Testamentarische Einschränkung des gesellschaftsvertraglichen Eintrittsrechts:

September 3, 2020

BGH, Urteil vom 25. Mai 1987 – II ZR 195/86

Testamentarische Einschränkung des gesellschaftsvertraglichen Eintrittsrechts:

Tatbestand

Den Klägern geht es um die Feststellung, daß sie seit dem 10. September 1984 Gesellschafter der Friedrich K., KG sind. Die Kläger sind die Abkömmlinge Ludwig K.’s, der 1943 zusammen mit seinem Bruder Erich vom Vater Friedrich K. ein Kühlhaus und eine Eisfabrik geerbt hatte. Ludwig K. gründete nach dem Tode Erich K.’s am 14. Juni 1957 mit dessen Erben, den Beklagten, die Kommanditgesellschaft. Ludwig K. und die Witwe Erichs wurden persönlich haftende Gesellschafter, die Abkömmlinge Erichs wurden Kommanditisten. Nach § 12 des Gesellschaftsvertrages wird die Gesellschaft nach dem Tode eines Gesellschafters mit dessen Erben unter der Voraussetzung fortgesetzt, daß diese in gerader Linie mit Friedrich K. verwandt sind.

Ludwig K. und seine Ehefrau setzten sich am 14. März 1977 in einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu alleinigen Erben ein; Erben des Letztversterbenden sollten zu gleichen Teilen die gemeinsamen Kinder, die Kläger, werden. Am 19. Juni 1981 verstarb Ludwig K.. Nachdem die Beklagten am 10. August 1984 abgelehnt hatten, die Witwe Ludwigs an dessen Stelle in die Gesellschaft aufzunehmen, erklärten am 10. September 1984 die Kläger ihren Eintritt in die Gesellschaft. Die Erbin trat ihnen am 26. November 1984 ihren Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft ab.

Die Kläger klagen auf Feststellung, daß seit dem 10. September 1984 der Kläger zu 1 persönlich haftender Gesellschafter und die Kläger zu 2 bis 4 Kommanditisten der Kommanditgesellschaft geworden sind. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Antrag weiter, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Zurückverweisung.

1. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß die Kläger nicht als Erben ihres Vaters in dessen Gesellschafterstellung nachgefolgt sind oder als Nacherben noch nachfolgen können. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Kläger – was das Berufungsgericht angenommen hat und was nach dem Wortlaut des Testaments naheliegt – testamentarisch als Erben des Letztversterbenden eingesetzt worden sind oder ob sie, worauf die Revision abstellt, nach dessen Tode Nacherben des zuerst Verstorbenen werden sollen. Denn auch als Nacherben könnten die Kläger aufgrund der Nachfolgeklausel nur Gesellschafter werden, wenn zuvor der Vorerbe Gesellschafter geworden und bis zum Eintritt der Nacherbfolge geblieben ist. Erfüllt der Vorerbe die Voraussetzungen für eine Gesellschafternachfolge nicht, weil er – wie im vorliegenden Falle gefordert – nicht in gerader Linie vom einstigen Alleininhaber des Unternehmens abstammt, so versagt die Nachfolgeklausel mit der Folge, daß die Mitgliedschaft erlischt und allenfalls ein Abfindungsanspruch vorhanden ist, den die Nacherben erben könnten.

2. Ohne Erfolg wendet die Revision sich auch gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, daß § 12 des Gesellschaftsvertrages neben der Nachfolgeklausel nicht auch noch eine Eintrittsklausel für Abkömmlinge enthalte, die nicht Erben geworden sind. Es heißt dort, daß die Erben bestimmen können, wer von ihnen nachfolgt, und daß sämtliche ehelichen Abkömmlinge oder Geschwister des verstorbenen Gesellschafters Gesellschafter werden, falls sie sich nicht innerhalb einer bestimmten Frist einigen. Landgericht und Berufungsgericht haben diese Regelung rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, daß auch nach ihr die Gesellschafterstellung der ehelichen Abkömmlinge und der Geschwister davon abhängt, daß sie Erben des verstorbenen Gesellschafters sind.

