Anspruch einer Behörde auf Vollziehung einer testamentarischen Auflage – OLG Schleswig Urteil vom 08.09.2017 – 3 U 16/17

Mai 13, 2020

Anspruch einer Behörde auf Vollziehung einer testamentarischen Auflage – OLG Schleswig Urteil vom 08.09.2017 – 3 U 16/17

RA und Notar Krau

In dem Fall vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht geht es um einen Rechtsstreit zwischen einem Ministerium (als Kläger) und einem gemeinnützigen Verein (als Beklagter), der im Sinne seiner Satzung blinde und sehbehinderte Menschen unterstützt.

Das klagende Ministerium ist unter anderem auch für die Unterstützung blinder und sehbehinderter Menschen zuständig.

Der Beklagte ist in rechtlich unselbständige Bezirksgruppen gegliedert.

Sein am …12.2009 verstorbenes Mitglied S gehörte der Bezirksgruppe R an.

Er errichtete am 02.07.2007 ein notarielles Testament, in dem er den Beklagten zu seinem Erben bestimmte, verschiedene Vermächtnisse aussetzte und im Übrigen eine Verwendung seines Vermögens zugunsten der Bezirksgruppe R anordnete.

Die Klägerin wirft dem Beklagten eine auflagenwidrige Verwendung des Nachlasses vor.

Sie gewährt ihm deshalb derzeit keine Zuschüsse.

Hierüber schwebt auch noch ein Verwaltungsrechtsstreit zwischen den Parteien.

Anspruch einer Behörde auf Vollziehung einer testamentarischen Auflage – OLG Schleswig Urteil vom 08.09.2017 – 3 U 16/17

Streitpunkte im erbrechtlichen Verfahren vor dem OLG Schleswig:

  1. Bestimmtheit des Klageantrags: Das Gericht stellte fest, dass die Bestimmtheit des Klageantrags sich aus dem Inhalt der testamentarischen Auflage ergibt.
  2. Wenn der Erbe die Art und Weise der Erfüllung selbst bestimmen kann, kann es zu Streitigkeiten im Vollstreckungsverfahren kommen.
  3. Hier muss der Verein das Vermögen ausschließlich zugunsten der Bezirksgruppe R verwenden, was im Testament klar geregelt ist.
  4. Einrede der Erfüllung: Der Beklagte behauptet, die Auflage bereits erfüllt zu haben, indem er das Erbschaftsvermögen auf satzungsgemäße Weise verwendet hat.
  5. Das Gericht stellte klar, dass der Erbe die Beweislast für die Erfüllung der Auflage trägt.
  6. Im vorliegenden Fall konnte der Beklagte nicht ausreichend darlegen, dass die Mittel ausschließlich der Bezirksgruppe R zugutekamen.
  7. Unmöglichkeit der Auflagenerfüllung: Der Beklagte argumentierte, dass die Erfüllung der Auflage unmöglich geworden sei, da die Erbschaftsmittel verbraucht seien.
  8. Das Gericht wies darauf hin, dass die Unmöglichkeit der Auflagenerfüllung nicht gegeben sei, solange der Erbe noch vermögend ist.
  9. Der Nachlass ist mit dem übrigen Vermögen des Erben verschmolzen, und die Verpflichtung bleibt bestehen, die Auflage zu erfüllen, selbst wenn dies bedeutet, eigene Mittel zu verwenden.

Anspruch einer Behörde auf Vollziehung einer testamentarischen Auflage – OLG Schleswig Urteil vom 08.09.2017 – 3 U 16/17

Entscheidungsgründe:

  • Öffentliches Interesse: Die Klägerin (das Ministerium) kann gemäß § 2194 BGB die Vollziehung der Auflage verlangen, da sie im öffentlichen Interesse liegt.
  • Die Förderung von Blinden und Sehbehinderten gehört zu den staatlichen Aufgaben und rechtfertigt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der testamentarischen Auflage.
  • Zuständigkeit der Klägerin: Das Ministerium ist gemäß landesrechtlicher Verordnung zuständig, da die Auflage soziale Zwecke im Bereich der Förderung von Blinden und Sehbehinderten betrifft.
  • Keine Verjährung des Vollziehungsanspruchs: Der Anspruch der Klägerin auf Vollziehung der Auflage ist nicht verjährt, da die Verjährungsfrist durch Verhandlungen zwischen den Parteien gehemmt war.
  • Unzureichende Erfüllung der Auflage: Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte die Erbschaftsmittel nicht auflagengemäß verwendet hat.
  • Insbesondere wurden die Mittel nicht ausschließlich der Bezirksgruppe R zugutekommen gelassen.
  • Die Verwendung für eine mobile Beratungsstelle (B-Mobil) wurde nicht als auflagengemäß anerkannt, da der Einsatz des Mobils nicht nur im Interesse der Bezirksgruppe R war und gegen die Vorgaben eines Subventionsbescheids verstieß.

Urteil:

Die Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen, und das Gericht bestätigte, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Erbschaftsmittel ausschließlich zugunsten der Bezirksgruppe R zu verwenden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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