OLG München, Urteil vom 20. Juni 2012 – 3 U 114/12 Vermögensverwaltung: Stillschweigender Verzicht auf Auskunftserteilung oder Rechnungslegung

November 17, 2019

OLG München, Urteil vom 20. Juni 2012 – 3 U 114/12
Vermögensverwaltung: Stillschweigender Verzicht auf Auskunftserteilung oder Rechnungslegung
1. Ein stillschweigender Verzicht des Auftraggebers auf Auskunftserteilung oder auf Rechnungslegung kann auch gegenüber einem besonders vertrauenswürdigen Beauftragten nur in engen Ausnahmefällen und bei ganz besonderen Umständen angenommen werden, etwa dann, wenn der Auftraggeber während langjähriger Verwaltung niemals Rechnungslegung verlangt hat. Beauftragen gesundheitlich beeinträchtigte Eheleute (hier: durch einen Schlaganfall bzw. durch zunehmende Demenz) bei ihrem Umzug in ein Seniorenwohnheim eines ihrer Kinder mit der Vermögensverwaltung, ist es als Normalfall anzusehen, dass diese keine Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren stellen.
2. Ein konkludenter Verzicht erfasst in der Regel nicht die Abrechnung über größere Beträge (Anschluss BGH, 4. Dezember 2000, II ZR 230/99, NJW 2001, 1131). Insoweit ist auf die Vermögens- und Einkommenssituation der Auftraggeber abzustellen: Reicht die Rente beider Eltern nicht vollständig aus, um die Heimkosten zu decken und beträgt das Geldvermögen der Eheleute zum Zeitpunkt ihrer Übersiedlung in das Seniorenheim 96.000 €, sind bereits Beträge von mehreren Hundert Euro als „größere Beträge“ anzusehen.
vorgehend LG Traunstein, 2. Dezember 2011, 5 O 747/11

Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Teil- und Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 02.12.2011 unter Aufrechterhaltung von Ziffer I. und IV. in Ziffer II. und III. wie folgt abgeändert:
(II.) Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber den Klägerinnen Rechenschaft über die Verwendung der Überweisung von 1.000,00 EUR am 20.01.2006 vom Konto der Eheleute Rosina und Franz I. bei der Sparkasse F. Nr. 59…, der Barabhebungen von diesem Konto am 20.01.2006 über 500,00 EUR, am 20.01.2006 und am 20.03.2006 über je 300,00 EUR und am 14.06.2006 über 150,00 EUR sowie über die Verwendung der Guthaben und Wertpapiere auf den Konten der Eheleute Rosina und Franz I. bei der Raiffeisenbank eG A., Konto-Nr. 76… seit dem 13.02.2006, Konto-Nr. 33… seit dem 21.03.2006, Konto-Nr. …30 seit dem 21.03.2006, Konto-Nr. …28 seit dem 16.09.2008, Depot-Nr. …30 seit dem 01.01.2006, Depot-Nr. 1…28 seit dem 01.01.2006 jeweils bis zum 21.05.2009 abzulegen und für die Ausgaben Belege vorzulegen, soweit nicht durch Überweisung zugunsten des Seniorenheims St. R. B. über die Guthaben verfügt worden ist.
(III.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen je 669,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.03.2011 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Kosten abgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist im wesentlichen ein von den Klägerinnen mittels Stufenklage in der ersten Stufe verfolgter Auskunftsanspruch für den Zeitraum bis 21.05.2009 (Tod der gemeinsamen Mutter Rosina I).
Das Landgericht hat mit am 02.12.2011 verkündetem Teil- und Endurteil die Beklagte für den Zeitraum ab dem 21.05.2009 zur Rechenschaftslegung und Belegvorlage sowie zur teilweisen Erstattung der vorgerichtlichen Kosten verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen.
Auf die im erstinstanzlichen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 24.06.2011 (Blatt 73/78 der Akten) und vom 28.10.2011 (Blatt 130/143 der Akten) sowie die zwischen den Parteivertretern erstinstanziell gewechselten Schriftsätze wird verwiesen.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr erstinstanziell verfolgtes Ziel auf Rechenschaftslegung und Belegvorlage für die Zeit bis 21.05.2009 sowie vollständigen Ersatz der vorgerichtlichen Auslagen unverändert weiter.
