OLG Zweibrücken 4 U 52/21

August 11, 2022

OLG Zweibrücken 4 U 52/21

Präjudizielle Rechtskraftwirkung eines Herausgabeurteils für einen Zweitprozess auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Herausgabe

Wegen der materiellen Bindungswirkung der vorausgehenden Verurteilung zur Herausgabe der Goldbarren muss sich die Beklagte im nachfolgenden Schadensersatzprozess wegen Nichtherausgabe der Goldbarren so behandeln lassen, als hätten sich die Goldbarren während der Dauer des Vorprozesses tatsächlich noch in ihrem Besitz befunden und als hätte sie den Besitz daran unter den Voraussetzungen des § 989 BGB verloren.

vorgehend LG Frankenthal, 11. März 2021, 8 O 289/20
nachgehend OLG Zweibrücken 4. Zivilsenat, 21. September 2021, 4 U 52/21, Berufung zurückgewiesen

Gründe OLG Zweibrücken 4 U 52/21

Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat die Voraussetzungen für eine Zurückweisung ihrer Berufung im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO als erfüllt ansieht.

Die Beklagte wurde in dem zwischen den Parteien geführten Vorprozess 8 O 106/19 LG Frankenthal (Pfalz) durch rechtskräftiges Urteil vom 19.05.2020 zur Duldung der Vollstreckung eines Vindikationsanspruchs der Klägerin aus § 985 BGB auf Herausgabe von zwei Goldbarren aus dem von der Beklagten verwalteten Nachlass verurteilt. Die von der Klägerin nach Rechtskraft des vorbezeichneten Urteils mit Anwaltsschreiben vom 27.07.2020 gesetzte Frist zur Erfüllung des titulierten Herausgabeanspruchs ist erfolglos verstrichen.

Deshalb kann die Klägerin nunmehr – an Stelle der Herausgabe – gemäß §§ 280 Abs.1, Abs. 3, 281 BGB Schadensersatz verlangen (zur Anwendbarkeit des allgemeinen Leistungsstörungsrechts auf den vindikatorischen Herausgabeanspruch vgl. BGHZ 209, 270 = NJW 2016, 3235).

Die Berufung darauf, dass sie bereits vor Rechtshängigkeit des Vorprozesses die Goldbarren im guten Glauben an deren Zugehörigkeit zum Nachlass veräußert habe und sonach – entgegen den Feststellungen in dem Urteil vom 19.05.2020 – schon bei Erhebung der dortigen Klage nicht mehr Besitzerin gewesen sei, ist der Beklagten aus Rechtsgründen verwehrt.

Denn damit setzt sie sich in einen unzulässigen Widerspruch zu der für die Parteien und auch für die jetzt urteilenden Gerichte bindenden präjudiziellen Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO) der Verurteilung zur Herausgabe in dem Vorprozess (vgl. BGH NJW 1969, 1064; Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., Vor § 322 Rn. 27).

Das stellt für die Beklagte im Ergebnis auch keine unzumutbare Härte dar, weil sie – entgegen der sie nach § 138 Abs. 1 ZPO treffenden Pflicht zu vollständiger und wahrheitsgemäßer Sachdarstellung – die Besitzaufgabe an den Goldbarren im Vorprozess nicht vorgetragen hat. Im Gegenteil: Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 09.01.2020 in dem Rechtsstreit 8 O 106/19 wurde im Beisein der Beklagten und ohne deren Widerspruch protokolliert, dass sich zwei Goldbarren weiterhin im Nachlass befänden.

Gegen eine von der Klägerin etwa betriebene Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Herausgabetitel hätte sich die Beklagte auf der Grundlage ihres nunmehrigen Vorbringens nicht mit Aussicht auf Erfolg verteidigen können (vgl. § 767 Abs. 2 ZPO); insbesondere ist für eine vorsätzliche sittenwidrige Titelerschleichung durch die Klägerin (§ 826 BGB) nichts ersichtlich.

Bedacht ist, dass die Anwendung der §§ 280, 281 BGB auf den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB im Grundsatz nicht dazu führen darf, dass die verschärften Haftungsvoraussetzungen der §§ 989, 990 BGB mit ihrer Privilegierung des gutgläubigen, unverklagten Besitzers unterlaufen werden (BGH a.a.O. Rn. 24 m.w.N.). In der hier zu beurteilenden besonderen Fallkonstellation hilft dies der Beklagten aber nicht weiter.

Denn gerade wegen der materiellen Bindungswirkung ihrer vorausgehenden Verurteilung zur Herausgabe der Goldbarren muss sich die Beklagte im jetzigen Schadensersatzprozess ausnahmsweise so behandeln lassen, als hätten sich die Goldbarren während der Dauer des Vorprozesses tatsächlich noch in ihrem Besitz befunden und als hätte sie den Besitz daran unter den Voraussetzungen des § 989 BGB verloren. Nichts anderes gilt für die Frage des Vertretenmüssens der Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB.

Der Anspruch auf Schadensersatz in Geld bestimmt sich grundsätzlich nach dem Wert- und Preisverhältnis im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Prozess über den Schadensersatz (Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., Vorb v § 249 Rn. 127 m.w.N.). Wenn der Erstrichter stattdessen auf den 08.05.2020 abgestellt hat, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung in dem Vorprozess der Parteien entsprach, ist mit Blick auf die Entwicklung des Goldpreises in der Folgezeit das angefochtene Urteil in diesem Punkt jedenfalls nicht zum Nachteil der Beklagten unrichtig.

Einer etwa beabsichtigten Stellungnahme wird bis zum 30.08.2021 entgegengesehen.

OLG Zweibrücken 4 U 52/21

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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