Anfechtung Annahme Erbschaft Kausalität Fehlvorstellung
OLG Hamm 15 Wx 213/08
Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) hatte in dem Beschluss vom 17.10.2008 über die Anfechtung der Annahme einer Erbschaft zu entscheiden.
Der Fall betraf die Frage, ob die Erben ihre Annahme der Erbschaft wirksam wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses angefochten hatten.
Hintergrund
Der Erblasser verstarb im März 2005 und hinterließ seine Ehefrau und seinen gemeinsamen Sohn als gesetzliche Erben.
Diese beantragten im Mai 2005 einen Erbschein, der sie zu je ½ als Erben auswies.
Im Oktober 2005 erklärten sie dann gegenüber dem Amtsgericht, dass sie die Erbschaft ausschlagen und die Annahme wegen Irrtums anfechten.
Sie begründeten dies damit, dass sie von einem positiven Nachlass ausgegangen seien, da sie mit einer Kapitallebensversicherung gerechnet hatten.
Diese habe sich jedoch nicht auffinden lassen.
Das Amtsgericht lehnte die Einziehung des Erbscheins ab.
Im Juni 2006 erklärten die Erben, dass sie ihre Erbausschlagung/Anfechtung anfechten, da ihnen nun eine
Jahresbescheinigung der Deutschen Bank vorliege, aus der sich ein Depot des Erblassers mit einem Bestand von über 48.000 € ergebe.
Wenige Monate später teilten sie mit, dass sich das Depot doch nicht als werthaltig herausgestellt habe, da der Erblasser damit Verbindlichkeiten getilgt habe.
Es liege also weiterhin eine Überschuldung vor und sie erklärten erneut die „Anfechtung des Erbes“.
Im Januar 2007 legten die Erben Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts ein und trugen ergänzend vor,
dass der Erblasser kurz vor seinem Tod in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei und sein Haus habe veräußern müssen.
Die Steuerberaterin des Erblassers habe ihnen gegenüber geäußert, dass nach Bereinigung der Steuerschulden mit den Mitteln
aus dem Hausverkauf ein Überschuss von mindestens 20.000 € verbleibe, da noch eine Kapitallebensversicherung vorhanden sei.
Nach dem Tod des Erblassers habe man Unterlagen über eine solche Versicherung aber nicht gefunden.
Nachfragen bei den Banken hätten erst Anfang September 2005 die Gewissheit erbracht, dass diese Kapitallebensversicherung nicht vorhanden sei.
Das Landgericht wies die Beschwerde zurück.
Dagegen richtete sich die weitere Beschwerde der Erben an das OLG Hamm.
Entscheidung des OLG Hamm
Das OLG Hamm stellte fest, dass das Landgericht den maßgebenden Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt hatte.
Die Erben hatten vorgetragen, dass sie aufgrund eines Gesprächs mit der Steuerberaterin des Erblassers davon ausgegangen seien, dass noch eine Kapitallebensversicherung vorhanden sei.
Die vom Landgericht vorgenommene Einstufung dieser Erklärung der Steuerberaterin als „vage“ ließ sich auf der Grundlage des Vorbringens der Erben nicht nachvollziehen.
Das OLG Hamm führte aus, dass bei einer Steuerberaterin zunächst einmal davon ausgegangen werden kann,
dass diese über die finanziellen Verhältnisse ihres Mandanten hinreichend informiert war, um einigermaßen präzise Angaben zur Zusammensetzung seines Vermögens machen zu können.
Das Landgericht hätte daher näher aufklären müssen, ob und in welchem konkreten Zusammenhang
die Äußerung der Steuerberaterin gegenüber den Erben gemacht worden ist.
Die Vernehmung der Steuerberaterin als Zeugin wäre geboten gewesen.
Das OLG Hamm betonte, dass für die Kausalitätsprüfung auf die Vorstellungen im Zeitpunkt der Annahme abzustellen ist.
Dabei musste die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass die Annahme bereits vor der im Protokoll der Rechtspflegerin vom 27. Mai 2005 festgestellten Annahme erfolgt ist.
Nach § 1943 BGB erfolgt die Annahme auch durch Ablauf der sechswöchigen Frist zur Ausschlagung der Erbschaft.
Feststellungen dazu, wann die Erben die Erbschaft angenommen haben, hatte das Landgericht nicht ausdrücklich getroffen.
Dementsprechend fehlten auch konkrete Feststellungen zu den weiteren Vorstellungen der Erben an diesem Tag.
Das OLG Hamm kritisierte auch die weitere Begründung des Landgerichts, dass die Entscheidung der Erben
zur Annahme der Erbschaft nicht durch eine Fehlvorstellung über die im Nachlass befindlichen Werte beeinflusst worden sei,
weil sie auch andere Vermögenswerte und Verbindlichkeiten falsch eingeschätzt hätten.
In diesem Zusammenhang sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass für die Kausalitätsprüfung auf die Vorstellungen im Zeitpunkt der Annahme abzustellen ist.
Das OLG Hamm kam zu dem Schluss, dass die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten
Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist.
Die Kammer müsse die Zeugin S vernehmen sowie durch persönliche Anhörung der Erben sich einen Eindruck von ihrem
Vorstellungsbild und der Kausalität einer etwaigen Fehlvorstellung verschaffen.
Fazit
Der Beschluss des OLG Hamm verdeutlicht die Bedeutung der Ermittlungspflicht des Gerichts im Erbscheinsverfahren.
Das Gericht muss von Amts wegen ermitteln, ob die Voraussetzungen für die Erteilung oder Einziehung eines Erbscheins vorliegen.
Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und die Kausalität einer etwaigen Fehlvorstellung der Erben nicht ausreichend geprüft.
Der Beschluss zeigt auch, dass die Anfechtung der Annahme einer Erbschaft wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses möglich ist.
Voraussetzung ist, dass sich die Fehlvorstellung auf das Vorhandensein konkreter zum Nachlass gehöriger Rechte oder Vermögenswerte bezieht,
die Auswirkungen auf die Überschuldung des Nachlasses haben.
Die Fehlvorstellung muss zudem für die abgegebene Annahmeerklärung kausal geworden sein.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.