Anspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer auf Herausgabe von zur Erbschaft gehörenden Geldbeträgen

Juni 14, 2025

Anspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer auf Herausgabe von zur Erbschaft gehörenden Geldbeträgen

AG Brandenburg, Urteil vom 24.01.2025 – 30 C 273/23

RA und Notar Krau

In dem Fall vor dem Amtsgericht Brandenburg ging es um einen Streit zwischen zwei Schwestern um das Erbe ihres verstorbenen Bruders.


Hintergrund des Falls

Der Bruder, der im Februar 2020 verstarb, hatte ursprünglich seine Schwester (die Beklagte) im Dezember 2007 in einem Notar-Testament als Alleinerbin eingesetzt und ihr eine umfassende Vollmacht erteilt, die auch über seinen Tod hinaus gültig war. Später, im Mai 2017, hatte er dies in einem weiteren notariellen Testament bestätigt. Kurz vor seinem Tod, im Februar 2020, änderte er jedoch seinen letzten Willen und setzte in einem handgeschriebenen Testament die andere Schwester (die Klägerin) als Alleinerbin ein.

Nach dem Tod des Bruders kümmerte sich die Beklagte um die Beerdigung und die damit verbundenen Kosten, da sie davon ausging, die rechtmäßige Erbin zu sein. Sie hob auch das Geld von den Konten des Verstorbenen ab, insgesamt 6.608,51 Euro, und zahlte damit die Beerdigungskosten. Erst später, im April 2020, erfuhr die Beklagte von dem neuen handgeschriebenen Testament und der Klägerin als tatsächlicher Alleinerbin. Ein Gericht bestätigte im Oktober 2020, dass die Klägerin die alleinige Erbin ist.

Die Klägerin forderte von der Beklagten die Herausgabe des restlichen Geldes aus dem Nachlass sowie eine Goldkette und einen Versicherungsordner, die angeblich fehlten. Die Beklagte meinte, sie habe die Beerdigungskosten zu Recht abgezogen und die anderen Gegenstände nicht. Sie berief sich außerdem darauf, dass die Klägerin zu lange gewartet habe, um ihre Ansprüche geltend zu machen, was als „Verwirkung“ bezeichnet wird.


Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht musste entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf das restliche Geld hat und ob die Beklagte die fehlenden Gegenstände herausgeben muss.

Zum Zahlungsanspruch (dem Geld):

  • Verjährung und Verwirkung: Das Gericht stellte klar, dass der Anspruch der Klägerin auf das Erbe weder verjährt (also zu alt) noch verwirkt (also durch zu langes Warten verloren) war. Ansprüche dieser Art verjähren erst nach 30 Jahren. Auch das Argument der Verwirkung, bei dem man davon ausgehen muss, dass der Anspruchsteller sein Recht nicht mehr geltend machen will und der Beklagte darauf vertrauen durfte, wurde vom Gericht abgelehnt, da die Klägerin ihre Ansprüche außergerichtlich geltend gemacht hatte und kein ausreichend langer Zeitraum vergangen war, um ein solches Vertrauen zu begründen.
  • Herausgabe des Geldes: Die Beklagte hatte das Geld des Erblassers abgehoben, obwohl sie nicht die tatsächliche Erbin war. Daher war sie „Erbschaftsbesitzerin“ im Sinne des Gesetzes und grundsätzlich verpflichtet, das Geld an die Klägerin als rechtmäßige Erbin herauszugeben.
  • Abzug von Kosten: Die Beklagte durfte aber bestimmte Kosten abziehen, die sie im Zusammenhang mit dem Erbe hatte. Dazu gehören vor allem die Beerdigungskosten. Das Gericht bestätigte, dass die Klägerin als Erbin die Kosten einer angemessenen und würdigen Bestattung tragen muss. Dazu gehören:
    • Die unstreitigen Bestattungskosten des Bestattungshauses (4.566,27 Euro).
    • Kosten für den Grabschmuck (250,00 Euro), da diese zu den üblichen Beerdigungskosten zählen.
    • Kosten für die Trauerfeier (734,50 Euro), da die Bewirtung der Trauergäste als angemessen angesehen wurde.
    • Kosten für ein Trauerbild (42,40 Euro), da dies ebenfalls zu einer würdigen Bestattung gehört.
    • Kosten für Medikamente des Erblassers (1,60 Euro und 50,00 Euro), auch wenn der Erblasser möglicherweise von Zuzahlungen befreit war. Die Beklagte musste sich darüber nicht bei der Krankenkasse erkundigen.
    • Kosten für die Schlussrechnung eines Energieversorgers (70,51 Euro) und einer anderen Firma (3,77 Euro), da dies Schulden des Erblassers waren.
    • Kosten für die Gebäudeversicherung des Gartengrundstücks (17,70 Euro und 283,04 Euro), da diese Verträge auf die Erbin übergingen.
  • Nicht abzugsfähige Kosten: Das Gericht erlaubte der Beklagten nicht, folgende Kosten abzuziehen:
    • Gebühren für das Anfordern von Kontoauszügen (31,08 Euro), da dies nicht notwendig war.
    • Trinkgeld für das Personal der Trauerfeier (25,00 Euro), da dies eine freiwillige Zahlung der Beklagten war und nicht zu den Bestattungskosten zählt.
    • Die Kosten für einen Medikamenten-Dosierer (13,95 Euro), da die Beklagte diesen selbst behalten hatte.
  • Ergebnis beim Geld: Nach Abzug aller zulässigen Kosten ergab sich, dass die Beklagte der Klägerin noch 188,95 Euro schuldet. Der ursprünglich von der Klägerin geforderte Betrag von 1.673,55 Euro war somit zu hoch.

Anspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer auf Herausgabe von zur Erbschaft gehörenden Geldbeträgen

Zur Herausgabe der Goldkette und des Versicherungsordners:

  • Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass die Goldkette und der Versicherungsordner tatsächlich zum Nachlass gehörten und sich im Besitz der Beklagten befanden. Da die Beklagte dies bestritt und die Klägerin keinen Beweis dafür vorlegen konnte, wies das Gericht diesen Teil der Klage ab.

Fazit

Das Amtsgericht Brandenburg verurteilte die Beklagte dazu, der Klägerin 188,95 Euro plus Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Forderung der Klägerin wurde abgewiesen, da die Beklagte die meisten der von ihr getätigten Ausgaben zurecht von dem Nachlassgeld abziehen durfte und die Klägerin den Besitz der fehlenden Gegenstände durch die Beklagte nicht nachweisen konnte.


Haben Sie weitere Fragen zu diesem Urteil oder zu anderen Aspekten des Erbrechts?

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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