Anspruch auf Kopie des Berichts nach der Datenschutz-Grundverordnung

November 4, 2025

Anspruch auf Kopie des Berichts nach der Datenschutz-Grundverordnung

Ich fasse das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) München vom 12. Juni 2025 (Az.: 2 SLa 70/25) zusammen.


Das Urteil: Einsicht ja, Kopie nein – beim Compliance-Bericht

Worum ging es?

Eine leitende Angestellte („Klägerin“), die sich in Elternzeit befindet, verlangte von ihrem Arbeitgeber („Beklagte“) die Herausgabe einer Kopie oder zumindest die Einsicht in einen Compliance-Abschlussbericht. Dieser Bericht wurde nach einer internen Untersuchung wegen ihres Führungsstils erstellt, der als „einschüchternd“ und „respektlos“ beschrieben wurde. Der Arbeitgeber stützte seine Kündigungsbemühungen und andere Maßnahmen gegen die Klägerin auf diesen Bericht.

Die Entscheidungen der Gerichte:

  1. Arbeitsgericht (AG) München (1. Instanz): Gab der Klägerin im Hauptantrag recht. Die Beklagte musste eine Kopie des Berichts herausgeben.
  2. Landesarbeitsgericht (LAG) München (2. Instanz): Hat das Urteil abgeändert. Die Beklagte muss keine Kopie zur Verfügung stellen, aber sie muss der Klägerin Einsicht in den Bericht gewähren.

Anspruch auf Kopie des Berichts nach der Datenschutz-Grundverordnung

Die Begründung des LAG München (vereinfacht)

Das LAG musste zwei Hauptfragen klären:

1. Hat die Klägerin Anspruch auf eine Kopie des Berichts nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)?

  • Der Antrag: Die Klägerin berief sich auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO, der Betroffenen das Recht auf eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten gibt.
  • Die Entscheidung:Anspruch auf eine vollständige Kopie des Berichts verneint.
    • Das Gericht stellte klar, dass die DSGVO nur einen Anspruch auf eine Kopie der personenbezogenen Daten selbst gibt, nicht aber auf eine Kopie des gesamten Dokuments (des Berichts).
    • Der Bericht enthält viel mehr als nur Daten über die Klägerin: Er umfasst auch die Aussagen der Zeugen, Zusammenfassungen, Bewertungen der Ermittler und rechtliche Schlussfolgerungen der Anwaltskanzlei. All das sind keine reinen personenbezogenen Daten der Klägerin.
    • Eine Ausnahme, nämlich dass der gesamte Bericht zur Verständlichkeit der Daten nötig sei, sah das Gericht nicht als gegeben. Die Klägerin möchte damit im Grunde die Prozessstrategie und die internen Bewertungen der Beklagten ausforschen, was über den eigentlichen Zweck des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs hinausgeht.

2. Hat die Klägerin Anspruch auf Einsicht in den Bericht als Teil ihrer Personalakte?

  • Die Anspruchsgrundlage: Als leitende Angestellte hat die Klägerin nach dem Sprecherausschussgesetz (§ 26 Abs. 2 SprAuG, analog zum Betriebsverfassungsgesetz) ein Recht auf Einsicht in ihre Personalakte.
  • Die Entscheidung:Anspruch auf Einsicht in den Bericht bejaht.
    • Das Gericht ordnet den Compliance-Bericht als Bestandteil der materiellen Personalakte der Klägerin ein, weil er sich unmittelbar auf ihr Arbeitsverhältnis und Verhalten bezieht (die Beklagte stützt darauf eine Kündigung).
    • Geheimakten sind unzulässig: Der Arbeitgeber darf keine „Geheimakten“ über den Arbeitnehmer führen. Der Inhalt der Personalakte kann daher auch kein gegenüber dem Arbeitnehmer geschütztes Geschäftsgeheimnis sein.
    • Kein Ausschluss durch Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG): Das HinSchG ist hier laut Gericht nicht anwendbar, da die Vorwürfe (schlechter Führungsstil) keine „Katalogtaten“ (wie Straftaten oder bußgeldbewehrte Verstöße) im Sinne des Gesetzes sind.
    • Schutz Dritter (Hinweisgeber/Zeugen): Der Arbeitgeber kann die Einsicht nicht verweigern, um Hinweisgeber zu schützen. Er muss aber sicherstellen, dass die Identität der Hinweisgeber und Zeugen, denen Vertraulichkeit zugesichert wurde, durch Schwärzung entsprechender Passagen unkenntlich gemacht wird. Versäumt der Arbeitgeber diese Anonymisierung, kann er die Einsicht trotzdem nicht verweigern.

Fazit des Urteils

Das LAG München hat einen Mittelweg gefunden:

  • Der Arbeitnehmer bekommt nicht einfach das gesamte interne Ermittlungsdokument (die Kopie), das auch Bewertungen und Rechtsberatung enthält, da der datenschutzrechtliche Anspruch der DSGVO nicht dazu dient, Prozessstrategien auszuspähen.
  • Der Arbeitnehmer erhält aber das Recht auf Einsicht in den Bericht als Teil der Personalakte, da keine Geheimakten geführt werden dürfen und er sich gegen die Vorwürfe verteidigen muss. Die Beklagte muss dabei die Namen der Zeugen/Hinweisgeber unkenntlich machen.

Was bedeutet das konkret?

Die Klägerin darf den Bericht in den Räumen der Beklagten einsehen und sich Notizen machen, aber sie bekommt den Bericht nicht als eigenes Dokument zugeschickt.

RA und Notar Krau

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