Angemessenheit der Ausbildungsvergütung – BAG Urteil vom 29.04.2015 – 9 AZR 108/14

April 2, 2021

Angemessenheit der Ausbildungsvergütung – BAG Urteil vom 29.04.2015 – 9 AZR 108/14

RA und Notar Krau

Am 29. April 2015 urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall 9 AZR 108/14 über die Angemessenheit der Ausbildungsvergütung eines Klägers, der von einem nicht tarifgebundenen Verein, dem Beklagten, ausgebildet wurde.

Die zentrale Frage war, ob die vereinbarte Ausbildungsvergütung den gesetzlichen Anforderungen entsprach.

Das Urteil klärte mehrere rechtliche Aspekte bezüglich der Vergütung von Auszubildenden und deren Angemessenheit im Rahmen des Berufsbildungsgesetzes (BBiG).

Sachverhalt und Hintergrund:

Der Kläger, geboren am 14. September 1990, hatte sich für eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer bei der K SE beworben, die ihn jedoch an den beklagten Verein vermittelte.

Der Verein schloss mit dem Kläger einen Berufsausbildungsvertrag für die Ausbildung zum Industriemechaniker ab, der in den Betrieben der K SE durchgeführt wurde.

Der Kläger erhielt während seiner Ausbildung eine monatliche Vergütung, die weit unter der tariflichen Vergütung der bayerischen Metall- und Elektroindustrie lag.

Angemessenheit der Ausbildungsvergütung – BAG Urteil vom 29.04.2015 – 9 AZR 108/14

Die Vergütung betrug im ersten Ausbildungsjahr 385 Euro und stieg im vierten Jahr auf 450 Euro an.

Hätte der Kläger tariflich entlohnt werden sollen, hätte er 44.480,02 Euro brutto anstatt der gezahlten 23.222,00 Euro brutto erhalten.

Nach Beendigung seiner Ausbildung forderte der Kläger eine Nachzahlung von 21.678,02 Euro, da er die gezahlte Vergütung als unangemessen betrachtete.

Der Verein lehnte dies ab und argumentierte, die gezahlte Vergütung sei ausreichend gewesen.

Zudem wurde behauptet, dass die Anwendung der Tarifverträge der bayerischen Metall- und Elektroindustrie eine unzulässige Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Tarifverträge darstelle.

Urteil des BAG:

Das BAG wies die Revision des Vereins gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg zurück und entschied zugunsten des Klägers.

Angemessenheit der Ausbildungsvergütung – BAG Urteil vom 29.04.2015 – 9 AZR 108/14

Begründung des Gerichts:

  1. Angemessene Vergütung:
    Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG haben Auszubildende Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Die Norm ist jedoch eine Rahmenvorschrift, die den Maßstab für die Angemessenheit nicht selbst festlegt. Bei fehlender Tarifbindung obliegt es den Vertragsparteien, eine angemessene Vergütung zu vereinbaren, wobei die Gerichte nur prüfen, ob die Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die als noch angemessen anzusehen ist. Die Verkehrsanschauung, für die Tarifverträge ein wichtiger Anhaltspunkt sind, dient als Maßstab.
  2. Funktionen der Ausbildungsvergütung:
    Die Vergütung hat drei Funktionen: Unterstützung des Lebensunterhalts des Auszubildenden und seiner Familie, Sicherung des Nachwuchses an Fachkräften und teilweise Entlohnung der Leistungen des Auszubildenden.
  3. Verkehrsanschauung und Tarifverträge:
    Das Gericht bekräftigte die Bedeutung tariflicher Regelungen als maßgeblicher Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung. Eine Vergütung, die die tarifliche um mehr als 20% unterschreitet, gilt in der Regel als unangemessen. Der Beklagte hatte eine Vergütung gezahlt, die teils weniger als die Hälfte der tariflichen Vergütung betrug.

Angemessenheit der Ausbildungsvergütung – BAG Urteil vom 29.04.2015 – 9 AZR 108/14

  1. Rechtsvergleichung:
    Das Gericht betonte, dass die Angemessenheitsprüfung gemäß § 17 BBiG von der nach § 138 BGB, die sittenwidrige Rechtsgeschäfte betrifft, zu unterscheiden ist. Eine Vergütung, die nicht gegen die guten Sitten verstößt, ist nicht automatisch angemessen.
  2. Spezielle Umstände:
    Der Beklagte konnte keine besonderen Umstände darlegen, die die erheblich niedrigere Vergütung rechtfertigen würden. Die Argumentation, dass die Ausbildung des Klägers auf dem freien Markt schwierig gewesen wäre, wurde nicht ausreichend untermauert.

Ergebnis:

Die Klage des Klägers auf Nachzahlung war berechtigt, da die vereinbarte Ausbildungsvergütung im Vergleich zu den tariflichen Regelungen als unangemessen betrachtet wurde.

Der Beklagte musste die Kosten des Verfahrens tragen.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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