Auch besonders günstige Mieten sind nicht sittenwidrig
Bundesgerichtshof Urteil vom 26. März 2025 (Az.: VII ZR 152/23)
In einem aufsehenerregenden Urteil vom 26. März 2025 (Az.: VII ZR 152/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein auffallend günstiger Mietvertrag über eine 177 Quadratmeter große
Wohnung in Berlin für eine monatliche Kaltmiete von 600 Euro nicht allein aufgrund dieser Konditionen als sittenwidrig (§ 138 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) angesehen werden kann.
Vielmehr bedarf es konkreter Anhaltspunkte, die auf ein bewusstes Zusammenwirken des Mieters mit dem vermietenden Geschäftsführer zum Nachteil der GmbH als Eigentümerin schließen lassen oder
zumindest dessen Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis hinsichtlich eines Missbrauchs der Vertretungsmacht durch den Geschäftsführer belegen.
Der Fall betrifft ein Paar mit Kindern, das seit 2017 in einer geräumigen Fünfzimmerwohnung in Berlin lebt.
Die Frau hatte als alleinige Mieterin mit der Eigentümer-GmbH einen Mietvertrag abgeschlossen, der eine Kaltmiete von 600 Euro und eine Bruttomiete von 1.010 Euro vorsah.
Zudem war vereinbart, dass die Mietzahlungen erst ab September 2018 beginnen sollten, da die Mieterin die Wohnung bis dahin auf eigene Kosten renovieren sollte, ausgenommen hiervon waren Vermieterpflichten.
Knapp vier Jahre später forderte die GmbH die Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Die Begründung:
Der Mietvertrag sei durch kollusives Verhalten zustande gekommen und aufgrund der ungewöhnlich niedrigen Miete sittenwidrig.
Der frühere Geschäftsführer der GmbH, der den Vertrag unterzeichnet hatte, war inzwischen abgelöst worden.
Die neue Geschäftsführung sah in dem Mietvertrag eine Schädigung der Vermögensinteressen der GmbH.
Die Klage der GmbH auf Räumung und Herausgabe der Wohnung wurde zunächst vom Amtsgericht Charlottenburg abgewiesen.
Das Landgericht (LG) Berlin gab der Klage jedoch in der Berufungsinstanz weitestgehend statt.
Das LG argumentierte, der Mietvertrag sei gemäß § 138 BGB sittenwidrig, da der ehemalige Geschäftsführer
mit dem Lebensgefährten der Mieterin zum Nachteil der GmbH kollusiv zusammengewirkt habe.
Die vereinbarte Kaltmiete von 600 Euro sei – selbst unter Berücksichtigung der Renovierungsleistungen der Mieterin – ein Verstoß gegen die guten Sitten.
Zudem sei dem Lebensgefährten der Mieterin bekannt gewesen oder hätte grobfahrlässig unbekannt sein müssen, dass der damalige Geschäftsführer nicht befugt war,
einen solchen Vertrag abzuschließen, da die GmbH die Wohnung verkaufen und nicht vermieten wollte.
Aufgrund der extrem günstigen Konditionen des Mietvertrages sei ihm auch klar gewesen, dass die GmbH alles unternehmen würde, um den Vertrag zu beenden.
Dieses Wissen des Lebensgefährten sei der Mieterin als Vertragspartnerin gemäß § 166 BGB zuzurechnen.
Der BGH hob das Urteil des LG Berlin auf die Revision des Paares hin auf.
Die Karlsruher Richter stellten fest, dass die Begründung des LG Berlin keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe gemäß §§ 546 Abs. 1 und 2, 985 BGB trage.
Anders als vom LG angenommen, reiche die bloße Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des Vertragspartners vom Missbrauch der Vertretungsmacht eines Vertreters nicht aus,
um von einem kollusiven Zusammenwirken im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB auszugehen.
Der BGH präzisierte, dass ein Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, wenn ein Vertreter bewusst mit dem anderen Vertragsteil zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirkt.