Die Klägerinnen wenden sich zum einen gegen den Urteilstenor Ziffer III., wonach die Klage im übrigen abgewiesen wird. Dieser Tenor beschränke die Abweisung nicht auf die Ziffern 1. und 3. der Anträge der Klägerinnen, die zuletzt im Termin vom 28.10.2011 gestellt wurden. Weiterhin wenden sich die Klägerinnen gegen die Auffassung des Erstgerichts, die verstorbenen Eltern der Parteien hätten wirksam auf die Erfüllung der gesetzlichen Auskunfts- und Rechenschaftspflichten des § 666 BGB verzichtet. Entgegen dieser Beurteilung des Landgerichts gebe es jedoch keinerlei Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen würden, dass von der gesetzlichen Regelung abweichend in einer so gravierenden und bedeutsamen, die wirtschaftliche Existenz der Eheleute I. betreffenden Frage auf den Anspruch auf Rechenschaft gegenüber der Beklagten über die Verwendung des gesamten Vermögens und der Renteneinkünfte verzichtet worden wäre. Kein Kriterium dafür könne alleine sein, ob sich die Beklagte und deren Ehemann während des Aufenthalts der gemeinsamen Eltern der Parteien im Altenheim in B. von Januar 2006 bis zum Tod der Eltern im September 2008 bzw. Mai 2009 mehr oder weniger intensiv um sie gekümmert hätten. Der Zweck der Übertragung der Verfügungsmacht über die Kontoguthaben an die Beklagte habe darin bestanden, die den Eheleuten Ilg zur Verfügung stehenden Mittel zweckentsprechend zur Erfüllung bestehender Verpflichtungen der Eheleute I. oder zur Befriedigung der Bedürfnisse der Eheleute I. einzusetzen und durch die diesbezügliche Tätigkeit der Beklagten die insoweit bestehenden physischen und psychischen Defizite der Eheleute I. zu kompensieren.
Im übrigen sei davon auszugehen, dass Frau I. bereits bei Übersiedlung in das Heim geistig nicht mehr in der Lage gewesen sei, wirksam auf ihre gesetzlichen Rechte bezüglich der Verwendung ihrer Guthaben zu verzichten. Zudem habe das Landgericht rechtsfehlerhaft den Umstand nicht gewürdigt, dass es den Eheleuten I. besonders wichtig gewesen sei, dass ihre drei Töchter gerecht und gleichermaßen bedacht würden, dies ergebe sich auch aus dem als Anlage K 17 vorgelegten Vertrag mit der Sparkasse F., in dem die Eheleute I. für den Fall ihres Ablebens am 25.10.2005, also wenige Wochen vor Erteilung der Bankvollmacht und nach Übersiedlung nach B., ihre Guthaben auf den Konten bei der Sparkasse F. den Parteien zu gleichen Teilen zuwendeten.
Außerdem sei auch die Persönlichkeit der Beklagten mit der Annahme des Landgerichts, dass die Eheleute I. ihr unter Verzicht auf jeglichen Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch ihr gesamtes Vermögen zur freien Verwendung anvertraut hätten, nicht in Einklang zu bringen, da die Beklagte unverändert Alkoholikerin sei, wie sie auch mit ihren unkontrollierten, jähzornigen Ausfällen in beiden Verhandlungen vor dem Erstgericht demonstriert habe.
Hätten die Eheleute I. auf die Abrechnung für Kleinbeträge verzichtet, würde das nicht die Abrechnung über größere Beträge erfassen. Nähme man aber an, die Eheleute I. hätten auf die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht insgesamt verzichtet und die Beklagte diesen Verzicht angenommen, wäre eine solche Vereinbarung sittenwidrig und daher nichtig.
Im übrigen habe der BGH ein so intensives Vertrauensverhältnis, das bei der Erteilung einer Bankvollmacht eine Rechenschaftspflicht ausschließe, nur bei Eheleuten und langjährigen nichtehelichen Lebenspartnern angenommen; dies könne nicht auf die hier vorliegende Fallkonstellation übertragen werden.
Im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 07.02.2012 (Blatt 182/198 der Akte) verwiesen.