3. Die Revision wendet sich aber mit Recht dagegen, daß das Berufungsgericht keine Möglichkeit gesehen hat, den Klägern durch ergänzende Vertragsauslegung zu einem Eintrittsrecht zu verhelfen. Das Berufungsgericht beantwortet die Frage, was die Gesellschafter vereinbart hätten, wenn sie das Scheitern der erbrechtlichen Nachfolgeklausel hätten voraussehen können, zwar ohne Rechtsfehler dahin, daß sie sich für eine Eintrittsklausel entschlossen hätten. Es sieht sich jedoch nicht in der Lage, den Vertrag um eine solche Klausel zu ergänzen, weil nach dem als richtig unterstellten Klagevortrag Ludwig K. drei Voraussetzungen habe erfüllt sehen wollen, die sich in ihrer Gesamtheit durch ein Eintrittsrecht der Kläger nicht hätten erreichen lassen. Ludwig K. habe den Gesellschaftsanteil seinem Stamm und die Einkünfte daraus seiner Ehefrau sichern, aber zugleich auch verhindern wollen, daß die Gläubiger der Kläger in den Gesellschaftsanteil vollstreckten; diese drei Ziele hätten sich nur dadurch “unter einen Hut” bringen lassen, daß (nicht die Kläger, sondern) die überlebende Ehefrau Gesellschafterin würde. Diese Ausführungen beruhen auf einem Rechtsirrtum.

Mangels anderweitiger Feststellungen ist auch in der Revisionsinstanz zu unterstellen, daß Ludwig K. die drei genannten Ziele gleichzeitig hat erreichen wollen. Anders als das Berufungsgericht annimmt, ist gegen die Verwirklichung dieser Absicht aus Rechtsgründen nichts einzuwenden. Das Berufungsgericht hat verkannt, daß Ludwig K. den Klägern testamentarisch den Eintritt hätte ermöglichen können, ohne ihnen gleichzeitig die Gewinn- und Auseinandersetzungsansprüche zuzuwenden, auf die die Gläubiger der Kläger nicht sollten zugreifen dürfen.

In Fällen, in denen der Gesellschaftsanteil durch Sondervererbung auf einen oder mehrere Erben übergeht, werden nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die nach § 717 Satz 2 BGB selbständig abtretbaren Ansprüche auf Gewinn und das Auseinandersetzungs- (oder Abfindungs-)Guthaben im Interesse der Nachlaßgläubiger dem Nachlaß zugeordnet (vgl. BGHZ 47, 293, 296; 91, 132, 136; Sen. Urt. v. 24. November 1980 – II ZR 194/79, WM 1981, 140, 141; v. 25. Februar 1985 – II ZR 130/84, WM 1985, 656, 657). Sie sind dadurch dem Zugriff der Privatgläubiger des in die Gesellschafterstellung nachgefolgten Erben entzogen. Die Privatgläubiger können zwar statt der ihnen nicht zugänglichen, weil im Nachlaß befindlichen Ansprüche den ohne Zustimmung der Mitgesellschafter von der Mitgliedschaft nicht zu trennenden Anteil am Gesellschaftsvermögen nach § 859 Abs. 1 ZPO pfänden lassen. Eine solche Pfändung der Stammrechte ginge einer zuvor erfolgten Abtretung künftiger Ansprüche auf Gewinn und Abfindung grundsätzlich vor, so daß diese mit dem Pfändungspfandrecht belastet entstehen würden (vgl. MünchKomm.-Ulmer, 2. Aufl., § 717 Rdnr. 35; für den Fall einer nach Vorausabtretung des Anspruchs erfolgten Abtretung des Anteils vgl. BGHZ 88, 205). Etwas anderes gilt aber, wenn der Gesellschafter die genannten künftigen Ansprüche nicht abgetreten, vielmehr durch Erbfolge einen Gesellschaftsanteil erlangt hat, dem diese in den Nachlaß gefallenen und dort bis zu dessen Auseinandersetzung verbleibenden Ansprüche von vornherein fehlten (vgl. Sen. Urt. v. 25. Februar 1985 – II ZR 130/84, WM 1985, 656, 658; Ulmer, JuS 1986, 856, 860).

