als Testamentsvollstrecker 1/5 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

b) Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner 2/3; der Beklagte zu 4) als Testamentsvollstrecker 1/3. Der Nebenintervenient trägt seine Kosten selbst.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten zu 1) und 2) und der Beklagte zu 4) als Testamentsvollstrecker dürfen die Vollstreckung aus Ziffer I. dieses Urteiles gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.388,32 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die Parteien dürfen die Vollstreckung aus Ziffer III. dieses Urteils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

In der Berufungsinstanz ist zwischen den Parteien nur noch das Recht zur Kürzung des zugunsten der Klägerin ausgesetzten Vermächtnisses wegen einer Pflichtteilslast und die Höhe des Kürzungsrechts streitig.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Ersturteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz beantragt, … unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 14.09.2007 die Beklagten zu 1) und 2) gesamtverbindlich zu verurteilen, das Grundstück L. straße 9, S., Grundbuch des Amtsgerichts München für S., Flurstück-Nr. …6/42, Wohnhaus und Freifläche, an die Klägerin zum alleinigen Eigentum aufzulassen und die Eintragung der Klägerin im Grundbuch zu bewilligen, sowie den Besitz an dem Grundstücks auf die Klägerin zu übertragen und das Grundstück mit sämtlichen Schlüsseln an die Klägerin herauszugeben, … den Beklagten zu 4) in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker des Nachlasses der am 18.04.2002 verstorbenen Erblasserin Maria G. zu verurteilen, das Grundstück L. straße 9, S., Grundbuch des Amtsgerichts München für S., Flurstück-Nr. …6/42, Wohnhaus und Freifläche, an die Klägerin zum alleinigen Eigentum aufzulassen und die Eintragung der Klägerin im Grundbuch zu bewilligen sowie den Besitz an dem Grundstück auf die Klägerin zu übertragen und das Grundstück mit sämtlichen Schlüsseln an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten zu 1)und 2) und der Beklagte zu 4) als Testamentsvollstrecker haben beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 2) und der Beklagte zu 4) als Testamentsvollstrecker haben in der Berufungsinstanz beantragt,

das Urteil des Landgerichts München I vom 14.09.2007 aufzuheben und neu zu fassen wie folgt,

die Beklagten zu 1) und 2) gesamtverbindlich zu verurteilen, das Grundstück L. straße 9, S., Grundbuch des Amtsgerichts München für S., Flurstück-Nr. …6/42, Wohnhaus und Freifläche, an die Klägerin zum alleinigen Eigentum aufzulassen und die Eintragung der Klägerin im Grundbuch zu bewilligen sowie den Besitz an dem Grundstück auf die Klägerin zu übertragen und das Grundstück mit sämtlichen Schlüsseln an die Klägerin herauszugeben, Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von 120.756,00 Euro und für den Beklagten zu 2) gegen Zahlung eines weiteren Betrages von 29.632,32 Euro durch die Klägerin an den Beklagten zu 4) als Testamentsvollstrecker der Erblasserin Maria G.,

den Beklagten zu 4) in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker des Nachlasses der am 18.04.2002 verstorbenen Erblasserin Maria G. Zug um Zug gegen Zahlung des in Ziffer I genannten Betrages von insgesamt 150.388,32 Euro durch die Klägerin an den Beklagten zu 4) zu verurteilen, das Grundstück L. straße 9, S., Grundbuch des Amtsgerichts München für S., Flurstück-Nr. …6/42, Wohnhaus und Freifläche, an die Klägerin zum alleinigen Eigentum aufzulassen und die Eintragung der Klägerin im Grundbuch zu bewilligen sowie den Besitz an dem Grundstück auf die Klägerin zu übertragen und das Grundstück mit sämtlichen Schlüsseln an die Klägerin herauszugeben.

Die Klägerin hat beantragt,

die Berufung der Beklagten zu 2) und 4) zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

A.

Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Der Klägerin steht aufgrund des zu ihren Gunsten wirksam verfügten Vermächtnisses ein Anspruch auf Übertragung des vermachten Grundstückes zu, der nicht gemäß § 2318 BGB gekürzt werden darf.

