Anrechnung solle auch auf den Pflichtteil erfolgen – OLG Koblenz 12 U 1566/19
II. Anrechnung solle auch auf den Pflichtteil erfolgen – OLG Koblenz 12 U 1566/19
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 29.07.2019 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hatte in diesem Fall zu entscheiden, ob bestimmte Zuwendungen, die die Klägerin zu Lebzeiten von ihren Eltern erhalten hatte,
auf ihren Pflichtteil angerechnet werden müssen.
Das OLG bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Trier und wies die Berufung der Beklagten zurück.
Hintergrund des Rechtsstreits
Die Klägerin war die Tochter der Erblasserin und Schwester der Beklagten.
Die Erblasserin hatte die Klägerin in ihrem Testament enterbt.
Die Klägerin machte daher ihren Pflichtteil geltend.
Die Beklagte war Alleinerbin und argumentierte, dass die Klägerin bereits zu Lebzeiten Zuwendungen von ihren Eltern erhalten habe, die auf ihren Pflichtteil angerechnet werden müssten.
Die Entscheidung des OLG
Das OLG Koblenz entschied, dass die Zuwendungen nicht auf den Pflichtteil anzurechnen sind.
Anrechnung der Zuwendung der Mutter
Die Mutter der Klägerin hatte ihr zu Lebzeiten zwei Zahlungen in Höhe von insgesamt 5.000 € zukommen lassen. In den Überweisungen hatte sie den Verwendungszweck mit „Erbteil“ angegeben.
Das OLG entschied, dass diese Bezeichnung nicht ausreicht, um eine Anrechnung auf den Pflichtteil anzunehmen.
Gemäß § 2315 BGB muss der Erblasser die Anrechnung auf den Pflichtteil ausdrücklich anordnen.
Diese Anordnung muss so eindeutig sein, dass sie für den Pflichtteilsberechtigten erkennbar ist.
Der Begriff „Erbteil“ in den Überweisungen sei nicht eindeutig genug.
Es sei nicht klar, ob die Mutter damit eine Anrechnung auf den Pflichtteil oder auf den gesetzlichen Erbteil gemeint habe.
Anrechnung der Zuwendung des Vaters
Der Vater der Klägerin hatte ihr ebenfalls eine Zahlung in Höhe von 12.709,50 € zukommen lassen.
Die Beklagte argumentierte, dass diese Zahlung auf den Pflichtteil anzurechnen sei, da der Vater in einem späteren Testament verfügt habe,
dass alle Zuwendungen an die Klägerin auf ihren Pflichtteil anzurechnen seien.
Das OLG entschied auch hier, dass die Zahlung nicht auf den Pflichtteil anzurechnet ist. § 2315 BGB setzt voraus,
dass die Anrechnung vom Erblasser vor oder bei der Zuwendung angeordnet wird. Eine nachträgliche Anordnung in einem Testament sei nicht ausreichend.
Zusammenfassung der Entscheidungsgründe
Das OLG Koblenz begründete seine Entscheidung wie folgt:
Konsequenzen des Urteils
Das Urteil des OLG Koblenz hat zur Folge, dass die Klägerin ihren vollen Pflichtteil erhält, ohne dass die Zuwendungen ihrer Eltern angerechnet werden. Die Beklagte muss die Kosten des Verfahrens tragen.
Praktische Bedeutung
Das Urteil verdeutlicht die strengen Anforderungen an die Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil. Erblasser, die eine Anrechnung wünschen, müssen dies eindeutig und rechtzeitig anordnen.
Es empfiehlt sich, die Anrechnung in einem notariellen Vertrag oder in einem Testament festzuhalten.
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