Die Rechtslage ist, soweit es um die Vorenthaltung künftiger Ansprüche auf Gewinn und Abfindung geht, auch dann nicht wesentlich anders, wenn der Nachfolger nicht durch Erbfolge, sondern durch ein gesellschaftsvertragliches Eintrittsrecht Gesellschafter werden kann. Wird das Gesellschaftsverhältnis durch den Tod eines Gesellschafters nicht aufgelöst, sondern von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt, so erlischt die Mitgliedschaft mangels einer unmittelbaren Nachfolge und in den Nachlaß fällt grundsätzlich der gleichzeitig entstandene (und nicht wie bei der unmittelbaren Nachfolge erst künftig entstehende) Anspruch auf die Abfindung. Ist nun der Gesellschaftsvertrag um ein Eintrittsrecht zu ergänzen und der Wille des verstorbenen Gesellschafters – wie zu unterstellen ist – darauf gerichtet gewesen, den Gesellschaftsanteil seinem Familienstamm zu erhalten, ohne den Gläubigern der Kläger zu Lebzeiten seiner Witwe den Zugriff auf den Anteil zu eröffnen, so war der Erblasser aus Rechtsgründen nicht gehindert, den Klägern seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen in der Zeit, bevor dieser ohnehin an sie als Erben der zuletzt versterbenden Ehefrau fiel, nur für die Dauer ihrer Mitgliedschaft oder bis zur Auflösung der Gesellschaft testamentarisch zu vermachen. Anders als in dem vom Berufungsgericht zitierten Urteil des Senats vom 29. September 1977 – II ZR 214/75, WM 1977, 1323 wäre den Klägern der in den Nachlaß gefallene Abfindungsanspruch nur mit der Maßgabe zuzuwenden, daß der Erbin die Früchte, also der Gewinnanspruch, und der künftige Anspruch auf die Abfindung oder das Auseinandersetzungsguthaben verbleiben. Der Nachfolger erhielte dann mit seinem Beitritt eine Stellung, als wäre er aufgrund einer Nachfolgeklausel unmittelbar nachgefolgt: Er bringt als Einlage das Erlöschen des schon entstandenen Abfindungsanspruchs ein und erlangt mit seinem Beitritt einen Gesellschaftsanteil, der seiner im Nachlaß verbleibenden künftigen Gewinn- und Abfindungsansprüche entkleidet ist. Eine dahingehende Regelung sichert in Fällen, in denen durch Eintritt in die Gesellschaft nachgefolgt wird, den Nachlaßgläubigern den Vermögenswert des Anteils in demselben Maße vor dem Zugriff der Privatgläubiger des Nachfolgenden wie das bei einer erbrechtlichen Nachfolge der Fall ist. Rechtlich vollzieht sich das Ganze in der Weise, daß in Fällen, in denen der Gesellschaftsvertrag ein Eintrittsrecht und das Testament ein in dem obengenannten Sinne einschränkendes Vermächtnis enthält, der mit dem Ausscheiden des Erblassers entstehende Abfindungsanspruch auflösend und zugleich die künftigen Gewinn- und Abfindungsansprüche aufschiebend durch den Eintritt bedingt in den Nachlaß fallen. Alle Ansprüche, sowohl der entstandene wie die künftigen, verkörpern jeweils den durch Erbfolge auf die Erben übergegangenen Vermögenswert des Anteils. Da das Eintrittsrecht in angemessener Frist auszuüben ist, steht spätestens nach deren Ablauf fest, worauf die Nachlaßgläubiger endgültig zugreifen können. Nach alledem ist die Ansicht des Berufungsgerichts nicht haltbar, daß der Erblasser durch Vereinbarung eines Eintrittsrechts im Gesellschaftsvertrage und die Aussetzung eines Vermächtnisses zugunsten der Kläger sein Ziel, den Gesellschaftsanteil seinem Familienstamm zumindest solange zu sichern, wie seine Ehefrau lebte, nicht hätte erreicht werden können.

Die Sache wird zurückverwiesen, damit die Parteien Gelegenheit erhalten, in tatsächlicher Hinsicht zur neuen Rechtslage Stellung zu nehmen, und das Berufungsgericht die noch erforderlichen Feststellungen treffen sowie der Frage abschließend nachgehen kann, ob Gesellschaftsvertrag und Testament ergänzend ausgelegt werden können. Dabei hat das Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich mit den weiteren Angriffen der Revision auseinanderzusetzen.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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