14Grundsätzlich greift § 2318 BGB nicht nur zu Gunsten des pflichtteilsberechtigten Alleinerben, sondern auch bei einer Erbenmehrheit (BGH NJW 1985, 2828). Auch steht dem Beklagten zu 4) als Testamentsvollstrecker in gleichem Umfang wie den Erben das Kürzungsrecht gemäß § 2318 BGB zu.

15Das Kürzungsrecht gemäß § 2318 BGB wurde zwar nicht durch eine anderweitige Verfügung der Erblasserin im Sinne von § 2324 BGB ausgeschlossen. Dies hat das Landgericht München I in rechtsfehlerfreier Auslegung des notariellen Testaments vom 16.10.1996 sowie des handschriftlichen Testaments vom 28.02.2008 festgestellt. Im konkreten Fall steht den Vorerben sowie dem Testamentsvollstrecker jedoch kein Kürzungsrecht nach § 2318 BGB zu. Nach dem Grundgedanken des § 2318 Abs. 1 BGB tragen die Erben im Verhältnis zu den Vermächtnisnehmern und Auflagenbegünstigten die Pflichtteilslast anteilig, wenn – wie hier – der Erblasser keine anderweitige Regelung getroffen hat (§ 2324) und kein Ausnahmetatbestand vorliegt (§§ 2321 – 2322 BGB) (MüKo-Lange, § 2318 BGB, Rz. 3). Eine solche Kürzung des Vermächtnisses darf aber nur erfolgen, wenn ein Pflichtteilsanspruch gegen die Erben geltend gemacht werden kann.

16Zwar steht dem dritten Sohn, Horst G., aufgrund der Ausschlagung gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Pflichtteilsanspruch zu. Dieser ist jedoch objektiv verjährt. Horst G. hat spätestens mit der notariellen Beurkundung der Ausschlagungserklärung am 24.07.2002 Kenntnis von seinem Pflichtteilsanspruch erlangt. Den ihnen obliegenden Beweis, dass die dreijährige Verjährungsfrist ausnahmsweise nicht abgelaufen ist, haben die Beklagten nicht geführt. Zwar hat der Streitverkündete in der Berufungsinstanz erstmalig vorgetragen, dass er mit den Beklagten zu 1) und 2) sowie dem Beklagten zu 4) als Testamentsvollstrecker vereinbart habe, für die Berechnung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs den Ausgang dieses Rechtsstreits abzuwarten. Eine derartige Vereinbarung würde auch den Lauf der Verjährung hemmen. Die Klägerin hat jedoch den Vortrag des Streitverkündeten zulässig mit Nichtwissen bestritten. Damit ist der Vortrag des Streitverkündeten gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen, da von den Beklagten nicht vorgetragen wurde, dass der verspätete Vortrag nicht auf Nachlässigkeit beruht. Auch die Frage, ob ein Vorbringen des Streithelfers verspätet ist, ist so zu beurteilen, als wenn es von der Partei selbst stammen würde (BGH NJW 1990, 190).

17Jedenfalls dann, wenn der zur Kürzung berechtigende Pflichtteilsanspruch objektiv verjährt ist, kann es nicht mehr darauf ankommen, ob die mit dem Pflichtteilsanspruch Belasteten die Verjährungseinrede tatsächlich erheben. Andernfalls hätte dies zur Folge, dass die Erben und der Testamentsvollstrecker dem Vermächtnisnehmer eine Kürzung entgegenhalten könnten, obwohl sie nicht beschwert sind.

B.

Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässigen Berufungen des Beklagten zu 2) und des Beklagten zu 4) als Testamentsvollstrecker sind unbegründet. Aus den oben dargelegten Gründen steht weder dem Beklagten zu 2) als Vorerben noch dem Beklagten zu 4) als Testamentsvollstrecker ein Kürzungsrecht gemäß § 2318 Abs. 1, Abs. 3 BGB zu.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92, 97, 100 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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