Anhörung des Betroffenen im Unterbringungsverfahren im Wege der Rechtshilfe
BGH Beschluss vom 11.6.2025 – XII ZB 183/25
Kernpunkt: Persönliche Anhörung vor Unterbringung
Der BGH hat entschieden, dass die persönliche Anhörung einer Person, die untergebracht werden soll, durch das Gericht, das über die Unterbringung entscheidet, ein äußerst wichtiger Grundsatz ist. Diese Anhörung dient nicht nur dem Recht der betroffenen Person auf Gehör, sondern soll dem Richter auch einen persönlichen Eindruck von ihr und ihren Lebensumständen verschaffen.
Diese Anhörung ist im Gesetz (§ 319 Abs. 1 FamFG) vorgeschrieben und hat einen verfassungsrechtlich hohen Stellenwert, weil eine Unterbringung einen sehr schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte darstellt.
Manchmal befindet sich die betroffene Person weit entfernt vom zuständigen Gericht, das über die Unterbringung entscheiden muss. In solchen Fällen könnte das Gericht ein anderes Gericht (das ersuchte Gericht) bitten, die Anhörung stellvertretend durchzuführen – dies nennt man Rechtshilfe (oder Amtshilfe).
Das Gesetz (§ 319 Abs. 4 FamFG) schließt die Rechtshilfe für die Anhörung zwar nicht völlig aus, aber der BGH betont: Das Gericht, das die Entscheidung trifft, soll die Anhörung in der Regel selbst durchführen.
Eine Anhörung durch Rechtshilfe ist daher nur in sehr engen Ausnahmefällen zulässig.
Wenn das Gericht ausnahmsweise von der Rechtshilfe Gebrauch macht, muss es klar und nachprüfbar begründen, warum es die betroffene Person nicht selbst angehört hat. Hoher Zeit- oder Reiseaufwand allein reicht dafür nicht aus.
Der konkrete Fall: Fehlerhafte Verlängerung der Unterbringung
Eine betreute Frau (die Betroffene) war bereits untergebracht.
Das zuständige Amtsgericht (AG Regensburg) musste über die Verlängerung der Unterbringung entscheiden.
Die Betroffene war zwischenzeitlich in eine Einrichtung in einem anderen Gerichtsbezirk verlegt worden (Pflegeheim W.).
Das AG Regensburg holte ein neues Gutachten ein und ließ die Anhörung der Betroffenen durch Rechtshilfe von einem anderen Gericht durchführen.
Das AG verlängerte die Unterbringung. Das Landgericht (LG) bestätigte dies im Beschwerdeverfahren.
Der BGH hob die Entscheidung auf, weil ein wesentlicher Verfahrensfehler vorlag:
Fehler bei der Anhörung durch das Amtsgericht:
Das AG begründete die Rechtshilfe damit, dass sich an der Sachlage nichts geändert habe und die Betroffene dem Richter bereits aus einer früheren Anhörung bekannt sei.
Der BGH hielt dies für fehlerhaft, denn:
Mit dem neuen Sachverständigengutachten gab es eine neue Tatsachengrundlage.
Es war gerade Aufgabe des Richters, sich durch eine persönliche Anhörung einen Eindruck zu verschaffen, um das neue Gutachten kritisch beurteilen zu können.
Die Lebensumstände der Betroffenen hatten sich durch den Umzug in ein anderes Heim (beschützendes Pflegeheim) wesentlich geändert.
Die Ablehnung der Verfahrensübernahme durch das Gericht am Ort des Heims (AG W.) rechtfertigte die Rechtshilfe nicht.
Fehler bei der Anhörung durch das Landgericht (Beschwerdegericht):
Das LG durfte im Beschwerdeverfahren nicht von einer erneuten Anhörung absehen, weil die Anhörung in der ersten Instanz (durch das AG) wegen der unzulässigen Rechtshilfe fehlerhaft war.
Eine gerichtliche Anordnung zur Unterbringung ist ein sehr ernster Schritt. Der BGH hat mit diesem Beschluss klargestellt:
Das Gericht, das über eine Unterbringung entscheidet, muss die betroffene Person in der Regel persönlich anhören. Nur so kann sich das Gericht einen unmittelbaren und aktuellen Eindruck verschaffen, der für die Beurteilung der Notwendigkeit der Unterbringung unerlässlich ist.
Die Durchführung der Anhörung durch ein anderes Gericht (Rechtshilfe) ist nur eine Ausnahme, die sehr gut begründet werden muss, insbesondere wenn sich die medizinische oder persönliche Situation der betroffenen Person seit der letzten Anhörung geändert hat.
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