Aufstellen von Streikposten – LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 29.03.2017 – 24 Sa 979/16
Zusammenfassung von RA und Notar Krau
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. März 2017 (Az.: 24 Sa 979/16) befasst sich mit einem Konflikt zwischen einer Gewerkschaft (Beklagte) und einem Unternehmen (Klägerin) bezüglich der Rechtmäßigkeit von Streikposten auf einem von der Klägerin gepachteten Parkplatz.
Hintergrund des Falls:
Die Klägerin betreibt auf einem gepachteten Gelände die Lagerung, Zusammenstellung und den Versand von Waren, die über das Internet bestellt werden.
Das Gelände umfasst ein Lagergebäude, das von einem hohen Zaun umgeben ist, sowie einen großen Parkplatz, der den Arbeitnehmern der Klägerin zur Verfügung steht.
Die Beklagte, eine Gewerkschaft, versuchte seit mehreren Jahren vergeblich, Tarifverhandlungen mit der Klägerin und anderen Unternehmen der A. Corporation zu führen.
Am 21. und 22. September 2015 sowie erneut am 24. März 2016 rief die Beklagte die Arbeitnehmer der Klägerin zum Streik auf und stellte Streikposten auf dem Parkplatz vor dem sogenannten „Banana-Tower“ auf, dem Haupteingang zum Betriebsgebäude.
Klage und Forderungen:
Die Klägerin beantragte, der Beklagten zu untersagen, Streikmaßnahmen auf dem Parkplatz durchzuführen, da dies ihr Hausrecht gemäß Art. 13 und 14 GG verletze.
Die Beklagte argumentierte, dass ihr Streikrecht gemäß Art. 9 Abs. 3 GG Vorrang habe und das Hausrecht der Klägerin in diesem Fall zurücktreten müsse.
Entscheidung des Arbeitsgerichts:
Das Arbeitsgericht gab der Klägerin Recht und untersagte der Beklagten die Streikmaßnahmen auf dem Parkplatz.
Es argumentierte, dass die Klägerin nicht gezwungen werden könne, durch die Bereitstellung von Betriebsmitteln an ihrer eigenen Schädigung mitzuwirken.
Berufung und Urteil des Landesarbeitsgerichts:
Die Beklagte legte Berufung gegen dieses Urteil ein.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hob das Urteil des Arbeitsgerichts auf und wies die Klage ab.
Die wesentlichen Entscheidungsgründe waren:
Koalitionsfreiheit vs. Hausrecht:
Das Gericht erkannte an, dass das Recht der Gewerkschaft auf Durchführung von Streikmaßnahmen durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt ist.
Dieses Recht umfasst auch die Aufstellung von Streikposten und die Benutzung von streikpostentypischen Materialien, solange diese Maßnahmen darauf abzielen, mit Mitteln des gütlichen Zuredens und des Appells an die Solidarität arbeitswilliger Arbeitnehmer zur Teilnahme am Streik zu bewegen.
Besitzrecht der Klägerin:
Das Besitzrecht der Klägerin an dem Parkplatz fällt nicht unter den Schutzbereich des Art. 14 GG.
Zudem sei die Beeinträchtigung des Besitzes durch die Streikpostenaktivitäten nur formell und nicht wesentlich.
Es wurde festgestellt, dass die Aktivitäten der Beklagten die Nutzbarkeit des Parkplatzes und den Zugang der arbeitswilligen Arbeitnehmer zum Betriebsgebäude nicht beeinträchtigten.
Effektivität der Streikmaßnahmen:
Das Gericht betonte, dass die Streikpostenaktivitäten auf öffentlichem Straßenland wegen der räumlichen Gegebenheiten keine realistische Alternative darstellten.
Die Kommunikation der Streikposten mit den Arbeitnehmern wäre dort ineffektiv gewesen, da der Gehweg zu schmal und die Situation für eine Ansprache der Arbeitnehmer ungeeignet war.
Abwägung der Interessen:
Das Gericht führte eine Abwägung der Interessen durch und kam zu dem Schluss, dass das Grundrecht der Beklagten aus Art. 9 Abs. 3 GG Vorrang vor dem formellen Besitzrecht der Klägerin habe.
Die Gewerkschaft sei darauf angewiesen, das Parkplatzgelände zu nutzen, um überhaupt mit den Arbeitnehmern kommunizieren zu können.
Die Beeinträchtigung der Klägerin sei demgegenüber minimal und hinnehmbar.
Schlussfolgerung:
Das Landesarbeitsgericht entschied, dass die Klägerin die Streikpostenaktivitäten der Beklagten auf dem Parkplatz dulden müsse, da diese durch die Koalitionsfreiheit geschützt seien und eine effektive Kommunikation der Gewerkschaft mit den Arbeitnehmern ermöglichten.
Die formelle Beeinträchtigung des Besitzrechts der Klägerin sei im Lichte der grundgesetzlichen Wertungen hinzunehmen.
Die Revision wurde zugelassen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.