Auslegung einer zugunsten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erteilten Belastungsvollmacht

November 2, 2025

Auslegung einer zugunsten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erteilten Belastungsvollmacht

Gericht: KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 26.11.2013
Rechtskraft: ja
Aktenzeichen: 1 W 291/13
Dokumenttyp: Beschluss

Verfahrensgang – vorgehend AG Charlottenburg, 15. November 2012, 43A SC 44405-5

Gerne fasse ich das Urteil des Kammergerichts Berlin (KG Berlin) vom 26. November 2013 (Az.: 1 W 291/13) in Bezug auf Grundbuchverfahren und Vollmachten zugunsten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammen.


Tenor
Die Zwischenverfügung wird aufgehoben, soweit das dargestellte Eintragungshindernis der Löschung der Grundschuld Abteilung III lfd. Nr. 1 entgegenstehen soll.

Die weitergehende Beschwerde wird nach einem Wert von 5.000 EUR zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Worum ging es in dem Fall?

Der Fall drehte sich um die Eintragung von Grundschulden und die Löschung einer bestehenden Grundschuld im Grundbuch.

Die Eigentümerin (Beteiligte zu 1) hatte einer GbR (bestehend aus Herrn und Frau V…) eine Belastungsvollmacht erteilt, um das Grundstück für Finanzierungszwecke mit Grundpfandrechten zu belasten, noch bevor der Kaufvertrag über das Grundstück abgeschlossen war. Später versuchte einer der Gesellschafter der GbR, Herr V…, die Grundschulden unter Berufung auf diese Vollmacht eintragen zu lassen.

Das Grundbuchamt forderte einen Nachweis dafür, dass Herr V. zum Zeitpunkt der Belastungshandlung noch die Vertretungsberechtigung für die GbR hatte.

Die wesentlichen rechtlichen Fragen waren:

  1. Wie ist eine Belastungsvollmacht auszulegen, die zugunsten einer GbR erteilt wird? Soll sie auch den einzelnen Gesellschaftern persönlich zustehen?
  2. Welche Nachweise sind im Grundbuchverfahren erforderlich, wenn eine GbR als Vertreter auftritt?

Auslegung einer zugunsten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erteilten Belastungsvollmacht

Kernpunkte der Entscheidung des KG Berlin

Das Gericht hob die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes teilweise auf, da die Löschung der alten Grundschuld unabhängig von der Eintragung der neuen erfolgen konnte. Im Übrigen wies es die Beschwerde zurück und bestätigte die Forderung des Grundbuchamts nach einem Nachweis der Vertretungsberechtigung.

1. Auslegung der Belastungsvollmacht für eine GbR

Das KG Berlin entschied, dass eine Vollmacht, die ausdrücklich einer GbR erteilt wird, nicht automatisch so auszulegen ist, dass sie auch den einzelnen Gesellschaftern persönlich (unabhängig von ihrer Gesellschafterstellung zum Zeitpunkt der Vollmachtnutzung) gemeinschaftlich erteilt wurde.

  • Der Wortlaut zählt: Wenn die Vollmacht die GbR als Bevollmächtigte benennt, geht man zunächst davon aus, dass die GbR selbst tätig werden soll, vertreten durch die aktuellen vertretungsberechtigten Gesellschafter.
  • Sinn und Zweck: Es wäre kontraproduktiv für den Vollmachtgeber (Eigentümer), wenn ein möglicherweise ausgeschiedener Gesellschafter die Vollmacht noch nutzen könnte, da dieser keine Beteiligung mehr an der künftigen Eigentümerin (der GbR als Käuferin) hätte. Dies gilt besonders bei langfristigen Vollmachten oder Vollmachten, die vor dem eigentlichen Kaufvertrag erteilt werden, da sich die Gesellschafterzusammensetzung in der Zwischenzeit ändern kann.
  • Ergebnis: Die Vollmacht war hier nur der GbR und damit nur denjenigen Personen erteilt, die aktuell für die GbR vertretungsberechtigt sind.

