Anspruch auf Auskunft über das Nachlassvermögen – LG Kassel Teilurteil vom 21. März 2018 – 7 O 1218/17

Juli 9, 2020

Anspruch auf Auskunft über das Nachlassvermögen – LG Kassel Teilurteil vom 21. März 2018 – 7 O 1218/17

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Tenor

Das LG Kassel verurteilt die Beklagte, dem Kläger ergänzend Auskunft über den Nachlass der am 15.07.2014 verstorbenen Erblasserin durch Vorlage eines ergänzenden notariellen Nachlassverzeichnisses zu erteilen.

Dieses Verzeichnis soll alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen umfassen, die die Erblasserin zu Lebzeiten getätigt hat.

Dazu gehören insbesondere Einsichtnahmen in vollständige Kontoauszüge für den Zeitraum vom 15.07.2004 bis 15.07.2014 sowie Zusammenstellungen von Verfügungen über 300 €.

Tatbestand

Die Parteien sind Geschwister, und die Mutter der Parteien verstarb am 15.07.2014.

Die Beklagte ist Alleinerbin, während der Kläger durch ein Testament vom 19.07.2002 vom Pflichtteil ausgeschlossen wurde. Am 03.09.2015 wurde ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellt.

Die Erblasserin bezog drei Renten, schloss mit der Beklagten und deren Ehemann einen Mietvertrag und zahlte nur Betriebskosten. Das Konto der Erblasserin wies zum Todeszeitpunkt ein Guthaben von 2.656,38 € auf.

Anspruch auf Auskunft über das Nachlassvermögen – LG Kassel Teilurteil vom 21. März 2018 – 7 O 1218/17

Der Kläger beansprucht eine ergänzende Auskunft, da er glaubt, dass das bisherige Verzeichnis unvollständig sei und Anhaltspunkte für pflichtteilsergänzungsrelevante Schenkungen bestehen.

Er hält die Entziehung seines Pflichtteils für unwirksam.

Entscheidungsgründe

Das Gericht hält die Teilklage für zulässig.

Der Anspruch auf ergänzende Auskunft durch ein notarielles Nachlassverzeichnis ist gemäß § 2314 Abs. 1 S. 1, S. 3 BGB überwiegend begründet.

Der Kläger ist pflichtteilsberechtigt und nicht Erbe.

Die Entziehung des Pflichtteils durch die Erblasserin war unwirksam, da weder eine körperliche noch eine seelische Misshandlung vorlag.

Auch ein Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen konnte nicht nachgewiesen werden.

Es gab keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine falsche Verdächtigung des Klägers gemäß § 164 StGB, die die Erblasserin schwerwiegend betroffen hätte.

Das bereits vorliegende notarielle Nachlassverzeichnis erfüllt die Anforderungen nicht vollständig.

Ein notarielles Nachlassverzeichnis muss auch den fiktiven Nachlass umfassen, also Schenkungen der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall.

Anspruch auf Auskunft über das Nachlassvermögen – LG Kassel Teilurteil vom 21. März 2018 – 7 O 1218/17

Dies wurde hier nicht ausreichend erfasst, da wesentliche Angaben fehlen und der Notar sich auf die Angaben der Beklagten verlassen hat.

Konkrete Anhaltspunkte für pflichtteilsergänzungsbedürftige Schenkungen wurden nicht ausreichend geprüft.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitergehende Ergänzungen, da er keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer Konten, Sparbücher oder Wertpapierdepots bei anderen Bankinstituten vorlegen konnte.

Der Notar ist nicht verpflichtet, ins Blaue hinein zu ermitteln.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Ausführliche Entscheidungsgründe

Das Gericht erläutert, dass der Kläger pflichtteilsberechtigt ist und die Erblasserin nicht wirksam den Pflichtteil entziehen konnte.

Die vom Kläger angeführten Gründe wie Auskunftsansprüche und Antrag auf eidesstattliche Versicherung sowie die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft reichen nicht aus, um eine seelische Misshandlung oder ein schweres vorsätzliches Vergehen zu begründen.

Das Gericht betont, dass ein notarielles Nachlassverzeichnis auch die Schenkungen der letzten 10 Jahre umfassen muss.

Der Notar hat diese Verpflichtung hier nicht erfüllt, da er sich auf die Angaben der Beklagten verlassen hat und nur den realen Nachlass festgestellt hat.

Wesentliche Punkte wie die monatlichen Einkünfte der Erblasserin und das niedrige Kontoguthaben zum Todeszeitpunkt wurden nicht ausreichend berücksichtigt.

Anspruch auf Auskunft über das Nachlassvermögen – LG Kassel Teilurteil vom 21. März 2018 – 7 O 1218/17

Abschließend wird klargestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf weitergehende Ermittlungen hat, da er keine konkreten Hinweise auf weitere Vermögenswerte geben konnte.

Der Notar ist nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte in alle Richtungen zu ermitteln.

Kostenentscheidung und Vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens wird dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist hinsichtlich der Auskunftspflicht gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Dieses Urteil verdeutlicht die Anforderungen an die Erstellung eines vollständigen notariellen Nachlassverzeichnisses und die Rechte der Pflichtteilsberechtigten auf umfassende Auskunft über den Nachlass des Erblassers.

Es betont auch die Grenzen der Ermittlungspflichten des Notars und die Notwendigkeit konkreter Anhaltspunkte für weitergehende Nachforschungen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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