Die Klägerinnen beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 02.12.2011, Az. 5 O 747/11,
1. die Beklagte zu verurteilen, gegenüber den Klägerinnen Rechenschaft über die Verwendung der Überweisung von 1.000,00 EUR am 20.01.2006 vom Konto der Eheleute Rosina und Franz I. bei der Sparkasse F. Nr. 59…, der Barabhebungen von diesem Konto am 20.01.2006 über 500,00 EUR, am 20.01.2006 und am 20.03.2006 über je 300,00 EUR und am 14.06.2006 über 150,00 EUR sowie über die Verwendung der Guthaben und Wertpapiere auf den Konten der Eheleute Rosina und Franz I. bei der Raiffeisenbank eG A.., Konto-Nr. 76… seit dem 13.02.2006, Konto-Nr. 33… seit dem 21.03.2006, Konto-Nr. …30 seit dem 21.03.2006, Konto-Nr. …28 seit dem 16.09.2008, Depot-Nr. …30 seit dem 01.01.2006, Depot-Nr. …28 seit dem 01.01.2006 jeweils bis zum 21.05.2009 abzulegen und für die Ausgaben Belege vorzulegen, soweit nicht durch Überweisung zugunsten des Seniorenheims St. R. B. über die Guthaben verfügt worden ist.
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerinnen weitere je 756,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2011 zu zahlen.
3. Die Entscheidung über den unbezifferten Zahlungsantrag der Klägerinnen bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzielle Entscheidung. Das Erstgericht habe bezüglich der Klageanträge zu I. und II. erkennbar ein Teilurteil erlassen und eine Entscheidung zum unbezifferten Zahlungsantrag gemäß Klageantrag IV. damit erkennbar nicht getroffen.
Die von den Klägerinnen geltend gemachten Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche gemäß § 666 BGB für die Zeit vor dem Versterben der Mutter der Parteien am 21.05.2009 habe das Erstgericht mit zutreffender Begründung verneint. Grund für den Ausschluss jedenfalls aufgrund stillschweigender Vereinbarung bzw. Verzicht sei die Bejahung des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen der Beklagten und ihren Eltern. Zu dieser Überzeugung sei das Erstgericht aufgrund seiner Beweiswürdigung gekommen, die nicht angreifbar sei.
Der Vortrag, die Erblasserin Frau I. sei dement gewesen und daher geschäftsunfähig, sei rein spekulativ. Die Errichtung eines Testaments und die Begünstigung der eigenen Kinder als Erben zu gleichen Teilen sei in keinster Weise dahingehend zu verstehen, dass Auskunfts- und Rechenschaftspflichten zu Lebzeiten der Geschwister untereinander bestünden.
Die Beklagte sei keine Alkoholikerin, auch nicht gewesen. Daher sei das Erstgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht bewiesen sei, dass die Beklagte in jüngerer Zeit noch überdurchschnittliche Probleme mit dem Alkoholkonsum gehabt habe.
Das Erstgericht habe bei seiner Begründung durchaus auch darauf abgestellt, dass es von höheren Ausgaben im Einzelfall ausgehe, wo eine sofortige Auskunft über die getätigten Ausgaben hätte verlangt werden können. Es könne nicht die Rede davon sein, dass die Beklagte nach freiem Ermessen und ohne Einholung von Weisungen oder Zustimmungen durch ihre Eltern gehandelt habe. Sie habe mit den Eltern über Ausgaben gesprochen und natürlich den Wünschen der Eltern entsprechend Anschaffungen getätigt.
Im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Berufungserwiderung vom 05.04.2012 (Blatt 203/210 der Akten) verwiesen.
Der Senat hat am 16.05.2012 mündlich verhandelt; auf das Protokoll (Blatt 211/213 der Akten) wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung ist im wesentlichen – abgesehen von der letztlich zuerkannten Höhe der außergerichtlichen Kosten – begründet und führt zur Abänderung des Ersturteils wie tenoriert.
Durch die Abänderung von Ziffer III. des Ersturteils wurde klargestellt, dass sich die Klageabweisung lediglich auf die vorgerichtlichen Kosten der Klägerinnen, nicht aber auf die Zahlungsklage nach Auskunftserteilung erstreckt.
1. Den Ausführungen des Erstgerichts hinsichtlich des Bestehens von Auskunfts- und Rechenschaftspflichten aufgrund eines Auftragsverhältnisses im Sinne von § 666 BGB schließt sich der Senat an (Entscheidungsgründe Ziffern 2.1, 2.2, 2.3). Soweit das Erstgericht eine – ausdrückliche oder stillschweigende – Vereinbarung hinsichtlich eines völligen Ausschlusses dieser Pflichten annimmt, kann dem jedoch nicht gefolgt werden.
