Kurz vor seinem Tod errichteten die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten.
Das Nachlassgericht wies den Antrag der Ehefrau auf Erteilung eines Erbscheins zurück, da nach polnischem Recht,
das aufgrund der Staatsangehörigkeit des Erblassers zur Anwendung kommen sollte, gemeinschaftliche Testamente unzulässig seien.
Anwendung der Europäischen Erbrechtsverordnung in Übergangsfällen
Die Ehefrau legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.
Entscheidung des OLG Schleswig:
Das OLG Schleswig gab der Beschwerde statt und wies das Nachlassgericht an, der Ehefrau einen Erbschein zu erteilen,
der sie als Alleinerbin des in Deutschland befindlichen Nachlasses ausweist.
Begründung:
- Anwendbares Recht:
Zwar fand die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) aufgrund des Todeszeitpunkts des Erblassers (vor dem 17.08.2015) keine Anwendung.
Die Vorschriften des Kapitels III der EuErbVO fanden jedoch gemäß Art. 25 EGBGB entsprechend Anwendung,
soweit die Rechtsnachfolge von Todes wegen nicht in den Anwendungsbereich der EuErbVO fiel.
Anwendung der Europäischen Erbrechtsverordnung in Übergangsfällen
Im vorliegenden Fall war dies der Fall, da es um die Frage der Formwirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments ging,
die nach dem bis dahin geltenden deutschen internationalen Privatrecht zu beurteilen war.
- Formwirksamkeit des Testaments:
Nach den Kollisionsregeln des polnischen internationalen Privatrechts war die Formgültigkeit des Testaments nach dem Haager Übereinkommen
über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 05.10.1961 (HTÜ) zu beurteilen.
Gemäß Art. 1 HTÜ war ein Testament formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts des Ortes erfüllte, an dem der Erblasser die Verfügung errichtet hatte.
Im vorliegenden Fall war das Testament in Deutschland errichtet worden und entsprach den Formerfordernissen des deutschen Rechts, das gemeinschaftliche Testamente zulässt.
Das polnische Recht verbot zwar gemeinschaftliche Testamente, dieses Verbot war jedoch als Formvorschrift und nicht als materiellrechtliche Vorschrift anzusehen.
Daher war das Testament nach dem HTÜ formgültig.
- Rechtswahl:
Der Erblasser hatte in dem Testament zwar keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen, jedoch konnte eine konkludente Wahl deutschen Rechts angenommen werden.
Dies ergab sich zum einen aus der Wahl des Rechtsinstituts des gemeinschaftlichen Testaments, das dem deutschen Recht bekannt war, dem polnischen Recht jedoch fremd war.
Zum anderen war das Testament in deutscher Sprache abgefasst.
Darüber hinaus ergab sich aus den Angaben der Schwestern des Erblassers, dass dieser über die Möglichkeit der Rechtswahl informiert war
und sich bewusst für die Anwendung deutschen Rechts entschieden hatte.
- Testierfähigkeit:
Die Schwestern des Erblassers hatten Zweifel an dessen Testierfähigkeit geäußert, da er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung unter dem Einfluss starker Schmerzmittel gestanden habe.
Das OLG sah jedoch keine Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit.
Der Erblasser war nach den Angaben der Schwestern in der Lage gewesen, ein ausführliches Gespräch über erbrechtliche Fragen zu führen.
- Erbschein:
Da die Ehefrau einen auf das in Deutschland befindliche Vermögen beschränkten Erbschein beantragt hatte, war dieser zu erteilen.
Fazit:
Das OLG Schleswig hat in diesem Beschluss entschieden, dass ein in Deutschland errichtetes gemeinschaftliches Testament
eines polnischen Staatsangehörigen mit seiner deutschen Ehefrau formwirksam ist, wenn es den Formerfordernissen des deutschen Rechts entspricht.
Dies gilt auch dann, wenn das Heimatrecht des Erblassers gemeinschaftliche Testamente verbietet, sofern dieses Verbot als Formvorschrift anzusehen ist.
Der Beschluss verdeutlicht die Bedeutung der Kollisionsregeln im internationalen Privatrecht und die Möglichkeit der Rechtswahl im Erbrecht.
Er zeigt auch, dass die Gerichte im Rahmen der Testamentsauslegung den Willen des Erblassers erforschen und berücksichtigen.