Anspruch auf Entgeltdifferenz wegen Geschlechtsdiskriminierung – Paarvergleich

Oktober 25, 2025

Anspruch auf Entgeltdifferenz wegen Geschlechtsdiskriminierung – Paarvergleich

Der Bundesgerichtshof (BAG) hat am 23. Oktober 2025 ein wichtiges Urteil zur Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern (Az. 8 AZR 300/24) gefällt, das die Rechte von Arbeitnehmerinnen bei der Geltendmachung gleicher Bezahlung stärkt. Es geht um den „Paarvergleich“ und die Vermutung der Diskriminierung.

Gleichheit der Entlohnung als Grundsatz

In Deutschland und der Europäischen Union gilt der Grundsatz: Für gleiche oder gleichwertige Arbeit haben Männer und Frauen Anspruch auf gleiches Entgelt. Klagt eine Arbeitnehmerin, weil sie weniger verdient als ein männlicher Kollege, der die gleiche oder vergleichbare Arbeit leistet, spricht man von einem Paarvergleich.

Der Umstand, dass die Klägerin weniger Entgelt erhält als der männliche Kollege, der die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, begründet laut EU-Recht und nun auch nach BAG-Rechtsprechung regelmäßig die Vermutung, dass die Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt ist.

Der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG)

Eine Klägerin forderte von ihrem Arbeitgeber rückwirkend die Angleichung ihres Entgelts an das Gehalt bestimmter männlicher Vergleichspersonen. Ihre Ansprüche stützte sie unter anderem auf Informationen aus einem „Dashboard“ (einem internen Informationssystem des Arbeitgebers zur Entgelttransparenz). Das Einkommen der von ihr herangezogenen Kollegen lag über dem Durchschnittsgehalt (Medianentgelt) aller männlichen Arbeitnehmer in ihrer Hierarchieebene.

Der Arbeitgeber wehrte sich mit den Argumenten:

Die herangezogenen Kollegen würden nicht die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten.

Die niedrigere Bezahlung der Klägerin sei auf Leistungsmängel zurückzuführen. Sie werde deshalb auch unterhalb des Medianentgelts ihrer weiblichen Vergleichsgruppe vergütet.

Anspruch auf Entgeltdifferenz wegen Geschlechtsdiskriminierung – Paarvergleich

Fehlerhafte Sichtweise der Vorinstanz (Landesarbeitsgericht)

Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Hauptforderung der Klägerin ab. Es argumentierte, dass die Klägerin sich für die Vermutung einer geschlechtsbedingten Benachteiligung nicht auf nur eine einzige männliche Vergleichsperson berufen könne. Das LAG meinte, angesichts der Größe der Vergleichsgruppen und der durchschnittlichen Gehälter (Medianentgelte) beider Geschlechtergruppen keine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vorläge.

Klarstellung durch das Bundesarbeitsgericht (BAG)

Das BAG hat das Urteil des LAG teilweise aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung an das LAG zurückverwiesen. Das BAG stellte klar, dass die Ansicht des LAG, es bedürfe einer „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung, falsch und unvereinbar mit dem EU-Recht sei.

Die vereinfachte Beweislast für die Arbeitnehmerin
Für die Vermutung der Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts reicht es aus, wenn die klagende Arbeitnehmerin Folgendes beweist:

Der Arbeitgeber zahlt einem anderen Kollegen des anderen Geschlechts ein höheres Entgelt.

Dieser Kollege verrichtet gleiche oder gleichwertige Arbeit.

Unerheblichkeit der Gruppengröße und Durchschnittsgehälter

Das Gericht betont, dass für das Eingreifen dieser Vermutung die Größe der männlichen Vergleichsgruppe oder die Höhe der durchschnittlichen Gehälter (Medianentgelte) beider Geschlechtergruppen keine Rolle spielt. Entscheidend ist allein der Paarvergleich.

Die Vermutung muss widerlegt werden

Hat die Klägerin hinreichende Tatsachen für eine geschlechtsbedingte Entgeltbenachteiligung vorgetragen (wie im vorliegenden Fall durch Verweis auf das Dashboard), so muss der Arbeitgeber diese Vermutung widerlegen. Kann er dies nicht tun, ist er zur Zahlung der Entgeltdifferenz verpflichtet, die er dem zum Vergleich herangezogenen Kollegen gezahlt hat.

Im fortgesetzten Verfahren muss das Landesarbeitsgericht nun prüfen, ob der Arbeitgeber die Vermutung der Diskriminierung widerlegen kann, ungeachtet der möglicherweise mangelnden Transparenz seines Entgeltsystems.

Fazit

Dieses Urteil stärkt die individuelle Klagemöglichkeit von Arbeitnehmerinnen auf gleiches Entgelt. Es genügt der Nachweis einer geringeren Bezahlung im Vergleich zu einem gleich oder gleichwertig arbeitenden männlichen Kollegen, um die Beweislast auf den Arbeitgeber zu verlagern. Der Arbeitgeber muss dann stichhaltig belegen, dass die Differenz nichts mit dem Geschlecht zu tun hat, sondern auf sachlichen Gründen (wie z. B. unterschiedlicher Leistung oder Qualifikation) beruht.

RA und Notar Krau

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