Im Einzelnen ist hierzu auszuführen:
Den Klägerinnen steht als Erbinnen und Miterbinnen der Auftraggeber der Rechenschaftsanspruch des § 666 BGB im Hinblick auf die Verwendung der Gelder von den Konten der Eheleute I. in dem tenorierten Umfang – Zeitraum 01.01.2006 bis zum 21.05.2009 – zu. Die Rechenschaftspflicht bemisst sich in ihrem Umfang und Inhalt nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 259 und 261 BGB, d. h. dass mit ihr zugleich die Pflicht zur Rechnungslegung im Sinne einer Darlegung und Erläuterung, Nachweisung und Begründung der vermögensmäßigen Auftragsabwicklung (Einnahmen und Ausgaben) verbunden ist (Staudinger, BGB, Auflage 2006, Bearbeiter Martinek, § 666, Rdnr. 14). Sie umfasst auch die Vorlage von Belegen.
Ein Verzicht auf Auskunftserteilung oder Rechnungslegung kann konkludent erfolgen. Ein stillschweigender Verzicht des Auftraggebers auf Auskunftserteilung oder auf Rechnungslegung wird jedoch auch gegenüber einem besonders vertrauenswürdigen Beauftragten nur in engen Ausnahmefällen und bei ganz besonderen Umständen angenommen werden dürfen, etwa dann, wenn der Auftraggeber während langjähriger Verwaltung niemals Rechnungslegung verlangt hat (Staudinger, a.a.O., § 666, Rdnr. 18). Im vorliegenden Fall setzte die vermögensverwaltende Tätigkeit der Beklagten für ihre Eltern im Januar 2006 ein, als im Januar 2006 der Umzug der Eltern von F. ins Seniorenheim nach B. aufgrund deren gesundheitlichen Zustands erforderlich wurde, und manifestierte sich darin, dass der Beklagten am 13.02.2006 Zeichnungsberechtigung für die Konten der Eltern bei der Raiffeisenbank B. eingeräumt sowie ihr am 14.04.2006 Vorsorgevollmacht und Bankvollmacht über den Tod hinaus erteilt worden war. Dabei war schon aufgrund eines Pfingsten 2000 erlittenen Schlaganfalls bei Franz I. die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt; die Eltern verließen nach dem Einzug in das Heim dieses nur selten, wie sie schon die Wohnung in F. zuletzt kaum noch hatten verlassen können. Wie die – als neutral einzuschätzende – Zeugin Rosmarie P. bekundete, die die Eheleute vor ihrem Umzug ins Seniorenheim in B. ambulant zu Pflegeleistungen aufgesucht hatte, beobachtete sie ab dem Jahr 2005 Zeichen zunehmender Demenz bei Frau I. Dass bei derartigen Beeinträchtigungen beider Eheleute diese keine Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren stellten, ist als Normalfall anzusehen. Anlass für eine Rechenschaftslegung hätte sich hier aus Sicht der Eltern erst geboten, wenn für sie größere persönliche Anschaffungen angestanden hätten (wie bei einem Aufenthalt in einem Pflegeheim im allgemeinen nicht üblich) und hierfür Geldmittel gefehlt hätten. Ob eine vermögensverwaltende Tätigkeit, wie sie hier die Beklagte ausübte, als langjährige Verwaltung im Sinne der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Recht 1904, 2229) und des Reichsgerichts (LZ 1923, 314) angesehen werden kann, ist eher fraglich. Auch vergleichbare “ganz besondere Umstände” im Sinne dieser Rechtsprechung, die zusätzlich zu einem “besonderem Vertrauensverhältnis” vorliegen müssten, lassen sich hier nicht erschließen.
Abgesehen hiervon erfasst ein konkludenter Verzicht dann aber in der Regel nicht die Abrechnung über größere Beträge (BGH NJW 2001, 1131). Insoweit ist hier auf die Vermögens- und Einkommenssituation der Auftraggeber abzustellen: Diese war vorliegend dadurch gekennzeichnet, dass die Rente beider Eltern nicht vollständig ausreichte, um die Heimkosten zu decken. Das Geldvermögen der Eheleute I., das die Beklagte verwaltete, betrug zum Zeitpunkt ihrer Übersiedlung in das Seniorenheim in Burgkirchen 96.000,– €. Unter diesen Gesichtspunkten sind bereits Beträge von mehreren Hundert € als “größere Beträge” anzusehen.
