Annahme eines Kaufvertrags durch Übersendung einer Gratisbeigabe

April 22, 2025

Annahme eines Kaufvertrags durch Übersendung einer Gratisbeigabe

RA und Notar Krau

Der vorliegende Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. April 2024 (Aktenzeichen: 9 U 11/23) befasst sich mit der Frage, wann ein Kaufvertrag im Onlinehandel

zustande kommt, insbesondere im Kontext einer Gratisbeigabe und abweichender Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Verkäufers.

Im Kern des Rechtsstreits steht die Klage eines Käufers gegen die Betreiberin des deutschen Onlineshops der Marke Marke1 auf Übergabe und Übereignung von neun Smartphones des Typs Marke1 Modell1,

die der Käufer aufgrund eines Preisfehlers im Onlineshop zu einem deutlich reduzierten Preis bestellt hatte.

Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

Die Beklagte bot am 7. März 2022 in ihrem Onlineshop das Smartphone Marke1 Modell1 versehentlich für 92 € anstatt des üblichen Verkaufspreises von 1.099 € an.

Gleichzeitig wurde bei Bestellungen der Kopfhörer Modell2 als Gratisbeigabe in Aussicht gestellt.

Der Kläger gab daraufhin drei separate Bestellungen auf, die insgesamt neun Smartphones und vier kostenlose Kopfhörer umfassten.

Die Bestellungen wurden von der Beklagten per E-Mail mit einer Eingangsbestätigung quittiert, in der die bestellten Artikel, die jeweiligen Preise und die Bestellnummern aufgeführt waren.

Der Kläger zahlte die in den Bestellbestätigungen ausgewiesenen Beträge über einen Zahlungsdienstleister.

Noch am selben Tag korrigierte die Beklagte den Preis für das Smartphone im Onlineshop auf 928 €.

Annahme eines Kaufvertrags durch Übersendung einer Gratisbeigabe

Zwei Tage später, am 9. März 2022, versandte die Beklagte die vier Paar Kopfhörer an den Kläger und informierte ihn hierüber per E-Mail unter Angabe der jeweiligen Bestellnummern.

Am 22. März 2022 stornierte die Beklagte die Bestellungen der Smartphones per E-Mail gegenüber dem Kläger,

begründete dies mit einem gravierenden Preisfehler und forderte den Kläger zur Rücksendung der bereits erhaltenen Kopfhörer auf, im Gegenzug würde der gezahlte Kaufpreis erstattet.

Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach und forderte die Beklagte erfolglos zur Lieferung der bestellten Smartphones auf.

Vor dem Landgericht Frankfurt am Main hatte der Kläger Erfolg.

Das Landgericht urteilte, dass zwischen den Parteien Kaufverträge über die Smartphones zustande gekommen seien und die Beklagte zur Übergabe und Übereignung verpflichtet sei.

Die in den Bestellbestätigungen vom 7. März 2022 liegenden Angebote des Klägers seien durch diese E-Mails verbindlich angenommen worden.

Zudem sei die Anfechtung der Verträge durch die Beklagte vom 22. März 2022 gemäß § 121 BGB verfristet gewesen.

Ein Rechtsmissbrauch des Klägers gemäß § 242 BGB liege ebenfalls nicht vor.

Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt ein.

Sie argumentierte, dass die Bestellbestätigungen vom 7. März 2022 lediglich den Eingang der Bestellung bestätigt hätten und keine Annahme des Kaufvertrags darstellten.

Annahme eines Kaufvertrags durch Übersendung einer Gratisbeigabe

Dies sei auch in ihren AGB geregelt, denen der Kläger zugestimmt habe.

Die Versendung der Kopfhörer am 9. März 2022 habe sich lediglich auf die Gratisbeigabe bezogen und stelle keine konkludente Annahme des Kaufvertrags über die Smartphones dar.

Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten jedoch zurück.

Der Senat stimmte zwar der Auffassung der Beklagten zu, dass die automatisierten Bestellbestätigungen vom 7. März 2022

mangels einer vorbehaltlosen Ankündigung der Ausführung der Bestellung keine Annahmeerklärung darstellten.

Entscheidend für das Oberlandesgericht war jedoch, dass die Beklagte mit der Übersendung der Kopfhörer als Gratisbeigabe

den Antrag des Klägers auf Abschluss eines Kaufvertrags auch hinsichtlich der Smartphones angenommen habe.

Das Gericht betonte den untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Erwerb des Smartphones und der kostenlosen Übersendung der Kopfhörer.

Die Gratisbeigabe sei untrennbar an den Kauf des Hauptprodukts gebunden gewesen und setzte das wirksame Zustandekommen eines Kaufvertrags über das Smartphone voraus.

Aus Sicht eines objektiven Empfängers durfte der Kläger daher die Mitteilung über den Versand der Gratisbeigaben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und des Umstands, dass der Preisfehler für die

Smartphones bereits am 7. März 2022 korrigiert worden war, als Bestätigung der Kaufverträge über die Smartphones verstehen.

Die Angabe der Bestellnummern in den Versandbestätigungen der Kopfhörer unterstreiche diesen Zusammenhang.

Annahme eines Kaufvertrags durch Übersendung einer Gratisbeigabe

Das Oberlandesgericht führte weiter aus, dass es nicht entscheidend darauf ankomme, ob die AGB der Beklagten wirksam in den Vertrag einbezogen worden seien.

Selbst wenn dies der Fall wäre, stünden die Klauseln in den AGB (insbesondere Ziffer 4.1 und 4.2) der Annahme eines Kaufvertrags durch die Versendung der Gratisbeigabe nicht entgegen.

Die AGB regelten nicht den Sonderfall, dass eine Gratisbeigabe, die an den Kauf eines anderen Produkts geknüpft ist, vor dem Hauptprodukt versandt wird.

Die Ausführungen des Landgerichts zur Verfristung der Anfechtung und zum fehlenden Rechtsmissbrauch des Klägers beanstandete das Oberlandesgericht nicht.

Der bloße Verweis der Beklagten auf ihr erstinstanzliches Vorbringen reichte hierfür nicht aus.

Abschließend wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass die abweichende Rechtsauffassung einer anderen Berufungskammer des Landgerichts Frankfurt in Parallelverfahren der Entscheidung im

Beschlusswege gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegenstehe, da das Oberlandesgericht das übergeordnete Gericht sei und die Rechtsauffassung des Landgerichts in den Parallelverfahren

lediglich in Hinweisverfügungen geäußert worden sei, nicht in einer rechtskräftigen Entscheidung.

Das Oberlandesgericht gab der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen und wies darauf hin, dass eine Zurücknahme der Berufung aus Kostengründen ratsam sei.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf bis zu 10.000 € festgesetzt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden hat, dass die Übersendung einer Gratisbeigabe im Onlinehandel unter den gegebenen Umständen als Annahme des

Kaufvertrags für das zugehörige Hauptprodukt gewertet werden kann, insbesondere wenn zwischen dem Erwerb des Hauptprodukts und der Gratisbeigabe ein untrennbarer Zusammenhang besteht und der

Käufer die Versendung der Gratisbeigabe nach Treu und Glauben als Bestätigung des gesamten Vertrags verstehen durfte.

Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Umstände des Einzelfalls und der objektiven Auslegung von Handlungen im Rahmen des Vertragsschlusses im Onlinehandel.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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