Aufgrund Erbbaurechts errichtetes Bauwerk kann nicht Gegenstand von Sondereigentum werden
In seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2022 (Az. 14 W 75/22 Wx) hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Grundstück, das mit einem Erbbaurecht belastet
ist und auf dem aufgrund dieses Rechts ein Bauwerk errichtet wurde, nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) in Sondereigentum aufgeteilt werden kann.
Das OLG Karlsruhe verneinte dies und lehnte den Antrag auf Eintragung einer entsprechenden Teilungserklärung ab.
Der Fall betraf einen Grundstückseigentümer, der ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück erworben hatte.
Auf diesem Grundstück stand ein Einfamilienhaus mit Doppelgarage, das vom Erbbauberechtigten im Rahmen seines Erbbaurechts errichtet worden war.
Der Grundstückseigentümer beabsichtigte, das bestehende Gebäude in ein Fünffamilienhaus umzubauen und das Grundstück nach WEG aufzuteilen.
Zunächst hatte er auch das Erbbaurecht erworben, um es nach dem Eigentumswechsel am Grundstück aufzuheben.
Dieser Plan scheiterte jedoch am Verlust des Briefes einer auf dem Erbbaurecht lastenden Grundschuld.
In der Folge beantragte der Grundstückseigentümer die Eintragung der Teilungserklärung, obwohl das Erbbaurecht weiterhin bestand.
Das OLG Karlsruhe begründete seine ablehnende Entscheidung maßgeblich damit, dass ein aufgrund eines Erbbaurechts errichtetes Bauwerk gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 des Erbbaurechtsgesetzes (ErbbauRG)
als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts gelte und daher gemäß § 93 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht Gegenstand von Sondereigentum werden könne.
Es sei ausgeschlossen, dass mit einem Miteigentumsanteil am Grundstück Sondereigentum an einer Wohnung verbunden werde, die sich in einem solchen Gebäude befinde.
Zudem argumentierte das Gericht, dass der Grundstückseigentümer bei bestehendem Erbbaurecht nicht befugt sei, über das Bauwerk zu verfügen, da dieses Teil des Erbbaurechts sei.
Dies unterscheide den Fall von einer sogenannten „Vorratsteilung“ eines unbebauten Grundstücks, bei der der Eigentümer uneingeschränkt über sein Grundstück verfügen könne.
Die Anmerkung von Notar a. D. Dr. Andreas Bernert zu dieser Entscheidung in der Deutschen Notar-Zeitschrift (DNotZ 2023, 460) kritisiert die Argumentation des OLG Karlsruhe in wesentlichen Punkten.
Laut Bernert halten beide Hauptargumente des Gerichts einer genaueren Überprüfung nicht stand.
Zunächst widerspricht Bernert der Auffassung des OLG Karlsruhe, dass ein aufgrund eines Erbbaurechts errichtetes Gebäude nicht Gegenstand von Sondereigentum sein könne.
Er weist darauf hin, dass es dogmatisch anspruchsvoller wäre, wenn der Grundstückseigentümer versuchen würde,
das bereits bestehende Gebäude, das in Ausübung des Erbbaurechts errichtet wurde, zum Gegenstand des Sondereigentums zu machen.
In einem solchen Fall würde das Erbbaurecht Vorrang haben und der Erbbauberechtigte bliebe Eigentümer des Gebäudes.
Im vorliegenden Fall habe der Grundstückseigentümer jedoch nicht erklärt, dass bestimmte Miteigentumsanteile mit Sondereigentum an Räumen des Bestandsgebäudes verbunden werden sollen.
Vielmehr sei es um die Begründung von Sondereigentum an Räumen in einem noch zu errichtenden Gebäude gegangen, mit einer voraussichtlich völlig anderen Raumaufteilung.
Durch die Teilungserklärung sei somit – wie bei jeder Vorratsteilung vor Gebäudeerrichtung – zunächst substanzloses Sondereigentum geschaffen worden.
Bernert argumentiert weiter, dass selbst wenn man annehmen würde, der Grundstückseigentümer habe versucht,
die bestehenden Räumlichkeiten zum Gegenstand des Sondereigentums zu machen, die Teilungserklärung vollziehbar wäre.
Es würde lediglich substanzloses Sondereigentum entstehen, vergleichbar mit einer Vorratsteilung auf einer unbebauten Fläche.
Bei einer späteren Aufhebung des Erbbaurechts würde dieses Sondereigentum dann „Substanz“ erhalten, analog dazu, wie Sondereigentum bei der Errichtung eines Gebäudes nach und nach Substanz erhält.
Es gebe keinen nachvollziehbaren rechtlichen Grund für eine unterschiedliche Behandlung dieser Konstellationen.
Auch das Argument des OLG Karlsruhe bezüglich der fehlenden Antragsberechtigung des Grundstückseigentümers (§ 13 Abs. 1 Satz 2 der Grundbuchordnung – GBO) weist Bernert zurück.
Der Grundstückseigentümer teile nicht das Gebäude auf, sondern verändere den Inhalt seines Eigentums am Grundstück, indem er es in Miteigentumsanteile aufteile, mit denen Sondereigentum an – auch
potenziell erst noch zu errichtenden – Räumen verbunden werde (§ 8 Abs. 1 WEG, § 3 Abs. 1 Satz 1 WEG).
Hierfür sei keine Verfügungsbefugnis über ein möglicherweise auf dem Grundstück stehendes Gebäude erforderlich.
Zusammenfassend kritisiert Bernert, dass das OLG Karlsruhe zwar zutreffende Aspekte zum WEG und zum Erbbaurecht anführt, die Subsumtion unter den konkreten Sachverhalt jedoch fehlerhaft sei.
Er räumt ein, dass die Teilung eines Erbbaugrundstücks nach WEG zu einer komplexen Grundbuchsituation führen kann.
Dennoch führe selbst eine möglicherweise „sinnlose“ Teilungserklärung des Grundstückseigentümers nicht zu deren rechtlicher Unzulässigkeit.
Die Anmerkung verdeutlicht, dass die Frage, inwieweit ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück nach WEG aufgeteilt werden kann, differenzierter zu betrachten ist, als es das OLG Karlsruhe in seiner Entscheidung getan hat.
Insbesondere die Unterscheidung zwischen der Aufteilung eines bestehenden, aufgrund des Erbbaurechts errichteten Gebäudes
und der Schaffung von Sondereigentum an zukünftig zu errichtenden Räumen scheint hier von entscheidender Bedeutung zu sein.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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