Auch wenn man – entgegen den vorstehend geäußerten Bedenken wegen eines konkludenten Verzichts – einen solchen unterstellen würde, ist wiederum auf die höchstrichterliche Rechtsprechung Bedacht zu nehmen.
So kann etwa die Nachholung der Rechnungslegung verlangt werden, wenn sich im Nachhinein Zweifel an der Zuverlässigkeit des Beauftragten aufdrängen (BGHZ 39, 87, 93; BGH NJW-RR 1987, 963 f.).
So hat der BGH mit Urteil vom 04.12.2000 (ZEV 2001, 194 f.) für die Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht unter Familienmitgliedern bei der Verwaltung gemeinsamen Vermögens auch hier beachtenswerte Grundsätze aufgestellt. Bei dem dort gegebenen Sachverhalt der Verwaltung eines im Miteigentum der beiden Parteien (Schwestern, die Beklagte als Verwalterin) stehenden (wohl verpachteten) Grundstücks ließ es der BGH dahinstehen, “ob in der mehrjährigen Entgegennahme “runder Beträge”, über die eine Abrechnung nicht erteilt und von der Klägerin auch nicht verlangt wurde, mit Rücksicht auf die enge Verwandtschaft der Parteien und die Unentgeltlichkeit der Grundstücksverwaltung durch die Beklagte ein Verzicht der Klägerin auf Auskunft und Rechenschaft, wie sie die Beklagte nach § 666 BGB schuldete, gesehen werden” könnte. Dieser Verzicht hätte jedoch nicht sämtliche Zahlungsansprüche der Klägerin umfasst, die sich bei genauer Abrechnung ergeben hätten. Und weiter: “Das Verwandtschafts- und Vertrauensverhältnis der Parteien sowie die übrigen Umstände, die unentgeltliche, nicht gewerbsmäßige Tätigkeit der nicht zur Grundstücksverwalterin ausgebildeten Beklagten und die mit der exakten Abrechnung aller Einnahmen und Ausgaben verbundene Mühe konnten allenfalls den Schluss rechtfertigen, die Klägerin habe mit dem Verzicht auf Rechenschaft stillschweigend auch auf verhältnismäßig unwesentliche Spitzen von Zahlungsansprüchen verzichtet, sei also etwa mit der Abrundung einer Summe auf einen glatten Betrag oder der Nichtberücksichtigung von Kleinbeträgen einverstanden.” Für die Annahme eines weiterreichenden Verzichts der hier in Rede stehenden Größenordnung (noch 70.000,– DM bei insgesamt “pauschal” bezahlten 20.000,– DM) fehle dagegen jeder Anhaltspunkt. In einer weiteren Entscheidung vom 18.11.1986 (NJW-RR 1987, 963 f.) führt der BGH zu der Konstellation Beauftragung des Vaters durch den Sohn mit der Verwaltung des umfangreichen mütterlichen Nachlasses ohne laufende Rechnungslegung und Beendigung dieser Verwaltung durch den Tod des Vaters mit Herausgabeklage des Sohnes aus: “Da er seinem Vater offenbar vertraute, war es verständlich, dass er nicht auf einer laufenden Rechenschaftslegung während der Dauer der Verwaltung bestand. Es geht aber nicht an, daraus zu schließen, der Kläger habe damit auch auf seinen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach Beendigung der Verwaltung verzichtet, nachdem sich nach seiner Behauptung herausgestellt hatte, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil des Erlangten nicht mehr vorhanden war. Dem Berufungsgericht mag vorgeschwebt haben, dass nach der Rechtsprechung des BGH die nachträgliche Erhebung des Anspruchs auf Rechnungslegung unter Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn er jahrelang nicht geltend gemacht worden ist.” Und weiter: Jedenfalls liege ein Treueverstoß “dann nicht vor, wenn sich nachträglich herausstellt, dass Zweifel an der Zuverlässigkeit des Beauftragten und seiner Geschäftsführung berechtigt sind”; es gehe nicht an, dem Kläger mit einem Hinweis auf seinen Verzicht auf eine laufende Rechenschaftslegung während der Vermögensverwaltung die Möglichkeit abzuschneiden, bei der Beendigung der Vermögensverwaltung im Nachlass nicht mehr vorhandene Vermögensgegenstände zurückzufordern”.
