Auslegung eines Erbvertrages zwischen Ehegatten – OLG Saarbrücken Beschluss vom 06. Januar 1994 – 5 W 119/93 – 70
Zusammenfassung RA und Notar Krau
Die Kinder des am 13. Juli 1990 verstorbenen Erblassers und seiner am 16. Juni 1981 vorverstorbenen Ehefrau streiten über die Auslegung eines Erbvertrages.
Am 21. Juni 1965 schlossen der Erblasser und seine Ehefrau vor Notar G einen Erbvertrag, der folgende Anordnungen enthielt:
Gegenseitige Einsetzung als Erben.
Pflichtteilsklausel:
Ein Abkömmling, der seinen Pflichtteil nach dem Erstversterbenden verlangt, soll auch nach dem Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten.
Wiederverheiratungsklausel:
Der Überlebende muss bei Wiederverheiratung den Wert des gesetzlichen Erbteils der Abkömmlinge, die den Pflichtteil nicht verlangt haben, auszahlen.
Nach dem Tod seiner Frau verfasste der Erblasser am 11. Februar 1990 ein handschriftliches Testament, in dem er seinen Sohn Wolfgang wegen wiederholter tätlicher Angriffe enterbte und ihn auf den Pflichtteil beschränkte.
Die Tochter Elisabeth beantragte daraufhin einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist, mit der Begründung, der Erbvertrag habe nur die Erbfolge nach dem Erstversterbenden geregelt.
Erstinstanzliche Entscheidungen
Das Amtsgericht Saarlouis hielt nach Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung und Gutachten den Erbvertrag nicht für bindend bezüglich der Erbfolge nach dem Längstlebenden.
Es folgte dem Testament vom 11. Februar 1990 und kündigte an, einen Erbschein zugunsten von Elisabeth zu erteilen.
Der Sohn Wolfgang legte Beschwerde ein und beantragte, einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der beide Geschwister als Erben zu je 1/2 ausweist.
Er argumentierte, der Erbvertrag sei bindend und schließe die Testierfreiheit des Längstlebenden aus.
Landgericht Saarbrücken
Das Landgericht hob den Beschluss des Amtsgerichts auf und wies dieses an, einen Erbschein zugunsten beider Kinder zu erteilen.
Es argumentierte, dass der Erbvertrag durch Auslegung eine Einsetzung beider Kinder als Schlusserben enthalte.
Es stützte sich dabei auf die Pflichtteilsklausel und die Wiederverheiratungsklausel, die den gemeinsamen Willen der Ehegatten ausdrücken, die Kinder als Erben des Längstlebenden einzusetzen.
Oberlandesgericht Saarbrücken
Elisabeth legte daraufhin weitere Beschwerde ein, die das Oberlandesgericht zurückwies.
Es bestätigte die Auslegung des Landgerichts, wonach der Erbvertrag eine bindende Erbeinsetzung beider Kinder als Schlusserben nach dem Längstlebenden enthielt.
Das Gericht hob hervor, dass alle zugänglichen Erkenntnismittel zur Erforschung des wirklichen Willens der Erbvertragsparteien heranzuziehen seien.
Rechtliche Erwägungen
Testierfreiheit und Bindung durch Erbvertrag:
Das OLG bekräftigte, dass der Erbvertrag die Testierfreiheit des Überlebenden einschränkt, wenn eine Einsetzung der Kinder als Schlusserben darin gesehen werden kann.
Auslegung des Erbvertrages:
Gemäß §§ 133, 157 BGB sind alle außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und die allgemeine Lebenserfahrung zur Auslegung heranzuziehen.
Auch die für gemeinschaftliche Testamente entwickelten Grundsätze sind anwendbar.
Pflichtteilsklausel und Wiederverheiratungsklausel:
Diese Klauseln deuten auf den Willen der Vertragsparteien hin, ihre Kinder als Schlusserben einzusetzen.
Bindungswirkung:
Die Einsetzung der Kinder als Schlusserben war bindend, und spätere Verfügungen des Erblassers, die dieser Regelung widersprechen, sind unwirksam.
Ergebnis
Das Oberlandesgericht entschied, dass die Erbfolge nach dem Erblasser durch den Erbvertrag bestimmt wird, der die Kinder zu gleichen Teilen als Erben einsetzt.
Das handschriftliche Testament vom 11. Februar 1990, das den Sohn enterbt, ist unwirksam.
Elisabeth trägt die Kosten des Verfahrens, und der Geschäftswert wird auf 180.184,79 DM festgesetzt.
Der Beschluss des OLG Saarbrücken verdeutlicht die Bindungswirkung von Erbverträgen und die Bedeutung der Auslegung des wirklichen Willens der Vertragsparteien.
Die Entscheidung betont, dass auch notarielle Erbverträge umfassend ausgelegt werden können, um den tatsächlichen Willen der Verfügenden zu ermitteln und umzusetzen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.