Auslegung eines im Grundbuch eingetragenen Wohnungsrechts

Mai 13, 2025

Auslegung eines im Grundbuch eingetragenen Wohnungsrechts

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

heute möchten wir Ihnen einen interessanten Fall des Bundesgerichtshofs näherbringen, der sich mit der Frage auseinandersetzt, welche Rechte jemand hat,

dem ein sogenanntes Wohnungsrecht an einer Immobilie eingeräumt wurde, wenn der Eigentümer diese Immobilie selbst nutzt.

RA und Notar Krau erläutert Ihnen die Hintergründe und die Entscheidung des BGH in verständlicher Sprache.

Was ist ein Wohnungsrecht?

Stellen Sie sich vor, Sie erhalten das Recht, in einem bestimmten Haus oder einer bestimmten Wohnung zu wohnen – und zwar Ihr Leben lang.

Dieses Recht wird im Grundbuch eingetragen und sichert Sie ab.

Juristisch spricht man hier von einem „Wohnungsrecht“ gemäß § 1093 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Ein wichtiger Punkt dabei ist: Dieses Recht schließt in der Regel den Eigentümer des Hauses oder der Wohnung von der Nutzung aus.

Der Fall vor dem Bundesgerichtshof

In dem konkreten Fall, über den der BGH entschieden hat (Urteil vom 23.03.2023 – V ZR 113/22), ging es um Geschwister.

Die Mutter hatte ihrem Sohn ein Grundstück mit einem Rohbau geschenkt und sich sowie ihrer Tochter (der Klägerin) ein lebenslanges Wohnungsrecht für die Untergeschosswohnung einräumen lassen.

Dieses Recht wurde auch im Grundbuch vermerkt.

Der Sohn baute das Haus fertig und zog mit seiner Familie in die Hauptwohnung ein.

Die Tochter und die Mutter nutzten die Untergeschosswohnung jedoch nie.

Stattdessen vermietete der Sohn diese Wohnung später und zog dann selbst ein.

Die Tochter war damit nicht einverstanden und forderte von ihrem Bruder Nutzungsersatz für die Zeit, in der er die Wohnung selbst bewohnte.

Sie argumentierte, dass er einen Vorteil gehabt habe, da er die Wohnung hätte vermieten können und diese Einnahmen ihr zustünden.

Auslegung eines im Grundbuch eingetragenen Wohnungsrechts

Die Entscheidung des BGH: Kein Anspruch auf Nutzungsersatz

Der Bundesgerichtshof wies die Klage der Tochter ab.

Er stellte klar, dass es sich bei dem eingetragenen Recht tatsächlich um ein „Wohnungsrecht“ im Sinne des § 1093 BGB handelte,

das den Bruder als Eigentümer von der Nutzung der Untergeschosswohnung ausschloss.

Dennoch sah der BGH keine Grundlage für einen Anspruch der Tochter auf Nutzungsersatz.

Die Richter begründeten dies damit, dass das Wohnungsrecht der Tochter ihr zwar das Recht gab, selbst in der Wohnung zu leben,

nicht aber das Recht, die Wohnung an Dritte zu vermieten oder vom Eigentümer eine Entschädigung dafür zu verlangen, dass er die Wohnung selbst nutzt.

Anders als bei einem umfassenderen Nutzungsrecht, dem Nießbrauch, beinhaltet das Wohnungsrecht eben nicht automatisch das Recht,

wirtschaftliche Vorteile aus der Immobilie zu ziehen, wenn man sie nicht selbst nutzt.

Der BGH führte aus, dass der Bruder zwar ohne rechtlichen Grund in der Wohnung gewohnt habe, dies aber nicht „auf Kosten“ der Schwester geschehen sei.

Denn der Vorteil, den der Bruder durch die Eigennutzung hatte, stand der Schwester nicht automatisch zu. Ihr Wohnungsrecht berechtigte sie lediglich zur eigenen Nutzung.

Was bedeutet das für Sie?

Dieses Urteil verdeutlicht einen wichtigen Unterschied zwischen verschiedenen Arten von Rechten an Immobilien.

Wenn Sie ein Wohnungsrecht haben, bedeutet das in erster Linie, dass Sie selbst in der Immobilie wohnen dürfen und der Eigentümer dies in der Regel nicht darf.

Es bedeutet aber nicht automatisch, dass Sie einen Anspruch auf Mieteinnahmen oder eine Nutzungsentschädigung haben, wenn Sie die Immobilie nicht selbst nutzen und der Eigentümer dies tut.

Es ist daher entscheidend, genau zu prüfen, welche Rechte und Pflichten in der Eintragungsbewilligung und im Grundbuch festgelegt sind.

Bei Fragen rund um das Wohnungsrecht oder ähnliche Sachverhalte stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

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