Anspruch wegen behaupteter vorsätzlicher Schädigung (Mobbing)

November 1, 2025

Anspruch wegen behaupteter vorsätzlicher Schädigung (Mobbing)

Gerne fasse ich das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. Juni 2013 (Az.: 8 AZR 280/12) für Laien zusammen.


BAG-Urteil: Schmerzensgeld wegen Mobbing und die Ausschlussfrist

1. Worum ging es in dem Fall?

Eine Arbeitnehmerin (Klägerin) verlangte von ihrer Arbeitgeberin (Beklagte) Schmerzensgeld wegen sogenanntem Mobbing. Sie warf ihrem Vorgesetzten (einem Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen der Beklagten) vor, sie fast täglich beleidigt („doof“, „blöd“, „unfähig“), ihr bewusst falsche Dinge unterstellt (Überstundenabrechnung) und sie sexuell belästigt zu haben (Zwang zur Anwesenheit bei einem Rammstein-Video mit dem Titel „Pussy Video“).

Die Arbeitgeberin wehrte sich gegen die Klage hauptsächlich mit dem Argument, dass die Arbeitnehmerin eine vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist versäumt habe, die besagte, dass Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden müssen. Die Klage war später eingereicht worden.


2. Der Weg durch die Instanzen

  • Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) Köln: Beide Gerichte wiesen die Klage der Arbeitnehmerin ab. Sie waren der Ansicht, dass die vertragliche Ausschlussfrist wirksam sei und die Klägerin ihren Anspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht habe. Das LAG meinte insbesondere, dass die Ausschlussklausel auch für vorsätzliches Verhalten eines Vorgesetzten gelte, da dies durch eine gesetzliche Ausnahme (§ 278 Satz 2 BGB) zulässig sei.
  • Bundesarbeitsgericht (BAG): Die Klägerin legte Revision ein und war damit erfolgreich. Das BAG hob das Urteil des LAG auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das LAG zurück.

Anspruch wegen behaupteter vorsätzlicher Schädigung (Mobbing)

3. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) – Der Kernpunkt

Das BAG entschied, dass der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch nicht an der vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist scheitern durfte. Die Begründung des BAG ist der wichtigste Teil des Urteils:

Ausschlussfristen und Vorsatzhaftung

  1. Generelle Auslegung von AGB: Bei der strittigen Klausel handelte es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die vom Arbeitgeber gestellt wurden. Diese werden vom BAG streng überprüft und im Zweifel zugunsten des Arbeitnehmers ausgelegt.
  2. Verbot der Haftungserleichterung bei Vorsatz: Das Gesetz (§ 202 Abs. 1 BGB i. V. m. § 276 Abs. 3 BGB) verbietet es grundsätzlich, die Haftung wegen Vorsatzes (also absichtliches Handeln) im Voraus durch Vertrag zu erlassen oder zu erleichtern – und das gilt auch für Ausschlussfristen. Eine Klausel, die dies dennoch täte, wäre nichtig.
  3. Die „normale“ Absicht der Vertragspartner: Das BAG argumentiert, dass die Parteien eines Arbeitsvertrages mit einer solchen Ausschlussklausel in der Regel laufende Ansprüche (wie Lohn) im Auge haben, nicht aber Ansprüche wegen schwerer Personenschäden oder vorsätzlicher Persönlichkeitsverletzungen (wie Mobbing).
  4. Auslegung zugunsten der Wirksamkeit: Da niemand einen Verstoß gegen das Gesetz bezwecken will, legt das BAG die Klausel so aus, dass sie diese gesetzlich verbotenen Fälle (Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung, insbesondere durch Mobbing) gar nicht erst erfasst (geltungserhaltende Reduktion). Die Klausel ist also nicht generell unwirksam, gilt aber nicht für diesen konkreten Fall.
  5. Folge: Weil die Ausschlussfrist den Schmerzensgeldanspruch wegen der behaupteten vorsätzlichen Verletzung nicht erfassen konnte, musste die Klägerin diese Frist nicht einhalten.

4. Ergebnis und Konsequenz

Das BAG konnte nicht abschließend über das Schmerzensgeld entscheiden, da die unteren Gerichte wegen der aus ihrer Sicht verpassten Frist die Mobbingsvorwürfe nicht inhaltlich geprüft hatten.

Daher hat das BAG den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen. Das LAG musste nun prüfen, ob die von der Klägerin geschilderten Vorfälle tatsächlich ein rechtswidriges Mobbing darstellen, welches einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet.

Zusammenfassend: Das Urteil stellt klar, dass allgemeine Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen nicht für Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Handlungen (z. B. Mobbing) gelten, da dies gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen würde. Solche schwerwiegenden Ansprüche bleiben von der Frist unberührt.

RA und Notar Krau

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