Im streitgegenständlichen Fall ist relevant, dass zu Beginn der Vermögensverwaltung durch die Beklagte 96.000,– € vorhanden waren (Anlage K 3), zum Zeitpunkt des Todes von Rosina I. (21.05.2009) aber nur noch 61.098,59 € (Anlage K 4), also noch etwas über 60 %, wovon 20.000,– € auf Barabhebungen entfielen. Das Verhalten der Beklagten gab auch Anlass zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit an ihr als der Beauftragten. Das Schreiben der Klägerin zu 1) an die Beklagte vom 13.07.2009, mit dem um Auskunft über den Verbleib des Geldes und um Belege gebeten wurde, blieb erfolglos, die Beklagte erklärte telefonisch: “Ihr kriegt von mir überhaupt nichts nachgewiesen” und könntet “die Rechnungen meinetwegen von der Beerdigung haben” (die bis heute nicht vorliegen), auch erfolgte seitens der Beklagten gegenüber dem Amtsgericht Altötting ausweislich Schreibens vom 03.08.2009 (Anlage K 6) eine falsche Information, nämlich dahingehend, “dass kein die Beerdigungskosten übersteigendes Vermögen oder Grundbesitz vorhanden war”. Bereits diese Sachverhalte waren geeignet, das Wiederaufleben einer Rechnungslegung zu bewirken, auf die – unterstellt – verzichtet worden war (vgl. Beck’scher Online-Kommentar, BGB, Stand 01.02.2012, Bearbeiter Fischer, § 666, Rdnr. 7).
Der Anspruch auf Rechenschaft ist auch nicht verjährt, er umfasst vielmehr den gesamten Zeitraum der Verwaltung, die bis 21.05.2009 zuerst für die Eheleute I., dann für Rosina I., ausgeübt wurde. Die 3-jährige Verjährungsfrist ist mit Klageerhebung vom 23.02.2011 unterbrochen.
Der Umfang des Rechenschaftsanspruchs, wie vom Senat tenoriert, ist, was Konten und Depots der Eheleute I. bei der Raiffeisenbank eG A. angeht, aufgrund der erteilten Bankvollmacht nicht zweifelhaft, was die Barabhebungen bzw. Überweisung vom Konto bei der Sparkasse F. angeht, ergibt sich die Auskunftspflicht der Beklagten als zumindest im Einzelfall mit der Ausführung durch die Eltern Beauftragte.
Im Übrigen hindert es den Auskunftsanspruch nicht, wenn sich der Auftraggeber – hier die Klägerin als Rechtsnachfolgerinnen – die Informationen selbst verschaffen könnten (BGH LM Nr. 21 zu § 666 BGB).
2. Die vorgerichtlichen und durch den Verzug der Beklagten mit Auskunftserteilung entstandenen Kosten waren gegenüber den insgesamt geltend gemachten 2.104,98 € zu reduzieren:
a) Während der Anspruch auf die Auskunftsgebühren, zu entrichten gewesen an die Raiffeisenbank B., den Klägerinnen in der nachgewiesenen Höhe (Anlage K 9) zusteht, sind die Kosten des Erbscheins von insgesamt 329,31 € (Anlagen K 11, K 12) von der Beklagten nur mit einem ihren Erbanteil entsprechenden Anteil von 1/3, also 109,77 € zu tragen.
b) Ferner sind aus der Anwaltsrechnung vom 09.02.2011 (Anlage K 10) nur die für vorgerichtliche Tätigkeit angefallenen 1.078,72 € (Gegenstandswert 11.892,– €) zu ersetzen. Der hierin weiter aufgeführte Gerichtskostenvorschuss von 657,– € war nicht zuzusprechen, da in der Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits enthalten, die Auslagen von 109,50 € sind nicht hinreichend schlüssig dargetan. Insoweit war die Klage abzuweisen, was sich jedoch kostenmäßig nicht auswirkt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziff. 11 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen ersichtlich nicht vor.

Schlagworte

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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