BAG 4 AZR 197/17

April 9, 2021

BAG 4 AZR 197/17

Anwendbarkeit eines Tarifwerks auf Arbeitsverhältnis

Urteil vom 11.12.2019

RA und Notar Krau

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass bei einem gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses von der Bundesagentur für Arbeit (BA)

zu einer Optionskommune gemäß § 6c SGB II die im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Tarifverträge der BA durch die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (TVöD/VKA) verdrängt werden.

Sachverhalt:

Die Klägerin war bei der BA beschäftigt und ihr Arbeitsverhältnis unterlag dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der BA (TV-BA).

Mit dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses zu einer Optionskommune wurde sie nach dem TVöD/VKA vergütet.

BAG 4 AZR 197/17

Sie klagte auf Anwendung des TV-BA und die daraus resultierenden höheren Entgeltansprüche.

Entscheidung des BAG:

  • Anwendbarer Tarifvertrag: Das BAG stellte fest, dass § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II die ausschließliche Anwendung der für den neuen Arbeitgeber geltenden Tarifverträge anordnet. Die im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Tarifverträge der BA werden dadurch verdrängt.
  • Keine Kollision: Eine Kollision zwischen den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes und den vertraglich in Bezug genommenen Tarifverträgen der BA besteht nicht, da erstere kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung vollständig verdrängt werden.
  • Verfassungsgemäßigkeit: Der Eingriff in die Vertragsfreiheit der Klägerin ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da er der Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Organisationsstrukturen des neuen Arbeitgebers dient.
  • Zurückverweisung: Die Hilfsanträge der Klägerin auf Schadensersatz und Eingruppierung nach dem TVÜ-VKA wurden zur weiteren Prüfung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Begründung:

BAG 4 AZR 197/17

  • Wortlaut und Systematik: Der Wortlaut des § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II („ausschließlich“) und die Systematik der Regelung sprechen für eine verdrängende Wirkung der Tarifverträge des neuen Arbeitgebers.
  • Sinn und Zweck: Die Regelung dient der Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Organisationsstrukturen des neuen Arbeitgebers. Das Vergütungssystem der BA ist speziell auf deren Tätigkeiten und Organisationsstrukturen abgestimmt und lässt sich nicht ohne weiteres auf andere Arbeitgeber übertragen.
  • Kein Regelungsbedürfnis für Tarifkollisionen: Ein Regelungsbedürfnis für Tarifkollisionen auf kollektivrechtlicher Ebene besteht nicht, da der TV-BA mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses seine unmittelbare und zwingende Wirkung verliert.
  • Verfassungsrechtliche Bewertung: Der Eingriff in die Vertragsfreiheit ist gerechtfertigt und verhältnismäßig, da er der Anpassung der Arbeitsbedingungen dient und im Regelfall die Anwendbarkeit eines anderen Tarifwerks des öffentlichen Dienstes sicherstellt.

Hinweise für das weitere Verfahren:

  • Konkretisierung des Schadensersatzantrags: Das Landesarbeitsgericht muss der Klägerin Gelegenheit geben, ihren Schadensersatzantrag zu konkretisieren.

BAG 4 AZR 197/17

  • Prüfung der Gleichwertigkeit der Tätigkeit: Bei der Prüfung des Schadensersatzantrags ist zu berücksichtigen, dass trotz Entgelteinbußen eine tarifrechtlich gleichwertige Tätigkeit vorliegen kann.
  • Klärung des Eingruppierungsantrags: Die Klägerin muss ihren Eingruppierungsantrag klarzustellen und einen den gesetzlichen Anforderungen genügenden Antrag stellen.

Fazit:

Das Urteil des BAG verdeutlicht die Rechtsfolgen des gesetzlichen Übergangs von Arbeitsverhältnissen nach § 6c SGB II.

Die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge der BA werden durch die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes verdrängt.

Dies dient der Anpassung der Arbeitsbedingungen an die Organisationsstrukturen des neuen Arbeitgebers.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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