Amtshaftung – Auskunft – Stufenklage
OLG Hamm, 26.03.2025 – 11 W 26/24
Im Kern geht es in diesem Fall um die Frage, ob jemand, der mutmaßlich durch Fehlverhalten einer Behörde geschädigt wurde, Auskünfte von dieser Behörde verlangen kann, um dann später einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen.
Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) musste entscheiden, ob eine solche Klage, eine sogenannte Stufenklage, in diesem speziellen Fall zulässig ist. Eine Stufenklage ist ein besonderes Vorgehen vor Gericht, bei dem der Kläger zuerst Auskunft oder Rechnungslegung verlangt, um auf dieser Grundlage dann seinen eigentlichen Anspruch, meist Schadensersatz, beziffern und geltend machen zu können.
Ein Landwirt (hier als „Antragsteller“ bezeichnet) beantragte Prozesskostenhilfe, um gegen eine Behörde (den „Antragsgegner“) vorzugehen. Der Landwirt wollte von der Behörde sämtliche Unterlagen zur Auflösung seines Tierbestandes am 8. April 2021 und der anschließenden Veräußerung der Tiere erhalten. Er argumentierte, diese Informationen zu benötigen, um eine Amtshaftungsklage auf Schadensersatz vorzubereiten. Er glaubte, dass 10 Jungrinder und 18 Hühner weit unter ihrem Marktwert verkauft wurden und ihm dadurch ein Schaden entstanden ist.
Das Landgericht Paderborn lehnte den Antrag auf Prozesskostenhilfe ab. Es begründete dies damit, dass die beabsichtigte Stufenklage unzulässig sei. Die vom Landwirt geforderte Auskunft diene nicht dazu, einen bereits bestehenden, aber noch unbezifferten Schadensersatzanspruch zu konkretisieren. Vielmehr wolle der Landwirt erst durch die Auskunft herausfinden, ob überhaupt ein pflichtwidriges Verhalten der Behörde vorlag und ob dieses Verhalten ursächlich für einen möglichen entgangenen Gewinn war. Zudem sei ein Fehlverhalten der Behörde nicht ausreichend dargelegt.
Der Landwirt legte daraufhin sofortige Beschwerde beim OLG Hamm ein. Er führte aus, dass er die Tiere bereits vor der Auflösung des Bestandes an einen Käufer namens O. verkauft hatte. Die Tiere seien aber trotzdem von der Behörde unter Marktwert und ohne ordnungsgemäße Ermittlung des Gewichts verkauft worden. Der Erlös sei ihm nicht ausgezahlt, sondern mit einer angeblichen Gegenforderung verrechnet worden.
Das OLG Hamm bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Paderborn und wies die Beschwerde des Landwirts zurück. Die beantragte Klage hatte nach Ansicht des OLG keine hinreichenden Erfolgsaussichten, was eine Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist.
Das OLG prüfte drei zentrale Punkte:
Das OLG stellte klar, dass für Amtshaftungsansprüche, also Schadensersatzforderungen gegen eine Behörde wegen schuldhafter Verletzung einer Amtspflicht, die ordentlichen Gerichte (also Zivilgerichte) zuständig sind. Dies gilt auch für Auskunftsansprüche, die zur Vorbereitung einer solchen Klage dienen. Hier lag also kein Problem vor.
Dieser Punkt war entscheidend. Das OLG erklärte, dass eine Auskunft im Rahmen einer Stufenklage nur dann zulässig ist, wenn sie dazu dient, einen bereits bestehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, dessen Höhe dem Kläger noch nicht bekannt ist. Die Auskunft ist also ein Hilfsmittel zur Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs. Im vorliegenden Fall wollte der Landwirt aber nicht die Höhe seines Schadens beziffern, sondern erst herausfinden, ob überhaupt ein pflichtwidriges Verhalten der Behörde vorlag. Ihm war bereits bekannt, zu welchem Preis die Tiere verkauft wurden.
Er wollte mit der Auskunft also „mögliche Pflichtverletzungen“ der Behörde ermitteln. Dies ist aber nicht der Zweck einer Stufenklage. Zudem forderte der Landwirt „sämtliche Unterlagen vollständig“ und nicht eine bestimmte, präzise Information zur Schadenshöhe.
Das OLG stellte außerdem fest, dass der Landwirt nicht schlüssig dargelegt hatte, dass ihm überhaupt ein Schaden entstanden ist. Nach dem vom Landwirt vorgelegten Kaufvertrag sollten die Tiere bereits mit Abschluss des Vertrages an den Käufer O. übereignet werden. Wenn dies zutraf, wäre der Käufer O. bereits Eigentümer der Tiere gewesen, als die Behörde sie verkaufte. Ein Verkauf unter Marktwert hätte dann den Käufer, nicht aber den Landwirt geschädigt. Der Landwirt hatte nicht ausreichend erklärt, wie ihm unter diesen Umständen ein Schaden entstanden sein sollte.
Zusammenfassend wies das OLG Hamm die Beschwerde des Landwirts ab, weil die beabsichtigte Stufenklage unzulässig war und der Landwirt nicht ausreichend dargelegt hatte, dass ihm ein Schaden entstanden ist. Die Stufenklage dient dazu, einen bereits feststehenden Schaden zu beziffern, nicht aber dazu, erst zu ermitteln, ob überhaupt ein schadensbegründendes Verhalten vorlag.
Dieser Fall zeigt, dass es wichtig ist, genau zu wissen, wofür man eine Auskunft von einer Behörde oder Person verlangt. Eine Stufenklage ist ein nützliches Werkzeug, wenn man einen Anspruch hat, dessen genaue Höhe man ohne bestimmte Informationen nicht beziffern kann. Sie ist aber nicht dafür gedacht, eine „fishing expedition“ zu starten, also auf gut Glück Informationen zu sammeln, um herauszufinden, ob überhaupt ein Anspruch besteht. Man muss bereits eine plausible Grundlage für einen Schaden haben und die Informationen benötigen, um diesen Schaden konkret zu beziffern.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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