2. Nachweis der Vertretungsberechtigung der GbR

Da die Vollmacht nur der GbR zusteht, muss nachgewiesen werden, dass die handelnden Personen (hier Herr V.) die GbR auch vertreten dürfen.

  • Anforderung: Der Nachweis muss in der Form des § 29 GBO (Grundbuchordnung) erfolgen, d.h. in öffentlich beglaubigter oder beurkundeter Form. Es reichte nicht aus, dass Herr und Frau V. selbst erklärten, sie seien die alleinigen Gesellschafter.
  • Keine Erleichterungen nach § 47 Abs. 2 GBO: Die Grundbuchordnung bietet in § 47 Abs. 2 GBO eine Erleichterung für den Nachweis der Gesellschafter einer GbR, wenn es um die Eintragung von Rechten der GbR selbst (z.B. den Kauf des Grundstücks) geht.
    • Keine Anwendung als Vertreter: Das KG Berlin stellte klar, dass diese Erleichterung nicht gilt, wenn die GbR als Vertreter eines Dritten (hier: des Eigentümers zur Belastung des Grundstücks) auftritt. In diesem Fall geht es nicht um die Eintragung eines Rechts für die GbR, sondern um die Bindung des Vollmachtgebers, was eine höhere Sicherheit erfordert.
  • Ergebnis: Das Grundbuchamt forderte zu Recht einen formgerechten Nachweis der Vertretungsberechtigung von Herrn V. für die GbR zum Zeitpunkt der Belastungserklärung. Eine einfache Eigenerklärung der Gesellschafter zur Zusammensetzung der GbR war dafür nicht ausreichend.

Fazit

Wenn Sie eine GbR bevollmächtigen, denken Sie daran, dass die Vollmacht in der Regel nur der GbR und damit ihren aktuellen vertretungsberechtigten Gesellschaftern zusteht.

Im Grundbuchverkehr muss die Vertretung einer GbR, die für einen Dritten (z.B. den Grundstückseigentümer) handelt, formell korrekt (notariell beurkundet oder beglaubigt) nachgewiesen werden. Die Gesellschafter können nicht einfach selbst erklären, dass sie zur Vertretung befugt sind, wenn es darum geht, den Eigentümer zu binden. Dies soll den Eigentümer und die Sicherheit des Grundbuchs schützen.

Anmerkung RA Krau:

Die Entscheidung des KG Berlin vom 26.11.2013 befasste sich mit zwei Hauptproblemen im Zusammenhang mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) im Grundbuchverfahren: der Auslegung einer Belastungsvollmacht zugunsten einer GbR und dem Nachweis der Vertretungsberechtigung der handelnden Gesellschafter.

Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), das am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist, ändert die Rechtslage und die Anforderungen im Grundbuchverkehr für die GbR erheblich, wodurch die im zitierten Beschluss aufgeworfenen Probleme in Zukunft grundlegend anders gehandhabt werden.


Wesentliche Änderungen durch das MoPeG

Die zentralen Änderungen, die die GbR und das Grundbuch betreffen, und somit die Bedeutung der KG-Entscheidung verschieben, sind:

1. Einführung des Gesellschaftsregisters (eGbR)

  • Bisher (alte Rechtslage, relevant für KG-Entscheidung): Die GbR wurde im Grundbuch über ihre Gesellschafter eingetragen (§ 47 Abs. 2 GBO a.F.). Es gab kein zentrales Register für die GbR, was den Nachweis ihrer Existenz, Identität und Vertretung im Grundbuchverkehr erschwerte und zu den Problemen im KG-Beschluss führte.
  • Neu (durch MoPeG): Die GbR kann sich in das Gesellschaftsregister eintragen lassen und wird dann als eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts (eGbR) geführt (§ 707 BGB n.F.).
    • Grundbuchfähigkeit: Für Eintragungen in das Grundbuch, die ein Recht der GbR betreffen (z.B. Erwerb, Veräußerung, Belastung), ist die Voreintragung als eGbR im Gesellschaftsregister zwingend erforderlich (§ 47 Abs. 2 GBO n.F.; Art. 229 § 21 EGBGB).
    • Eintragung im Grundbuch: Künftig wird im Grundbuch nur noch die eGbR selbst mit ihrem Namen, Sitz und Registernummer eingetragen – die Gesellschafter werden nicht mehr eingetragen (§ 47 Abs. 2 Satz 1 GBO n.F.).

