Ausgleichung und Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil 

Oktober 30, 2017

Ausgleichung und Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil

Anrechnung von Vorempfängen – Testamentsauslegung

BGH IV ZR 3/74

RA und Notar Krau

Dieses Urteil des Bundesgerichtshofs befasst sich mit der Frage, wie Zuwendungen an Pflichtteilsberechtigte bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen sind,

insbesondere im Hinblick auf den Kaufkraftschwund des Geldes.

Der Fall:

Die Klägerinnen waren Töchter bzw. Enkelin eines Ehepaares, das ein gemeinschaftliches Testament errichtet hatte.

Darin setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Vorerben und ihre Tochter (die Beklagte) zur Nacherbin ein.

Das Testament enthielt auch eine Bestimmung über die Anrechnung von Vorempfängen, die die Kinder bereits erhalten hatten.

Nach dem Tod der Eltern machten die Klägerinnen Pflichtteilsansprüche geltend.

Streitpunkte:

Ausgleichung und Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil

  • Bewertung des Nachlasses: Die Beklagte argumentierte, dass der Wert des landwirtschaftlichen Anwesens, das sie geerbt hatte, nach dem Ertragswert und nicht nach dem Verkehrswert anzusetzen sei.
  • Zeitpunkt der Bewertung: Es war strittig, welcher Zeitpunkt für die Bewertung einer Schenkung maßgeblich ist.
  • Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes: Die Klägerinnen verlangten, dass der Kaufkraftschwund des Geldes bei der Anrechnung der Vorempfänge berücksichtigt wird.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der BGH entschied, dass der Verkehrswert des landwirtschaftlichen Anwesens anzusetzen ist, da das Testament keine Anordnung über die Anwendung des Ertragswertes enthielt.

Als Zeitpunkt der Bewertung einer Schenkung ist der Tag der Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch maßgeblich.

Der BGH stellte zudem klar, dass der Kaufkraftschwund des Geldes bei der Anrechnung von Vorempfängen zu berücksichtigen ist.

Begründung:

Ausgleichung und Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil

  • Bewertung des Nachlasses: Die Auslegung eines Testaments ist Aufgabe des Tatrichters. Im vorliegenden Fall enthielt das Testament keine Hinweise darauf, dass die Eltern den Ertragswert für die Berechnung des Pflichtteils heranziehen wollten.
  • Eine ergänzende Testamentsauslegung in diesem Sinne kam nicht in Betracht, da sie dem Willen der Eltern widersprochen hätte, alle Kinder gleichzustellen.
  • Zeitpunkt der Bewertung: Für die Bewertung einer Schenkung ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Eigentumserwerb vollzogen ist. Dies ist im Regelfall der Tag der Eintragung im Grundbuch.
  • Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes: Der BGH führte aus, dass die Ausgleichung von Zuwendungen nach den §§ 2050 ff. BGB die wirtschaftliche Gleichstellung der Abkömmlinge bezweckt. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Kaufkraftschwund des Geldes berücksichtigt werden.
  • Die Geldzuwendungen sind daher mit Hilfe des Preisindexes für die Lebenshaltung umzurechnen. Bei Sachwerten ist zunächst der Geldwert im Zeitpunkt der Zuwendung zu ermitteln und dieser Betrag dann umzurechnen.

Hinweise für die Praxis:

  • Bei der Gestaltung von Testamenten sollte klar geregelt werden, welcher Wert (Ertragswert oder Verkehrswert) für die Berechnung des Pflichtteils maßgeblich sein soll.
  • Zuwendungen an Pflichtteilsberechtigte sollten im Testament dokumentiert und im Hinblick auf eine mögliche Anrechnung auf den Pflichtteil eindeutig formuliert werden.
  • Bei der Berechnung des Pflichtteils ist der Kaufkraftschwund des Geldes zu berücksichtigen, um die wirtschaftliche Gleichstellung der Abkömmlinge zu gewährleisten.

Fazit:

Dieses Urteil des BGH ist von grundlegender Bedeutung für die Berechnung des Pflichtteils und die Berücksichtigung von Zuwendungen.

Es verdeutlicht, dass der Kaufkraftschwund bei der Anrechnung von Vorempfängen eine entscheidende Rolle spielt und im Interesse der Gerechtigkeit berücksichtigt werden muss.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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