Auskunftspflichten des Hausgenossen nach dem Tod eines Erblassers

Juni 13, 2025

Auskunftspflichten des Hausgenossen nach dem Tod eines Erblassers

RA und Notar Krau

Wenn jemand stirbt, hinterlässt er oft Vermögen, das dann an die Erben übergeht – der sogenannte Nachlass. Manchmal leben im Haushalt des Verstorbenen (Erblassers) auch andere Personen, sogenannte Hausgenossen. Es stellt sich dann die Frage, welche Informationen diese Hausgenossen den Erben über den Nachlass geben müssen. Ein Urteil des OLG Brandenburg vom 7. Mai 2024 (Az. 3 U 90/23) beleuchtet diesen Bereich des Erbrechts genauer.

Wer ist auskunftspflichtig und wofür?

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt in den Paragrafen 2027 und 2028 die Auskunftspflichten.

§ 2027 Abs. 2 BGB: Besitzer von Nachlassgegenständen

Dieser Paragraph besagt, dass jemand, der Gegenstände aus dem Nachlass an sich nimmt, nachdem der Erblasser verstorben ist und bevor der Erbe diese Gegenstände in Besitz nehmen konnte, darüber Auskunft geben muss.

  • Wichtig: Wenn jemand die Gegenstände schon vor dem Tod des Erblassers in Besitz hatte, weil er zum Beispiel mit dem Erblasser zusammenlebte und Zugang zu den Dingen hatte, dann gilt diese Auskunftspflicht nach § 2027 Abs. 2 BGB nicht.

§ 2028 Abs. 1 BGB: Der Hausgenosse

Dieser Paragraph betrifft speziell den Hausgenossen des Erblassers. Ein Hausgenosse ist jemand, der mit dem Erblasser in einem Haushalt gelebt hat.

  • Umfang der Auskunftspflicht: Die Auskunftspflicht des Hausgenossen erstreckt sich darauf, welche „erbschaftlichen Geschäfte“ er nach dem Tod des Erblassers getätigt hat und welche Kenntnisse er über den Verbleib konkreter Nachlassgegenstände hat.
  • Kein Bestandsverzeichnis: Der Hausgenosse muss nicht den gesamten Nachlass auflisten oder ein detailliertes Bestandsverzeichnis des Nachlasses erstellen. Er muss auch keine Auskunft über den Umfang des Nachlasses geben.
  • Erbschaftliche Geschäfte (§ 1959 Abs. 1 BGB): Hierunter fallen nur Geschäfte, die der Hausgenosse nach dem Tod des Erblassers für den Nachlass ausgeführt hat. Hat der Hausgenosse also zum Beispiel im Auftrag des Erblassers dessen Kleidung entsorgt, dann muss er darüber Auskunft geben.

Auskunftspflichten des Hausgenossen nach dem Tod eines Erblassers

Fallbeispiel: Der Streit unter den Erben

Im vorliegenden Fall ging es um den Erben (Kläger), der von den Beklagten (den Hausgenossen des Erblassers und Enkel der Erblasserin) Auskunft über den Nachlass seines verstorbenen Vaters begehrte. Die Beklagten lebten vor dem Tod des Erblassers mit ihm in einem Zweifamilienhaus und hatten Zugang zu seiner Wohnung. Die Beklagte zu 1 hatte zudem eine Vorsorgevollmacht für den Erblasser und verwaltete dessen Finanzen.

Entscheidung des Gerichts:

  1. Keine Auskunft nach § 2027 Abs. 2 BGB: Das Gericht stellte fest, dass die Beklagten bereits vor dem Tod des Erblassers Zugang zu seiner Wohnung und den Gegenständen hatten. Sie waren also schon „Mitbesitzer“ oder „Hausgenossen“ vor dem Erbfall. Daher mussten sie keine Auskunft nach § 2027 Abs. 2 BGB über den Bestand und Verbleib der Erbschaft geben, da sie die Sachen nicht erst nach dem Tod des Erblassers in Besitz genommen hatten.
  2. Auskunft nach § 2028 Abs. 1 BGB erfüllt: Die Beklagten hatten zwar grundsätzlich eine Auskunftspflicht als Hausgenossen. Diese Pflicht ist aber erfüllt, wenn sie Auskunft über die nach dem Tod des Erblassers geführten Geschäfte (wie die Entsorgung von Nachlassgegenständen) und den Verbleib der Gegenstände gegeben haben. Da die Beklagten mitteilten, die Gegenstände entsorgt zu haben und andere Gegenstände als ihr Eigentum bezeichneten, war diese Auskunftspflicht als erfüllt anzusehen. Ein Bestandsverzeichnis mussten sie als Hausgenossen ohnehin nicht vorlegen.
  3. Kein Anspruch auf Rechnungslegung wegen der Vollmacht (§§ 662, 666 BGB): Die Beklagte zu 1 hatte eine Vorsorgevollmacht des Erblassers. Grundsätzlich muss ein Bevollmächtigter Rechenschaft über seine Geschäftsführung ablegen.
    • Aber: Das Gericht entschied, dass der Anspruch auf Rechnungslegung in diesem Fall rechtsmissbräuchlich war (§ 242 BGB). Das liegt daran, dass der Erblasser selbst die Geschäfte der Beklagten zu 1 jahrelang gebilligt hatte. In engen persönlichen Beziehungen, wie familiären, kann das Verlangen nach einer detaillierten Rechnungslegung gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn es über lange Zeiträume nicht eingefordert wurde und der Auftraggeber (hier der Erblasser) die Handlungen informell genehmigt hat.
    • Keine Zweifel an der Zuverlässigkeit: Der Kläger konnte keine Tatsachen vorlegen, die ernsthafte Zweifel an der Zuverlässigkeit der Beklagten zu 1 und ihrer Geschäftsführung geweckt hätten. Die monatlichen Abhebungen von 1.100 EUR waren nicht ungewöhnlich, und die Überweisung des Pflegegeldes auf das Konto der Beklagten zu 1 war ebenfalls kein Grund für Misstrauen, da dies oft als Anerkennung für die Pflege der Angehörigen geschieht. Schwierigkeiten, sich an einzelne Abhebungen zu erinnern, rechtfertigen allein keine Unzuverlässigkeit, da sie gerade auf dem Vertrauensverhältnis beruhen, in dem keine detaillierte Buchführung erwartet wurde.

Fazit

Das Urteil macht deutlich, dass die Auskunftspflichten von Hausgenossen des Erblassers begrenzt sind. Sie müssen keine umfassenden Nachlassverzeichnisse erstellen, sondern primär über Geschäfte Auskunft geben, die sie nach dem Tod des Erblassers im Zusammenhang mit dem Nachlass getätigt haben und über den Verbleib konkreter Nachlassgegenstände. Ein Anspruch auf Rechnungslegung bei einer Vollmacht kann verwirkt sein, wenn der Erblasser selbst über lange Zeiträume keine Rechenschaft verlangt hat und keine konkreten Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit des Bevollmächtigten vorliegen. Diese Regelungen sollen verhindern, dass hilfreiche familiäre oder persönliche Beziehungen durch überzogene rechtliche Anforderungen belastet werden.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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