Annahmeverzug und Unmöglichkeit im Arbeitsverhältnis
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 4. Dezember 2024 (5 AZR 276/23) befasst sich mit dem Verhältnis zwischen Annahmeverzug des Arbeitgebers und der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung durch
den Arbeitnehmer infolge von Krankheit im Hinblick auf den Vergütungsanspruch.
Konkret geht es um die Frage, ob § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Anwendung findet,
wenn ein Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs erkrankt und seine Arbeitsleistung deshalb unmöglich wird.
Der Kläger war seit 2009 bei der beklagten Stadt angestellt.
Nachdem es zu Konflikten kam, wurden ihm andere Aufgaben zugewiesen, deren Vertragsgemäßheit umstritten war.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und ordentlich, die Kündigungen wurden jedoch gerichtlich für unwirksam erklärt.
Der Kläger war im Jahr 2019 über längere Zeiträume arbeitsunfähig, unter anderem durchgehend seit dem 29. April bis mindestens zum 31. Mai 2020.
Für die Zeit vom 1. Juni 2019 bis zum 31. Mai 2020 forderte der Kläger Arbeitsvergütung.
Er argumentierte, die Beklagte habe ihm seit dem 11. April 2019 keine vertragsgemäße Beschäftigung mehr zugewiesen und sich somit im Annahmeverzug befunden.
Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sei in eine Zeit des Annahmeverzugs gefallen, weshalb die Beklagte gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB zur Zahlung der Vergütung verpflichtet sei.
Das BAG wies die Revision des Klägers zurück und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen. Es stellte fest, dass § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB keine Anwendung findet,
wenn der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs erkrankt und ihm deshalb die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich wird.
Das BAG führte zur Begründung aus, dass im Arbeitsverhältnis grundsätzlich der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ (§ 614 BGB i.V.m. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB) gelte.
§ 326 Abs. 2 Satz 1 BGB stelle hiervon Ausnahmen auf, indem er dem Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung trotz Unmöglichkeit der Leistung erhält,
wenn der Gläubiger die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder die Unmöglichkeit während des Annahmeverzugs des Gläubigers eintritt.
Das BAG betonte jedoch, dass diese allgemeine Regelung des Schuldrechts durch spezielle Regelungen des Dienstvertragsrechts modifiziert oder verdrängt werde.
Im Falle des Annahmeverzugs im Dienstvertrag halte § 615 BGB den Vergütungsanspruch aufrecht, ohne dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nachholen müsse.
§ 615 BGB sei in diesem Fall die speziellere Norm gegenüber § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB.
Weiterhin führte das BAG aus, dass für den Fall der Unmöglichkeit der Arbeitsleistung infolge Arbeitsunfähigkeit spezielle Regelungen im
Dienstvertragsrecht (§ 616 BGB) und im Arbeitsverhältnis (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG) existieren.
Diese Vorschriften sehen einen zeitlich begrenzten Anspruch auf Vergütung bzw. Entgeltfortzahlung vor (für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ bzw. sechs Wochen).
Diese spezielleren Regelungen würden die allgemeine Regelung des § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB verdrängen („lex specialis derogat legi generali“).
Das BAG wies auch das Argument des Klägers zurück, die Nichtanwendung von § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB gehe zu Lasten der Sozialversicherungsträger.
Die Verantwortung des Arbeitgebers bei Annahmeverzug sei zeitlich begrenzt und werde durch die Regelungen des § 616 BGB und § 3 EFZG aufgefangen,
welche die Entlastung der Krankenkassen im entsprechenden Umfang vorsehen.
Schließlich sah das BAG keinen rechtlichen Anknüpfungspunkt für die Behauptung des Klägers, die Verletzung des Beschäftigungsanspruchs durch die Beklagte habe „risikoerhöhend“ für die
Arbeitsunfähigkeit gewirkt, da dies eine unzulässige Vermischung der Voraussetzungen von § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 und Alt. 2 BGB darstelle.
Eine Verantwortlichkeit der Beklagten für die Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Sinne von § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB sei von den Vorinstanzen rechtskräftig verneint worden.
Das BAG entschied, dass im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit während des Annahmeverzugs die speziellen Regelungen des § 616 BGB (im Dienstvertrag allgemein) und § 3 EFZG
(im Arbeitsverhältnis) abschließend die Rechtsfolgen bestimmen und die allgemeine Regelung des § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB verdrängen.
Der Arbeitnehmer hat in dieser Konstellation keinen zeitlich unbegrenzten Anspruch auf Vergütung aufgrund des Annahmeverzugs.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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