Auslegung einer Vorsorgevollmacht als transmortal

Juni 13, 2025

Auslegung einer Vorsorgevollmacht als transmortal

OLG Bamberg, Beschluss vom 26.06.2023, 10 Wx 11/23

RA und Notar Krau

Was bedeutet „Vollmacht über den Tod hinaus“?

Stellen Sie sich vor, jemand möchte, dass eine bestimmte Person auch nach seinem Tod noch bestimmte Dinge für ihn erledigen kann, zum Beispiel Bankgeschäfte oder Angelegenheiten mit Immobilien. Dafür gibt es eine sogenannte transmortale Vollmacht. Das bedeutet, die Vollmacht bleibt auch nach dem Tod des Vollmachtgebers gültig. Eine andere Möglichkeit ist die postmortale Vollmacht, die erst mit dem Tod wirksam wird. Hier geht es aber um die transmortale Vollmacht.


Der Fall vor dem OLG Bamberg

Es gab einen Fall, bei dem ein Mann (der spätere Verstorbene) einer Frau eine Generalvollmacht erteilt hatte. In dieser Vollmacht stand, dass sie insbesondere als Betreuungsvollmacht dienen soll und nicht erlischt, wenn der Mann geschäftsunfähig wird. Der Mann und seine Frau verstarben gleichzeitig. Die Bevollmächtigte wollte daraufhin bestimmte Grundstücksangelegenheiten regeln, die zum Nachlass gehörten.

Das Amtsgericht Forchheim, das für das Grundbuch zuständig ist, lehnte dies ab. Es meinte, die Vollmacht sei mit dem Tod des Mannes erloschen. Die Bevollmächtigte legte daraufhin Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Bamberg ein.

Auslegung einer Vorsorgevollmacht als transmortal


Die Entscheidung des OLG Bamberg

Das OLG Bamberg gab der Beschwerde statt und entschied, dass die Vollmacht auch über den Tod des Mannes hinaus gültig war. Hier sind die wichtigsten Punkte, wie das Gericht zu dieser Entscheidung kam:

  • Grundsätzliche Annahme: Wenn eine Vollmacht notariell beurkundet ist (also von einem Notar aufgesetzt und beglaubigt), geht man normalerweise davon aus, dass sie auch nach dem Tod des Vollmachtgebers gültig sein soll. Das ist der sogenannte Regelfall. Der Gesetzgeber vermutet sogar, dass ein zugrunde liegendes Auftragsverhältnis (die Vereinbarung, aufgrund derer die Vollmacht erteilt wurde) über den Tod des Auftraggebers hinaus bestehen bleibt.
  • Kein ausdrückliches Erlöschen: Obwohl in der Vollmacht nicht ausdrücklich stand, dass sie „transmortal“ (über den Tod hinaus) gültig ist, gab es auch keine Formulierung, die besagt hätte, dass sie mit dem Tod erlischt. Wenn so eine wichtige Einschränkung gewollt gewesen wäre, hätte man das in einer notariellen Urkunde normalerweise festgehalten.
  • Vertrauen des Vollmachtgebers: Der Mann hatte der Bevollmächtigten ein großes Vertrauen entgegengebracht, indem er ihr eine umfassende Vollmacht erteilt hat, die auch bei Geschäftsunfähigkeit nicht erlischt. Das spricht dafür, dass er wollte, dass sie auch nach seinem Tod handlungsfähig bleibt.
  • „Insbesondere als Betreuungsvollmacht“: Die Formulierung, dass die Vollmacht „insbesondere als Betreuungsvollmacht“ dient, bedeutet nicht, dass sie nur dafür gedacht ist. Das Wort „insbesondere“ deutet darauf hin, dass die Vollmacht auch für andere Zwecke gelten kann.
  • Widerruflichkeit: Die Vollmacht konnte vom Vollmachtgeber jederzeit widerrufen werden. Nach seinem Tod geht dieses Recht auf die Erben über. Das zeigt, dass auch nach dem Tod eine Kontrolle über die Vollmacht möglich ist, was für einen Fortbestand spricht.
  • Sofortige Wirksamkeit: Der Vollmachtgeber wollte, dass die Vollmacht sofort im Außenverhältnis wirksam wird. Das zeigt, dass er wollte, dass die Bevollmächtigte schnell handlungsfähig ist.

Fazit

Das OLG Bamberg hat klargestellt, dass bei einer notariell beurkundeten Vorsorgevollmacht grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass diese auch über den Tod hinaus wirksam sein soll, es sei denn, es gibt klare Anhaltspunkte dafür, dass der Vollmachtgeber etwas anderes wollte. Die Gerichte schauen sich genau an, was im Text der Vollmacht steht und welche Absicht der Vollmachtgeber hatte.


Haben Sie noch weitere Fragen zu Vollmachten oder Erbrecht?

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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