Anfechtung Annahme Erbschaft wegen Irrtum über § 2306 BGB

September 24, 2016

Anfechtung Annahme Erbschaft wegen Irrtum über § 2306 BGB,

als Erbe eingesetzter Pflichtteilsberechtigter

BGH IV ZR 387/15

RA und Notar Krau

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte über die Anfechtung der Annahme einer Erbschaft zu entscheiden.

Konkret ging es um die Frage, ob ein Erbe, der gleichzeitig pflichtteilsberechtigt ist, die Annahme der Erbschaft anfechten kann,

wenn er irrtümlich davon ausgegangen ist, dass er die Erbschaft nicht ausschlagen dürfe, um seinen Pflichtteilsanspruch nicht zu verlieren.

Hintergrund des Falls:

Die Erblasserin hatte die Beklagte in ihrem Testament als Miterbin zu ¼ eingesetzt.

Anfechtung Annahme Erbschaft wegen Irrtum über § 2306 BGB

Die Beklagte hatte die Ausschlagungsfrist versäumt und anschließend die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist erklärt,

da sie irrtümlich davon ausging, dass sie im Falle einer Ausschlagung auch ihren Pflichtteilsanspruch verlieren würde.

Der Kläger, ein weiterer Erbe, war der Ansicht, dass die Beklagte die Erbschaft wirksam angenommen habe und somit Miterbin sei.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Der BGH stellte fest, dass auch nach der Neufassung des § 2306 Abs. 1 BGB im Jahr 2010 ein zur Anfechtung der Annahme einer Erbschaft berechtigender Irrtum vorliegen kann,

wenn der als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte irrtümlich davon ausgeht, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um seinen Anspruch auf den Pflichtteil nicht zu verlieren.

Begründung:

  • Inhaltsirrtum: Der Irrtum der Beklagten über die Rechtsfolgen einer Ausschlagung stellt einen Inhaltsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB dar. Ein solcher Irrtum berechtigt zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte die Annahme der Erbschaft wesentlich anders eingeschätzt, als sie sich tatsächlich darstellt. Sie ging davon aus, dass sie im Falle einer Ausschlagung leer ausgehen würde, obwohl ihr in diesem Fall ein Pflichtteilsanspruch zugestanden hätte.

  • § 2306 BGB: Der BGH stellte klar, dass die Neufassung des § 2306 BGB im Jahr 2010 keine inhaltlichen Änderungen an der bisherigen Rechtslage herbeigeführt hat. Auch nach der Neuregelung muss der Erbe, der den Pflichtteil verlangen will, den Erbteil ausschlagen. Der Irrtum der Beklagten über die Rechtsfolgen einer Ausschlagung ist daher auch unter Geltung des neuen Rechts beachtlich.

  • Kein Motivirrtum: Der BGH widersprach der Auffassung des Berufungsgerichts, dass es sich bei dem Irrtum der Beklagten um einen unbeachtlichen Motivirrtum handele. Der Irrtum betraf nicht die Motive der Beklagten für die Annahme der Erbschaft, sondern die unmittelbaren Rechtsfolgen dieser Annahme.

  • Kenntnis des Irrtums: Der BGH rügte das Berufungsgericht, dass es keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen hatte, ob die Beklagte bereits vor Ablauf der Ausschlagungsfrist Kenntnis von ihrem Irrtum erlangt hatte. Die Hinweise im Merkblatt des Nachlassgerichts und die Beratung durch Rechtsanwälte reichten hierfür nicht aus.

Folgen der Entscheidung:

Das Berufungsgericht muss nun prüfen, ob die Beklagte vor Ablauf der Ausschlagungsfrist einen Irrtum über

die Rechtsfolgen einer Ausschlagung hatte und ob sie diesen Irrtum rechtzeitig angefochten hat.

Sollte die Anfechtung wirksam sein, gilt sie als Ausschlagung der Erbschaft.

Die Beklagte wäre dann nicht Erbin geworden, sondern hätte lediglich einen Anspruch auf ihren Pflichtteil.

Fazit:

Die Entscheidung des BGH stärkt die Rechte von pflichtteilsberechtigten Erben, die irrtümlich davon ausgehen, dass sie die Erbschaft nicht ausschlagen dürfen.

Der BGH stellt klar, dass ein solcher Irrtum auch nach der Neufassung des § 2306 BGB im Jahr 2010 zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft berechtigt.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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