Anrechnung solle auch auf den Pflichtteil erfolgen – OLG Koblenz 12 U 1566/19

September 5, 2020

Anrechnung solle auch auf den Pflichtteil erfolgen – OLG Koblenz 12 U 1566/19

Inhaltsverzeichnis RA und Notar Krau

I. Tenor

II. Anrechnung solle auch auf den Pflichtteil erfolgen – OLG Koblenz 12 U 1566/19

  1. Sachverhalt
  2. Entscheidungsgründe
  3. a) Anrechnung der Zuwendung der Mutter der Klägerin
  4. b) Anrechnung der Zuwendung des Vaters der Klägerin
  5. Kostenentscheidung
  6. Vorläufige Vollstreckbarkeit
  7. Beschluss

Anrechnung solle auch auf den Pflichtteil erfolgen – OLG Koblenz 12 U 1566/19

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 29.07.2019 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Zusammenfassung

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hatte in diesem Fall zu entscheiden, ob bestimmte Zuwendungen, die die Klägerin zu Lebzeiten von ihren Eltern erhalten hatte,

auf ihren Pflichtteil angerechnet werden müssen.

Das OLG bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Trier und wies die Berufung der Beklagten zurück.

Anrechnung solle auch auf den Pflichtteil erfolgen – OLG Koblenz 12 U 1566/19

Hintergrund des Rechtsstreits

Die Klägerin war die Tochter der Erblasserin und Schwester der Beklagten.

Die Erblasserin hatte die Klägerin in ihrem Testament enterbt.

Die Klägerin machte daher ihren Pflichtteil geltend.

Die Beklagte war Alleinerbin und argumentierte, dass die Klägerin bereits zu Lebzeiten Zuwendungen von ihren Eltern erhalten habe, die auf ihren Pflichtteil angerechnet werden müssten.

Die Entscheidung des OLG

Das OLG Koblenz entschied, dass die Zuwendungen nicht auf den Pflichtteil anzurechnen sind.

Anrechnung der Zuwendung der Mutter

Die Mutter der Klägerin hatte ihr zu Lebzeiten zwei Zahlungen in Höhe von insgesamt 5.000 € zukommen lassen. In den Überweisungen hatte sie den Verwendungszweck mit „Erbteil“ angegeben.

Anrechnung solle auch auf den Pflichtteil erfolgen – OLG Koblenz 12 U 1566/19

Das OLG entschied, dass diese Bezeichnung nicht ausreicht, um eine Anrechnung auf den Pflichtteil anzunehmen.

Gemäß § 2315 BGB muss der Erblasser die Anrechnung auf den Pflichtteil ausdrücklich anordnen.

Diese Anordnung muss so eindeutig sein, dass sie für den Pflichtteilsberechtigten erkennbar ist.

Der Begriff „Erbteil“ in den Überweisungen sei nicht eindeutig genug.

Es sei nicht klar, ob die Mutter damit eine Anrechnung auf den Pflichtteil oder auf den gesetzlichen Erbteil gemeint habe.

Anrechnung der Zuwendung des Vaters

Der Vater der Klägerin hatte ihr ebenfalls eine Zahlung in Höhe von 12.709,50 € zukommen lassen.

Die Beklagte argumentierte, dass diese Zahlung auf den Pflichtteil anzurechnen sei, da der Vater in einem späteren Testament verfügt habe,

dass alle Zuwendungen an die Klägerin auf ihren Pflichtteil anzurechnen seien.

Anrechnung solle auch auf den Pflichtteil erfolgen – OLG Koblenz 12 U 1566/19

Das OLG entschied auch hier, dass die Zahlung nicht auf den Pflichtteil anzurechnet ist. § 2315 BGB setzt voraus,

dass die Anrechnung vom Erblasser vor oder bei der Zuwendung angeordnet wird. Eine nachträgliche Anordnung in einem Testament sei nicht ausreichend.

Zusammenfassung der Entscheidungsgründe

Das OLG Koblenz begründete seine Entscheidung wie folgt:

  • Eine Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil erfordert eine eindeutige Anordnung des Erblassers.
  • Der Begriff „Erbteil“ in den Überweisungen der Mutter war nicht eindeutig genug.
  • Die nachträgliche Anordnung der Anrechnung im Testament des Vaters war unwirksam.
  • Es fehlten eindeutige Hinweise darauf, dass die Eltern die Zahlungen auf den Pflichtteil anrechnen wollten.

Konsequenzen des Urteils

Das Urteil des OLG Koblenz hat zur Folge, dass die Klägerin ihren vollen Pflichtteil erhält, ohne dass die Zuwendungen ihrer Eltern angerechnet werden. Die Beklagte muss die Kosten des Verfahrens tragen.

Anrechnung solle auch auf den Pflichtteil erfolgen – OLG Koblenz 12 U 1566/19

Praktische Bedeutung

Das Urteil verdeutlicht die strengen Anforderungen an die Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil. Erblasser, die eine Anrechnung wünschen, müssen dies eindeutig und rechtzeitig anordnen.

Es empfiehlt sich, die Anrechnung in einem notariellen Vertrag oder in einem Testament festzuhalten.

Zusätzliche Hinweise

  • Das OLG Koblenz hat in seinem Urteil auch auf die Beweislast hingewiesen. Die Partei, die sich auf die Anrechnung einer Zuwendung beruft, muss die Anrechnungsbestimmung beweisen.
  • Das Urteil ist für die Praxis relevant, da es die Voraussetzungen für die Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil klar definiert.
RA und Notar Krau

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