Auslegung eines Berliner Testaments – Erbeinsetzung aller vier Kinder

Juni 10, 2020

Auslegung eines Berliner Testaments – Erbeinsetzung aller vier Kinder

Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss vom 01. Juli 1998 – 1Z BR 21/98

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte über die Auslegung eines Berliner Testaments zu entscheiden,

in dem die Erblasser ihren Kindern den gesamten Nachlass zugewendet und bestimmt hatten, dass eines ihrer Kinder das elterliche Geschäft erhalten sollte.

Vorausgegangen waren Entscheidungen des Amtsgerichts Memmingen vom 18. Juli 1996 und des Landgerichts Memmingen vom 10. Dezember 1997.

Sachverhalt

Die Erblasserin, die im Alter von 92 Jahren verstarb, war verheiratet mit X.

Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor, die Beteiligten zu 1 bis 4.

X. war Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er nach dem Krieg ein Haus wiederaufbaute und eine Lebensmittelgroßhandlung betrieb.

Am 8. September 1948 schlossen die Eheleute einen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten.

Am 28. Dezember 1951 verfasste die Erblasserin ein handschriftliches Testament, das ihr Ehemann

mit der Überschrift „Gemeinschaftliches Testament“ versah und am 8. Januar 1952 eigenhändig unterschrieb.

Im Testament bestimmten sie, dass der überlebende Ehegatte Alleinerbe sein und nach dem Tod des zuletzt Versterbenden der gesamte Nachlass an die vier Kinder fallen sollte.

Das elterliche Geschäft sollte der Beteiligte zu 3 spätestens im Zeitpunkt des Todes des zuletzt Versterbenden erhalten.

Auslegung eines Berliner Testaments – Erbeinsetzung aller vier Kinder

Die Erbteile der Beteiligten zu 1, 2 und 4 sollten jeweils 2/10 der Steuerbilanz betragen, die im letzten Jahr vor dem Todesfall erstellt wurde, und der Beteiligte zu 3 sollte diese Anteile auszahlen.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Amtsgericht Memmingen kündigte am 18. Juli 1996 an, einen Erbschein nach dem Antrag des Beteiligten zu 3 zu erteilen, der sich als Alleinerbe betrachtete.

Das Landgericht Memmingen hob diesen Vorbescheid am 10. Dezember 1997 auf und ordnete die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins an, der alle vier Kinder zu je 1/4 als Miterben ausweist.

Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts

Das Bayerische Oberste Landesgericht wies die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 zurück.

Es entschied, dass die Auslegung des Testaments durch das Landgericht zutreffend war.

Die Kernpunkte der Begründung sind:

Testamentsauslegung:

Das gemeinschaftliche Testament war bezüglich der Erbfolge nach der Erblasserin unklar.

Auslegung eines Berliner Testaments – Erbeinsetzung aller vier Kinder

Das Landgericht prüfte drei mögliche Auslegungen:

Der Beteiligte zu 3 als Alleinerbe.

Alle vier Kinder als Erben ohne genaue Bestimmung der Quoten.

Beteiligter zu 3 erbt zu 4/10 und die anderen Kinder zu je 2/10.

Das Landgericht folgerte, dass die zweite Auslegungsmöglichkeit dem Willen der Eltern entsprach:

Alle vier Kinder sollten gleichmäßig erben, und die Zuweisung des elterlichen Geschäfts an den Beteiligten zu 3 stelle lediglich ein Vorausvermächtnis dar.

Begründung der Entscheidung:

Das Testament setzte die Kinder nicht explizit als Erben ein, jedoch sollte der gesamte Nachlass an sie fallen.

Die Geschäftsnachfolge an den Beteiligten zu 3 war als Teilungsanordnung oder Vorausvermächtnis zu verstehen.

Die steuerliche Behandlung des Grundstücks als Betriebsvermögen des elterlichen Geschäfts bedeutete nicht, dass der Beteiligte zu 3 als Alleinerbe anzusehen sei.

Auslegung eines Berliner Testaments – Erbeinsetzung aller vier Kinder

Das Grundstück diente auch privaten Zwecken und war nicht untrennbar mit dem Geschäft verbunden.

Die Eltern hätten eine Alleinerbeneinsetzung des Beteiligten zu 3 als Geschäftsleute klar formuliert, wenn dies ihr Wille gewesen wäre.

Kostentragung:

Der Beteiligte zu 3 hat die Kosten der Beteiligten zu 4 im Verfahren der weiteren Beschwerde zu tragen.

Geschäftswertfestsetzung:

Die Festsetzung des Geschäftswerts des Beschwerdeverfahrens durch das Landgericht war aufzuheben

und das Verfahren insoweit zurückzuverweisen, da die Wertangaben der Beteiligten unterschiedlich waren und diese Widersprüche aufzuklären sind.

Insgesamt bestätigte das Bayerische Oberste Landesgericht die Auslegung des Testaments durch das Landgericht, dass alle vier Kinder gleichberechtigte Erben sind

und der Beteiligte zu 3 lediglich das elterliche Geschäft erhält, jedoch nicht als Alleinerbe eingesetzt wurde.

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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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