Auslegung bei Verwendung von Rechtsbegriffen im Testament – Ermittlung des tatsächlichen Willens des Erblassers
KG, Beschl. v. 10.6.2024 – 19 W 28/24 (AG Schöneberg Beschl. v. 22.2.2024 – 60 VI 28/24)
Die Auslegung von Rechtsbegriffen in einem Testament gemäß §§ 133, 2084 BGB erfordert eine sorgfältige Prüfung des tatsächlichen Willens des Erblassers,
der nicht zwingend mit dem buchstäblichen Wortsinn der verwendeten Ausdrücke übereinstimmen muss.
Selbst wenn juristische Fachbegriffe wie „Vorerbe“, „Nacherbe“ oder „Schlusserbe“ verwendet wurden und eine juristische Beratung stattgefunden hat,
ist dies lediglich ein Indiz für die Übereinstimmung von Wortlaut und Erblasserwillen, dem keine bindende Wirkung zukommt.
Die Erklärungen eines beratenden Notars können dabei zwar eine wichtige Bedeutung und besonderes Gewicht haben,
sie heben die Notwendigkeit einer umfassenden Willensforschung aber nicht auf.
Entscheidend bleibt immer, was der Erblasser sich unter dem verwendeten Begriff vorgestellt und damit zum Ausdruck bringen wollte.
Dies wird im vorliegenden Fall des Kammergerichts (KG) deutlich.
Das Amtsgericht (AG) hatte den Erbscheinsantrag der Ehefrau zurückgewiesen, da es im Testament ihres verstorbenen Ehemannes die Begriffe „Vorerbe“, „Nacherbe“ und „Schlusserbe“ als eindeutig im
rechtstechnischen Sinne verwendet ansah, insbesondere aufgrund der erfolgten Rechtsberatung.
Das AG ging davon aus, dass die Eheleute eine auf das Grundstück beschränkte Vor- und Nacherbschaft gewollt hätten,
was rechtlich als Zuwendung eines Bruchteils des Nachlasses im Wege der Vor- und Nacherbschaft zu qualifizieren sei.
Das KG widersprach dieser Auslegung.
Es betonte, dass gerade bei den Begriffen der Vor- und Nacherbschaft nicht automatisch von einem rechtstechnischen
Verständnis ausgegangen werden könne, selbst wenn eine notarielle Beratung stattgefunden habe.
Oftmals würden diese Begriffe auch von Notaren unrichtig verwendet und verfehlten so den wahren Willen des Erblassers.
Das KG wies darauf hin, dass bei einer rechtlich nicht umsetzbaren, auf ein Grundstück beschränkten Vor- und Nacherbschaft regelmäßig in Betracht gezogen werden müsse,
dass damit die Anordnung eines befristeten Vermächtnisses gemeint war.
Im vorliegenden Fall erachtete das KG es als naheliegender und praktikabler, dass die Ehefrau Alleinerbin werden sollte
und die Zuweisung der Grundstücke an die im Testament genannten Personen im Wege eines aufschiebend bedingten Vermächtnisses erfolgen sollte.
Dies entsprach auch der übereinstimmenden Auslegung der Beteiligten in einem Auslegungsvertrag.
Obwohl ein Auslegungsvertrag das Nachlassgericht nicht bindet, kann ihm indizielle Wirkung zukommen, wenn nach den Umständen angenommen werden kann,
dass die vereinbarte Auslegung dem Erblasserwillen entspricht.
Da die Ehefrau, die das Testament mitverfasst hatte, im Auslegungsvertrag den tatsächlichen Willen erläuterte und keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorlagen,
sah das KG dies als starkes Indiz für den gemeinsamen Willen der Ehegatten an.
Der Umstand, dass die Zuweisung konkreter Nachlassgegenstände an Tochter und Enkel im Vordergrund stand, sprach gegen eine quotale Erbeinsetzung und für die Annahme von Vermächtnissen.
Die angeordnete Testamentsvollstreckung durch den Vater der Vermächtnisnehmer gewährleistete zudem die Umsetzung der Vermächtnisse.
Das KG hob daher den Beschluss des AG auf und gab dem Erbscheinsantrag der Ehefrau statt, da es nach zutreffender Auslegung des Testaments davon ausging,
dass sie Alleinerbin geworden war und die Zuwendungen der Grundstücke an die anderen Beteiligten als Vermächtnisse anzusehen waren.
Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit einer umfassenden und am tatsächlichen Willen des Erblassers orientierten Auslegung von Testamenten,
die sich nicht allein am formalen Wortlaut oder der Verwendung juristischer Begriffe orientiert.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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