Annahme oder Ausschlagung des Erbes bei mehreren Berufungsgründen

Juni 7, 2025

Annahme oder Ausschlagung des Erbes bei mehreren Berufungsgründen

Es kommt im Erbrecht häufig vor, dass juristische Texte für Laien schwer verständlich sind. Mit diesem Blogbeitrag möchte ich, Rechtsanwalt und Notar Krau, Ihnen § 1948 BGB näherbringen. Es geht um eine wichtige, aber oft missverstandene Regelung, die für Erben von Bedeutung sein kann.


Wenn Sie auf mehreren Wegen Erbe werden: Das Wahlrecht bei der Erbschaft

Stellen Sie sich vor, Sie werden Erbe. Das kann auf ganz unterschiedliche Weisen passieren:

  • Durch ein Testament oder einen Erbvertrag: Der Erblasser hat Sie hier bewusst als Erben eingesetzt. Man spricht hier von „gewillkürter Erbfolge“.
  • Durch das Gesetz: Wenn es kein Testament oder Erbvertrag gibt, regelt das Gesetz, wer Erbe wird (z.B. Ehepartner, Kinder). Das nennt man „gesetzliche Erbfolge“.

Nun kann es vorkommen, dass Sie gleich auf zwei Wegen zum Erben berufen sind. Zum Beispiel, weil Sie im Testament bedacht wurden, aber gleichzeitig auch aufgrund Ihrer Verwandtschaft gesetzlicher Erbe wären.


Die Wahlfreiheit: Annehmen oder Ausschlagen

Genau hier setzt § 1948 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) an. Dieser Paragraph ist eine besondere Ausnahme von den allgemeinen Regeln zur Erbschaftsannahme. Er erlaubt Ihnen in bestimmten Fällen eine Wahlfreiheit:

  • Sie können die Erbschaft aus dem einen Grund annehmen (z.B. laut Testament).
  • Und gleichzeitig die Erbschaft aus dem anderen Grund ausschlagen (z.B. die gesetzliche Erbfolge).

Das ist wichtig, denn normalerweise gilt: Wenn Sie eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen, dann gilt das für die gesamte Erbschaft, egal aus welchem Grund Sie Erbe werden. § 1948 BGB durchbricht diese Einheit und ermöglicht Ihnen eine getrennte Entscheidung.


Warum ist diese Wahlfreiheit wichtig? Ein Blick hinter die Kulissen

Die Möglichkeit, die Erbschaft aus verschiedenen Gründen unterschiedlich zu behandeln, hat einen einfachen Hintergrund: Ihre Erklärung bezieht sich immer auf den konkreten Grund, aus dem Sie Erbe werden sollen. Es ist so, als ob jeder „Berufungsgrund“ einen eigenen Topf darstellt, aus dem Sie schöpfen können – oder eben nicht.

Früher, im preußischen Recht, war das anders. Da gab es nur die Alles-oder-Nichts-Regel. Unser heutiges Gesetz ist hier also moderner und flexibler.

Annahme oder Ausschlagung des Erbes bei mehreren Berufungsgründen


Wann kann § 1948 BGB angewendet werden?

Die Anwendung von § 1948 BGB ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft:

  1. Verschiedene Gründe: Sie müssen aus mindestens zwei verschiedenen Gründen Erbe sein (z.B. Testament und Gesetz).
  2. Einheitlicher Erbteil: Es muss sich um den gleichen Erbteil handeln oder um die gesamte Erbschaft. Die Höhe und Belastung der Erbteile müssen dabei nicht übereinstimmen.
  3. Logische Reihenfolge: Es muss eine Art „logischen Vorrang“ geben. Das bedeutet, dass eine Verfügung (z.B. im Testament) der gesetzlichen Erbfolge vorgehen muss.

Wann greift § 1948 BGB nicht?

Wichtig ist zu wissen, wann § 1948 BGB nicht zur Anwendung kommt:

  • Derselbe Berufungsgrund: Wenn Ihre Erbenstellung auf zwei oder mehr gleichartigen Verfügungen beruht, also beispielsweise auf zwei verschiedenen Testamenten. In diesem Fall können Sie nicht ein Testament ausschlagen und das andere annehmen. Eine solche Beschränkung wäre unwirksam.
  • Mehrere Erbteile: Wenn die Gründe nebeneinander bestehen und zu mehreren, voneinander unabhängigen Erbteilen führen, dann greift eine andere Regelung (§ 1951 BGB). Allerdings können diese Regeln unter bestimmten Umständen auch kombiniert angewendet werden.

Praktische Bedeutung und Vorsicht

In der Praxis wird die Bedeutung von § 1948 BGB manchmal kontrovers diskutiert. Manche Rechtsexperten halten ihn für weniger relevant, da der Wille des Erblassers und andere gesetzliche Regelungen oft Vorrang haben.

Dennoch kann diese Vorschrift eine Rolle spielen. Sie sollten aber sehr vorsichtig sein, wenn Sie § 1948 BGB als Gestaltungsmittel nutzen möchten. Ein unüberlegtes Ausschlagen kann zum endgültigen Verlust der Erbschaft führen. Zudem kann die Wahlfreiheit zu Unsicherheiten bei der Erbfolge führen.


Was passiert, wenn Sie die Annahme anfechten?

Ein interessanter Gedanke ist, ob die Prinzipien des § 1948 BGB auch auf die Anfechtung einer bereits angenommenen Erbschaft übertragen werden können. Wenn Sie eine Annahme anfechten, weil Sie sich beispielsweise geirrt haben, dann hat das rechtlich ähnliche Folgen wie eine Ausschlagung. Es wird diskutiert, ob man auch hier nur einen Teil der Annahme anfechten kann, wenn Sie aus mehreren Gründen Erbe geworden sind. Dies würde die Rechtssicherheit nicht gefährden und könnte im Einzelfall sinnvoll sein.


Fazit

§ 1948 BGB ist eine spezialisierte, aber wichtige Regelung im Erbrecht, die Ihnen in bestimmten Konstellationen eine wertvolle Wahlfreiheit bietet. Als Rechtsanwalt und Notar Krau empfehle ich Ihnen dringend, bei Fragen zur Erbschaftsannahme oder -ausschlagung stets qualifizierten Rechtsrat einzuholen. Nur so können Sie sicherstellen, dass Ihre Entscheidungen rechtlich korrekt sind und Sie keine ungewollten Nachteile erleiden.

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