Auslegung einer Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag – unzulässige Altersdiskriminierung
RA und Notar Krau
Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. Dezember 2023 – 4 AZR 286/22 – zur Auslegung einer Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag und der Frage unzulässiger Altersdiskriminierung zusammen.
Die Klägerin (seit 1991) und der Kläger (seit 1988) waren bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Ihre Arbeitsverträge enthielten eine Klausel, die für die Zeit nach der Probezeit die Geltung
der Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens in der jeweils gültigen Fassung vorsah.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war zunächst tarifgebunden, trat aber Ende 2013 aus dem tarifbindenden Arbeitgeberverband aus.
2015 informierte sie ihre Beschäftigten, dass sie aufgrund der wirtschaftlichen Lage die Tariferhöhungen nicht umsetzen könne und bot stattdessen geringere Erhöhungen und eine Sonderzahlung an, was die Kläger ablehnten.
Die Tariferhöhungen des ERA-Entgeltabkommens 2018 wurden an die Kläger nicht weitergegeben. 2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Rechtsvorgängerin eröffnet, und die
Arbeitsverhältnisse der Kläger gingen im Wege des Betriebsübergangs auf die nicht tarifgebundene Beklagte über.
Die Kläger forderten die Zahlung der Entgeltdifferenz zwischen ihrem tatsächlich gezahlten Lohn und dem Lohn,
der ihnen nach dem ERA-Entgeltabkommen 2018 zustand, für den Zeitraum Oktober 2020 bis März 2021.
Sie argumentierten, ihre Arbeitsverträge enthielten eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge und nicht nur eine Gleichstellungsabrede.
Zudem sahen sie in der früheren Rechtsprechung des BAG, die für vor 2002 geschlossene Verträge Vertrauensschutz gewährt, eine unzulässige Altersdiskriminierung.
Das BAG wies die Revisionen der Kläger ab und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen.
Die Begründung lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Das BAG bestätigte die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, wonach die Bezugnahmen in den Arbeitsverträgen der Kläger
als sogenannte Gleichstellungsabreden im Sinne der früheren Rechtsprechung des BAG auszulegen sind.
Da die Arbeitsverträge vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden und die Rechtsvorgängerin der Beklagten
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tarifgebunden war, greift die frühere Rechtsprechung des BAG.
Diese ging davon aus, dass ein tarifgebundener Arbeitgeber mit einer solchen Bezugnahmeklausel lediglich nicht tarifgebundene Arbeitnehmer den tarifgebundenen gleichstellen wollte.
Die dynamische Wirkung der Bezugnahme sollte demnach enden, wenn die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers entfällt.
Die Kläger konnten keine Umstände darlegen oder beweisen, die eine abweichende Auslegung als „feste“ dynamische Bezugnahme rechtfertigen würden.
Die Behauptung eines entsprechenden Willens bei Vertragsschluss reichte nicht aus.
Die vom Personalleiter behaupteten Zusicherungen wurden von der nicht an den Gesprächen beteiligten Beklagten zulässig mit Nichtwissen bestritten, und die Kläger boten hierfür keinen Beweis an.
Auch das Verhalten der Rechtsvorgängerin nach Vertragsschluss (Schreiben von 2015, mögliche Weitergabe von Tariferhöhungen, Betriebsvereinbarung)
ließ keine hinreichenden Rückschlüsse auf das ursprüngliche Verständnis der Bezugnahmeklauseln zu.
Das BAG wies die Argumentation der Kläger zurück, dass die Gewährung von Vertrauensschutz für vor 2002 geschlossene Verträge zu einer unzulässigen Altersdiskriminierung führe.
Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ist in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Richtlinie 2000/78/EG verankert.
Das BAG stellte fest, dass die Gewährung von Vertrauensschutz an das Datum des Vertragsschlusses anknüpft und nicht an das Alter der Arbeitnehmer.
Es handelt sich um ein objektives und neutrales Kriterium, das keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen des Alters begründet.
Auch wenn typischerweise ältere Arbeitnehmer von der Anwendung der früheren Rechtsprechung betroffen sein könnten,
liegt darin keine mittelbare Diskriminierung, da das maßgebliche Kriterium der Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist, unabhängig vom Alter des Arbeitnehmers zu diesem Zeitpunkt.
Die vom BAG in einer früheren Entscheidung (4 AZR 684/12) erkannte Altersdiskriminierung lag in der Wahl eines Stichtags,
der typischerweise ältere Arbeitnehmer benachteiligte, was mit der hier vorliegenden Anknüpfung an den Vertragsschluss nicht vergleichbar sei.
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof war nicht erforderlich, da die Frage der mittelbaren Altersdiskriminierung bei
Anknüpfung an das Einstellungsdatum bereits durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt sei.
Da die Bezugnahmeklausel als statische Gleichstellungsabrede auszulegen ist und die Tarifgebundenheit der Rechtsvorgängerin der Beklagten vor dem streitgegenständlichen Zeitraum endete,
sind die späteren Tarifentwicklungen (ERA-Entgeltabkommen 2018) nicht auf die Arbeitsverhältnisse der Kläger anwendbar.
Mangels Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf Zinsen.
Das BAG bestätigte, dass für Arbeitsverträge, die vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden und eine Bezugnahme auf Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung enthalten, bei anfänglicher
Tarifgebundenheit des Arbeitgebers in der Regel von einer statischen Gleichstellungsabrede auszugehen ist, es sei denn, es liegen konkrete Anhaltspunkte für eine „feste“ dynamische Bezugnahme vor.
Die Gewährung dieses Vertrauensschutzes stellt keine unzulässige Altersdiskriminierung dar, da das maßgebliche Kriterium der Zeitpunkt des Vertragsschlusses und nicht das Alter des Arbeitnehmers ist.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.