Anspruch auf Gehaltserhöhung bei tariflicher Absenkung der Tarifgehälter – LAG Baden Württemberg Urteil vom 10.10.2001 – 3 Sa 32/01
RA und Notar Krau
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg beschäftigte sich in seinem Urteil vom 10. Oktober 2001 (3 Sa 32/01) mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer Anspruch auf Gehaltserhöhungen gemäß tariflicher Anpassungen hat, obwohl sein Gehalt ursprünglich frei vereinbart und nicht tarifgebunden war.
Zudem wurde geklärt, ob eine betriebliche Übung vorliegt, die solche Anpassungen rechtfertigen könnte, und welche rechtlichen Anforderungen an Vereinbarungen dieser Art bestehen.
Der Kläger, ein Arzt, war seit dem 1. Januar 1986 bei der Beklagten im Stoffwechsel-Kurzentrum „Haus Sch.“ angestellt. Im Anstellungsvertrag war die Geltung des Ersatzkassentarifvertrages (EKT) vereinbart, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist.
Da es kein spezifisches Tätigkeitsmerkmal für seine Aufgaben im EKT gab, wurde sein Gehalt frei auf 8.200 DM festgelegt und später prozentual entsprechend den Tarifgehältern angepasst.
Im Jahr 1998 vereinbarte die Beklagte mit der DAG und der HBV eine Reduzierung der Gehälter durch den Ergänzungstarifvertrag Nr. 4b zum EKT, der eine stufenweise Herabsetzung der Gehälter vorsah.
Der Kläger lehnte eine entsprechende Vertragsänderung ab, woraufhin ihm mitgeteilt wurde, dass seine Vergütung solange nicht angepasst werde, bis die Kürzungsbeträge durch zukünftige Tariflohnerhöhungen ausgeglichen seien.
Der Kläger argumentierte, es habe sich eine betriebliche Übung gebildet, die ihm die Erhöhung seines Gehalts um die tariflichen Prozentsätze zusichere, und klagte auf Zahlung der Differenzbeträge für die Zeit von Mai 1998 bis Februar 2001.
Urteil des Arbeitsgerichts und Berufung
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, da es keine betriebliche Übung sah, sondern die Beklagte sich vorbehalten habe, bei jeder Tariferhöhung individuell zu entscheiden.
Der Kläger legte Berufung ein und beharrte darauf, dass sich durch die bisherige Praxis eine betriebliche Übung etabliert habe.
Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung zurück und bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Wesentliche Entscheidungsgründe waren:
Keine Betriebliche Übung:
Eine betriebliche Übung liegt nicht vor, wenn das Verhalten des Arbeitgebers nicht gegenüber einer Vielzahl von Personen, sondern nur gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer erfolgt.
Der Kläger war der einzige Adressat der Gehaltserhöhungen, was gegen eine betriebliche Übung spricht.
Formanforderungen:
Der ursprüngliche Anstellungsvertrag sah eine Schriftform vor, die auch für Änderungen galt.
Diese Schriftform ist nach § 2 Abs. 2 EKT und § 126 BGB gesetzlich erforderlich.
Fehlt die erforderliche Schriftform, sind mündliche oder konkludente Vereinbarungen unwirksam.
Einzelfallentscheidung und kein Anspruch auf Tarifbindung:
Die Gehaltserhöhungen in der Vergangenheit wurden im Einzelfall entschieden und nicht automatisch an die Tarifsteigerungen gekoppelt.
Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit Gehaltserhöhungen entsprechend den Tarifveränderungen erhielt, war dies keine verbindliche Zusage für die Zukunft.
Kein Anspruch aus Treu und Glauben:
Eine Berufung auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) scheidet aus, da es nicht zu einem untragbaren Ergebnis führt, wenn die Schriftformerfordernis eingehalten wird.
Der Kläger konnte daher keinen Anspruch auf die geforderten Gehaltserhöhungen geltend machen.
Kostenentscheidung
Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden dem Kläger auferlegt, gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg stellt klar, dass individuelle Gehaltserhöhungen, die im Zusammenhang mit Tarifsteigerungen gewährt werden, nicht automatisch eine betriebliche Übung begründen.
Für eine solche Übung ist eine Mehrzahl von Begünstigten erforderlich.
Darüber hinaus unterliegen Vereinbarungen, die von tariflichen Schriftformerfordernissen abweichen, strengen Formanforderungen und sind bei Nichteinhaltung unwirksam.
Der Kläger konnte daher keinen Anspruch auf Gehaltserhöhungen gemäß den tariflichen Anpassungen geltend machen, da keine wirksame Vereinbarung in schriftlicher Form vorlag und keine betriebliche Übung etabliert wurde.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.