Auch ohne eine solche Kollusion könne sich der Vertretene gemäß § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben)
auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen, wenn der Vertragspartner den Missbrauch der Vertretungsmacht erkannt hat oder hätte erkennen müssen.
Im vorliegenden Fall habe das LG Berlin jedoch nicht hinreichend festgestellt, dass die Mieterin – die den Mietvertrag als
alleinige Vertragspartnerin unterzeichnete – in der Absicht handelte, mit dem damaligen Geschäftsführer zum Nachteil der GmbH zusammenzuwirken.
Es sei nicht ersichtlich, dass die Frau überhaupt Kenntnis von den Umständen des Vertragsschlusses oder von etwaigen Absprachen zwischen dem Geschäftsführer und ihrem Lebensgefährten hatte.
Auch in Bezug auf den Lebensgefährten, dessen Handeln und Wissen das LG primär berücksichtigt hatte, genügten die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.
Der BGH monierte, dass das LG die Kenntnis beziehungsweise die grobfahrlässige Unkenntnis des Mannes für die Annahme der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) ausreichen ließ, was darauf hindeute, dass das
Gericht die Fälle der Sittenwidrigkeit nicht sauber von denen der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) unterschieden habe.
Darüber hinaus bemängelten die Karlsruher Richter, dass das LG Berlin nicht ausreichend dargelegt habe, warum sich der Mieterin
das treuwidrige Handeln des damaligen Geschäftsführers der GmbH hätte aufdrängen müssen.
Zwar habe der Geschäftsführer entgegen dem Willen der GmbH gehandelt und seine Vertretungsmacht überschritten, da die Wohnungen verkauft und nicht vermietet werden sollten.
Nach den bisherigen Feststellungen konnte dies aber nur der Lebensgefährte der Mieterin wissen, der selbst nicht Vertragspartner war.
Für eine Zurechnung dieses Wissens auf die Mieterin gemäß § 166 BGB fehlten wiederum entsprechende Feststellungen.
Der BGH stellte klar, dass der Lebensgefährte bei der Vertragsunterzeichnung nicht als Stellvertreter für seine Lebensgefährtin aufgetreten war.
Eine Zurechnung aufgrund anderer Umstände, etwa weil die Frau ihren Lebensgefährten mit Aufgaben im Zusammenhang mit der Anmietung betraut hatte oder dessen Handeln kannte und billigte,
könne nicht ohne entsprechende Feststellungen des LG angenommen werden.
Allein das Zusammenleben als Paar mit gemeinsamen Kindern in der Wohnung reiche hierfür nicht aus.
„Die willentliche und bewusste Einschaltung des Dritten als Wissensvertreter darf nicht schlicht vermutet werden“, betonte der BGH.
Letztlich sei auch nicht davon auszugehen, dass sich der Frau allein aufgrund der sehr günstigen Mietbedingungen
hätte aufdrängen müssen, dass der Geschäftsführer nicht befugt war, einen solchen Vertrag abzuschließen.
Die Höhe der Kaltmiete von „immerhin (noch)“ 600 Euro im Monat sowie die Mietbefreiung im ersten Jahr gegen Renovierung seien dafür nicht ausreichend.
Da somit noch zahlreiche Feststellungen zu treffen sind, verwies der BGH den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Berlin zurück.
Das Berufungsgericht muss nun die Umstände des Vertragsschlusses und die Kenntnisse der Mieterin und ihres Lebensgefährten genauer prüfen und bewerten,
um abschließend über die Wirksamkeit des Mietvertrages zu entscheiden.
Das Urteil des BGH unterstreicht, dass die Annahme der Sittenwidrigkeit eines Vertrages aufgrund ungewöhnlich günstiger Konditionen hohe Anforderungen an die Darlegung eines bewussten
Zusammenwirkens oder der Kenntnis eines Missbrauchs der Vertretungsmacht stellt und nicht allein aus den günstigen Bedingungen abgeleitet werden kann.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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