Auslegung einer Testamentsklausel bezüglich einer Vor– und Nacherbschaft
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.02.2014 – 3 Wx 146/13
Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf dreht sich um die Auslegung eines Testaments. Eine Erblasserin hatte in ihrem Testament von 1967 ihre Tochter als Erbin eingesetzt, aber dabei bestimmte Bedingungen geknüpft, die das Gericht nun klären musste.
Die Erblasserin schrieb im Wesentlichen:
„Hiermit setze ich meine Tochter als meine Erbin ein, mit der Bedingung, dass sie meinem Sohn aus erster Ehe 3.000 M ausbezahlt. Sie darf das Erbe nicht verkaufen und muss es bei ihrem Tode meinem Sohn, dessen Frau oder seinen Kindern überlassen.“
Die Tochter verstarb später. Nun stritten die Kinder des Sohnes (die Beteiligten) darüber, wer nach dem Tod der Tochter das Erbe der ursprünglichen Erblasserin erhalten sollte.
Das Testament enthielt zwei problematische Punkte, die das Gericht klären musste:
Die Formulierung, dass die Tochter das Erbe nach ihrem Tod an andere überlassen muss, ist typisch für eine Vorerbschaft. Das bedeutet: Die Tochter (die Vorerbin) durfte das Vermögen nutzen, aber nicht frei darüber verfügen. Nach ihrem Tod fällt das Erbe nicht in ihren eigenen Nachlass, sondern geht an einen bestimmten Nacherben.
Die Erblasserin schrieb, die Tochter müsse das Erbe entweder ihrem Sohn, oder seiner Frau, oder seinen Kindern überlassen. Das klang so, als hätte die Tochter die freie Wahl, wer der Nacherbe sein soll.
Nach deutschem Erbrecht (§2065 BGB) darf der Erblasser (hier: die Mutter) die Person des Erben oder Nacherben nicht einer anderen Person (hier: der Tochter) zur Bestimmung überlassen. Das Testament muss selbst bestimmen, wer erbt.
Um das Testament zu retten und dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin so nah wie möglich zu kommen, griff das Gericht auf die Testamentsauslegung zurück (§2084 BGB).
Das OLG sah den eigentlichen Zweck des Testaments:
Die Tochter sollte zunächst versorgt sein (sie durfte im Haus wohnen bleiben).
Das geerbte Vermögen (insbesondere das Haus) sollte aber auf jeden Fall in der Familie des Sohnes verbleiben.
Das Gericht legte das Testament geltungserhaltend aus und kam zu folgendem Ergebnis:
Die Tochter wurde nur als Vorerbin eingesetzt. Die Nacherbschaft sollte aber auflösend bedingt sein, und zwar so:
Die Tochter bleibt Vorerbin.
Die Nacherbschaft tritt nur dann ein, wenn die Tochter bei ihrem eigenen Tod nicht von einem der genannten Familienmitglieder (Sohn, Schwiegertochter oder deren Kinder – in egal welcher Kombination) beerbt wird.
Das Gericht interpretierte die Bedingung nicht als eine Anweisung, dass die Tochter einen Nacherben bestimmen soll. Stattdessen verstand es die Klausel als eine Bedingung für das Ende der Vorerbschaft:
Indem die Erblasserin die Möglichkeit eröffnete, dass die Tochter von irgendeinem der genannten Familienmitglieder beerbt werden kann, gab sie der Tochter faktisch die Freiheit, zu entscheiden, wer das Erbe behalten darf – nämlich diejenige Person, die sie in ihrem eigenen Testament als ihren Erben einsetzt (sofern es eine der genannten Personen ist).
Wenn die Tochter bei ihrem Tod eine der genannten Personen (Sohn, dessen Frau oder Kinder) als ihren Erben einsetzte, dann war die Bedingung erfüllt. Die Vorerbschaft endete, und das Vermögen blieb, wie von der Erblasserin gewünscht, in der Familie des Sohnes. Nur wenn die Tochter jemand außerhalb dieser Gruppe als ihren Erben bestimmt hätte, wäre die Nacherbschaft ausgelöst worden und das Vermöben hätte den gesetzlichen Nacherben zugestanden.
Da die Tochter (die Vorerbin) in ihrem eigenen Testament eines der Kinder des Sohnes (die Beteiligte zu 1) als Erbin eingesetzt hatte, war die Bedingung nach dieser Auslegung erfüllt, und das Vermögen ging an die Beteiligte zu 1.
Das OLG bestätigte damit die ursprüngliche Auslegung des Nachlassrichters: Die Erblasserin wollte sicherstellen, dass das Vermögen in der Familie ihres Sohnes bleibt. Durch die Auslegung als auflösend bedingte Vorerbschaft wurde dieser Wille gerettet und gleichzeitig die gesetzliche Vorschrift (§2065 BGB) eingehalten, die eine freie Bestimmung des Erben durch eine dritte Person untersagt. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 (die eine andere Verteilung wollte) wurde zurückgewiesen.
Die Tochter war Vorerbin, hatte aber die Möglichkeit, durch ihr eigenes Testament zu bestimmen, welches Mitglied der Familie ihres Halbbruders das Vermögen letztendlich behalten durfte.
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