2. Nachweis der Vertretungsberechtigung

  • Bisher (alte Rechtslage, Problem im KG-Beschluss): Der Nachweis der Vertretungsberechtigung der für die GbR handelnden Gesellschafter musste in der Form des § 29 GBO (öffentlich beglaubigte Urkunden) erbracht werden, da das Grundbuchamt die Gesellschafterstellung und die Vertretungsbefugnis nicht aus einem öffentlichen Register entnehmen konnte. Die Eigenerklärung der Gesellschafter genügte in der Regel nicht (siehe Rn. 26 KG-Beschluss).
  • Neu (durch MoPeG): Bei einer eGbR dient der Auszug aus dem Gesellschaftsregister als einfacher und ausreichender Nachweis für die Existenz, die Gesellschafter und die Vertretungsbefugnis der Gesellschaft (§ 707a Abs. 3 BGB n.F. i.V.m. § 899a BGB n.F.).
    • Die im Gesellschaftsregister eingetragene Vertretungsbefugnis der Gesellschafter (z.B. Einzelvertretung oder Gesamtvertretung) wird für den Rechtsverkehr publiziert und genießt öffentlichen Glauben (ähnlich dem Handelsregister).

Auswirkungen auf die KG-Entscheidung

Die beiden Leitsätze der KG-Entscheidung verlieren durch das MoPeG ihre praktische Relevanz oder werden entschärft:

1. Auslegung der Belastungsvollmacht (Leitsatz 1)

Der Beschluss legt dar, dass eine Vollmacht zugunsten der „GbR“ nicht automatisch so auszulegen ist, dass auch die aktuellen Gesellschafter persönlich bevollmächtigt sind.

  • Auswirkung durch MoPeG: Die Notwendigkeit dieser komplizierten Auslegungsfrage bei der Vertretung einer GbR wird durch das Gesellschaftsregister minimiert. Wenn eine eGbR bevollmächtigt wird, ergibt sich ihre Vertretungsbefugnis (wer für sie handeln darf) klar aus dem Registerauszug. Es sind die dort verzeichneten Gesellschafter mit der dort festgelegten Vertretungsregelung, die die Gesellschaft vertreten. Dies schafft Rechtssicherheit und reduziert die Abhängigkeit von der Auslegung des individuellen Vollmachtswortlauts im Hinblick auf die Gesellschafter.

2. Nachweis der Vertretungsberechtigung (Leitsatz 2)

Der Beschluss verlangt, dass die Vertretungsberechtigung der für die GbR handelnden Gesellschafter in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden muss, da § 47 Abs. 2 GBO a.F. keine Nachweiserleichterung für die GbR als Vertreterin begründet.

  • Auswirkung durch MoPeG: Für eine eGbR tritt der Registerauszug als Nachweis an die Stelle des umständlichen urkundlichen Nachweises (§ 29 GBO). Die in der Entscheidung geforderte Notwendigkeit eines urkundlichen Nachweises für die Gesellschafterstellung und Vertretungsbefugnis entfällt, da das Grundbuchamt die Vertretung der eGbR aus dem Gesellschaftsregister abrufen kann.

Fazit:

Die im KG-Beschluss beleuchtete Problematik resultierte aus dem Fehlen eines öffentlichen Registers für die GbR. Das MoPeG beseitigt dieses strukturelle Problem durch die Einführung des Gesellschaftsregisters und der eGbR, wodurch die Vertretungsverhältnisse einer GbR im Grundbuchverkehr einfach, öffentlich und zuverlässig nachgewiesen werden können.

RA und Notar Krau

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